Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719.

Bild:
<< vorherige Seite
von den Reimen.
6. Werden aber die Worte bey allen Leuten
auf einerley Art ausgesprochen, und
mit einander gereimet?

Keines weges: Denn nur zweyer Landschafften
zu gedencken, so sprechen die Sachsen und Meißner
viele Worte anders aus, als die Schlesier. Also
reimet sich bey den Schlesiern Was und Fraß, Kön-
nen
und Sinnen, Von und Lohn, Muß und
Gruß: Bey den Meißnern und Sachsen hingegen
reimen sich solche Worte nicht. Wenn man auf den
Grund siehet, so beruhet solcher Unterscheid, zwischen
genannten und andern Nationen auf der mancherley
Aussprache der Vocalium, Diphthongorum, einfacher
und gedoppelter Consonantium. Wir wollen um
mehrer Klarheit willen einige Buchstaben mit einan-
der durchlauffen, und den unterschiedenen Thon in et-
lichen Exempeln anhören.

A. wird von etlichen also ausgesprochen:

Jch weiß nicht mehr zu schlaffen,
Wilst du mir Rath verschaffen:
So zelge mir den Mann,
Der mich vergnügen kan.

Jngleichen:

Jn dieser gantzen Stadt;
Find ich gar keinen Rath.

E. Klinget bey etlichen folgender massen:

Soll das Hertz in Rube stehen,
Muß man nicht nach Weibern sehen,
Denn man wird dadurch verliebt,
Das mehr Schmertz als Labsal giebt.
J. und
von den Reimen.
6. Werden aber die Worte bey allen Leuten
auf einerley Art ausgeſprochen, und
mit einander gereimet?

Keines weges: Denn nur zweyer Landſchafften
zu gedencken, ſo ſprechen die Sachſen und Meißner
viele Worte anders aus, als die Schleſier. Alſo
reimet ſich bey den Schleſiern Was und Fraß, Koͤn-
nen
und Sinnen, Von und Lohn, Muß und
Gruß: Bey den Meißnern und Sachſen hingegen
reimen ſich ſolche Worte nicht. Wenn man auf den
Grund ſiehet, ſo beruhet ſolcher Unterſcheid, zwiſchen
genannten und andern Nationen auf der mancherley
Ausſprache der Vocalium, Diphthongorum, einfacher
und gedoppelter Conſonantium. Wir wollen um
mehrer Klarheit willen einige Buchſtaben mit einan-
der durchlauffen, und den unterſchiedenen Thon in et-
lichen Exempeln anhoͤren.

A. wird von etlichen alſo ausgeſprochen:

Jch weiß nicht mehr zu ſchlaffen,
Wilſt du mir Rath verſchaffen:
So zelge mir den Mann,
Der mich vergnuͤgen kan.

Jngleichen:

Jn dieſer gantzen Stadt;
Find ich gar keinen Rath.

E. Klinget bey etlichen folgender maſſen:

Soll das Hertz in Rube ſtehen,
Muß man nicht nach Weibern ſehen,
Denn man wird dadurch verliebt,
Das mehr Schmertz als Labſal giebt.
J. und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0017" n="[13]"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">von den Reimen.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">6. Werden aber die Worte bey allen Leuten<lb/>
auf einerley Art ausge&#x017F;prochen, und<lb/>
mit einander gereimet?</hi> </head><lb/>
          <p>Keines weges: Denn nur zweyer Land&#x017F;chafften<lb/>
zu gedencken, &#x017F;o &#x017F;prechen die Sach&#x017F;en und Meißner<lb/>
viele Worte anders aus, als die Schle&#x017F;ier. Al&#x017F;o<lb/>
reimet &#x017F;ich bey den Schle&#x017F;iern <hi rendition="#fr">Was</hi> und <hi rendition="#fr">Fraß, Ko&#x0364;n-<lb/>
nen</hi> und <hi rendition="#fr">Sinnen, Von</hi> und <hi rendition="#fr">Lohn, Muß</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">Gruß:</hi> Bey den Meißnern und Sach&#x017F;en hingegen<lb/>
reimen &#x017F;ich &#x017F;olche Worte nicht. Wenn man auf den<lb/>
Grund &#x017F;iehet, &#x017F;o beruhet &#x017F;olcher Unter&#x017F;cheid, zwi&#x017F;chen<lb/>
genannten und andern <hi rendition="#aq">Nationen</hi> auf der mancherley<lb/>
Aus&#x017F;prache der <hi rendition="#aq">Vocalium, Diphthongorum,</hi> einfacher<lb/>
und gedoppelter <hi rendition="#aq">Con&#x017F;onantium.</hi> Wir wollen um<lb/>
mehrer Klarheit willen einige Buch&#x017F;taben mit einan-<lb/>
der durchlauffen, und den unter&#x017F;chiedenen Thon in et-<lb/>
lichen Exempeln anho&#x0364;ren.</p><lb/>
          <p>A. wird von etlichen al&#x017F;o ausge&#x017F;prochen:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Jch weiß nicht mehr zu <hi rendition="#fr">&#x017F;chlaffen,</hi></l><lb/>
            <l>Wil&#x017F;t du mir Rath <hi rendition="#fr">ver&#x017F;chaffen:</hi></l><lb/>
            <l>So zelge mir den Mann,</l><lb/>
            <l>Der mich vergnu&#x0364;gen kan.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Jngleichen:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Jn die&#x017F;er gantzen <hi rendition="#fr">Stadt;</hi></l><lb/>
            <l>Find ich gar keinen <hi rendition="#fr">Rath.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <p>E. Klinget bey etlichen folgender ma&#x017F;&#x017F;en:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Soll das Hertz in Rube <hi rendition="#fr">&#x017F;tehen,</hi></l><lb/>
            <l>Muß man nicht nach Weibern <hi rendition="#fr">&#x017F;ehen,</hi></l><lb/>
            <l>Denn man wird dadurch verliebt,</l><lb/>
            <l>Das mehr Schmertz als Lab&#x017F;al giebt.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">J. und</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[13]/0017] von den Reimen. 6. Werden aber die Worte bey allen Leuten auf einerley Art ausgeſprochen, und mit einander gereimet? Keines weges: Denn nur zweyer Landſchafften zu gedencken, ſo ſprechen die Sachſen und Meißner viele Worte anders aus, als die Schleſier. Alſo reimet ſich bey den Schleſiern Was und Fraß, Koͤn- nen und Sinnen, Von und Lohn, Muß und Gruß: Bey den Meißnern und Sachſen hingegen reimen ſich ſolche Worte nicht. Wenn man auf den Grund ſiehet, ſo beruhet ſolcher Unterſcheid, zwiſchen genannten und andern Nationen auf der mancherley Ausſprache der Vocalium, Diphthongorum, einfacher und gedoppelter Conſonantium. Wir wollen um mehrer Klarheit willen einige Buchſtaben mit einan- der durchlauffen, und den unterſchiedenen Thon in et- lichen Exempeln anhoͤren. A. wird von etlichen alſo ausgeſprochen: Jch weiß nicht mehr zu ſchlaffen, Wilſt du mir Rath verſchaffen: So zelge mir den Mann, Der mich vergnuͤgen kan. Jngleichen: Jn dieſer gantzen Stadt; Find ich gar keinen Rath. E. Klinget bey etlichen folgender maſſen: Soll das Hertz in Rube ſtehen, Muß man nicht nach Weibern ſehen, Denn man wird dadurch verliebt, Das mehr Schmertz als Labſal giebt. J. und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/17
Zitationshilfe: Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719, S. [13]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/17>, abgerufen am 29.03.2024.