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Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

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Der Schäfer.

Der schöne Schäfer zog so nah
Vorüber an dem Königsschloß;
Die Jungfrau von der Zinne sah,
Da war ihr Sehnen groß.
Sie rief ihm zu ein süßes Wort:
"O dürft' ich gehn hinab zu dir!
Wie glänzen weiß die Lämmer dort,
Wie roth die Blümlein hier!"
Der Jüngling ihr entgegenbot:
"O kämest du herab zu mir!
Wie glänzen so die Wänglein roth,
Wie weiß die Arme dir!"
Und als er nun mit stillem Weh
In jeder Früh' vorübertrieb:
Da sah er hin, bis in der Höh'
Erschien sein holdes Lieb.
Dann rief er freundlich ihr hinauf:
"Willkommen, Königstöchterlein!"
Ihr süßes Wort ertönte drauf:
"Viel Dank, du Schäfer mein!"
Der Schäfer.

Der ſchöne Schäfer zog ſo nah
Vorüber an dem Königsſchloß;
Die Jungfrau von der Zinne ſah,
Da war ihr Sehnen groß.
Sie rief ihm zu ein ſüßes Wort:
„O dürft’ ich gehn hinab zu dir!
Wie glänzen weiß die Lämmer dort,
Wie roth die Blümlein hier!“
Der Jüngling ihr entgegenbot:
„O kämeſt du herab zu mir!
Wie glänzen ſo die Wänglein roth,
Wie weiß die Arme dir!“
Und als er nun mit ſtillem Weh
In jeder Früh’ vorübertrieb:
Da ſah er hin, bis in der Höh’
Erſchien ſein holdes Lieb.
Dann rief er freundlich ihr hinauf:
„Willkommen, Königstöchterlein!“
Ihr ſüßes Wort ertönte drauf:
„Viel Dank, du Schäfer mein!“
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[160/0166] Der Schäfer. Der ſchöne Schäfer zog ſo nah Vorüber an dem Königsſchloß; Die Jungfrau von der Zinne ſah, Da war ihr Sehnen groß. Sie rief ihm zu ein ſüßes Wort: „O dürft’ ich gehn hinab zu dir! Wie glänzen weiß die Lämmer dort, Wie roth die Blümlein hier!“ Der Jüngling ihr entgegenbot: „O kämeſt du herab zu mir! Wie glänzen ſo die Wänglein roth, Wie weiß die Arme dir!“ Und als er nun mit ſtillem Weh In jeder Früh’ vorübertrieb: Da ſah er hin, bis in der Höh’ Erſchien ſein holdes Lieb. Dann rief er freundlich ihr hinauf: „Willkommen, Königstöchterlein!“ Ihr ſüßes Wort ertönte drauf: „Viel Dank, du Schäfer mein!“

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Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/166>, abgerufen am 18.04.2024.