Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719.

Bild:
<< vorherige Seite
Das III. Capitul von der Scansion.

Dieses ist falsch:

Kein Mensch auf Erden lebt,
Der nicht nach Ehren strebt.

Dieses ist recht:

Lebt jemand auf der Erden,
Der nicht will vornehm werden?
Das III. Capitul.
Von der Scansion.
1. Was ist die Scansion?

Wenn ein jedes Wort seinen rechten Thon und
Abschnitt hat. Also hat folgender Vers keinen rech-
ten Thon:

Jm Sommer kan man nicht lange in dem Studier-Stüb-
gen seyn;
Jm Winter hingegen findet man sich fein zum Ofen ein.

Diese Zeilen hingegen haben keinen rechten Ab-
schnitt:

Den Toback kan ich gantz und gar nicht wohl vertragen,
Er pflegt mich in dem Leibe gar zu arg zu plagen.
2. Worauf muß man denn sehen, wenn die
Worte ihren rechten Thon haben
sollen?

Man muß wissen, welche Sylben fallend oder
steigend, lang oder kurtz seyn, und ob man wohl einige
Reguln hiervon geben kan, so brauchet man doch die-
ser Weitläufftigkeit nicht, sondern man darff nur sei-
ne Verse entweder selbst genau lesen, oder andere le-
sen lassen, so wird einem schon das Gehöre sagen, ob

alle
C
Das III. Capitul von der Scanſion.

Dieſes iſt falſch:

Kein Menſch auf Erden lebt,
Der nicht nach Ehren ſtrebt.

Dieſes iſt recht:

Lebt jemand auf der Erden,
Der nicht will vornehm werden?
Das III. Capitul.
Von der Scanſion.
1. Was iſt die Scanſion?

Wenn ein jedes Wort ſeinen rechten Thon und
Abſchnitt hat. Alſo hat folgender Vers keinen rech-
ten Thon:

Jm Sommer kan man nicht lange in dem Studier-Stuͤb-
gen ſeyn;
Jm Winter hingegen findet man ſich fein zum Ofen ein.

Dieſe Zeilen hingegen haben keinen rechten Ab-
ſchnitt:

Den Toback kan ich gantz und gar nicht wohl vertragen,
Er pflegt mich in dem Leibe gar zu arg zu plagen.
2. Worauf muß man denn ſehen, wenn die
Worte ihren rechten Thon haben
ſollen?

Man muß wiſſen, welche Sylben fallend oder
ſteigend, lang oder kurtz ſeyn, und ob man wohl einige
Reguln hiervon geben kan, ſo brauchet man doch die-
ſer Weitlaͤufftigkeit nicht, ſondern man darff nur ſei-
ne Verſe entweder ſelbſt genau leſen, oder andere le-
ſen laſſen, ſo wird einem ſchon das Gehoͤre ſagen, ob

alle
C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0035" n="31"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">III.</hi> Capitul von der <hi rendition="#aq">Scan&#x017F;ion.</hi></hi> </fw><lb/>
          <p>Die&#x017F;es i&#x017F;t fal&#x017F;ch:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Kein Men&#x017F;ch auf Erden lebt,</l><lb/>
            <l>Der nicht nach Ehren &#x017F;trebt.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Die&#x017F;es i&#x017F;t recht:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Lebt jemand auf der Erden,</l><lb/>
            <l>Der nicht will vornehm werden?</l>
          </lg>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">III.</hi> Capitul.<lb/>
Von der <hi rendition="#aq">Scan&#x017F;ion.</hi></hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">1. Was i&#x017F;t die <hi rendition="#aq">Scan&#x017F;ion</hi>?</hi> </head><lb/>
          <p>Wenn ein jedes Wort &#x017F;einen rechten Thon und<lb/>
Ab&#x017F;chnitt hat. Al&#x017F;o hat folgender Vers keinen rech-<lb/>
ten Thon:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Jm <hi rendition="#fr">Sommer</hi> kan man nicht lange in dem <hi rendition="#fr">Studier-Stu&#x0364;b-</hi></l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">gen</hi> &#x017F;eyn;</hi> </l><lb/>
            <l>Jm <hi rendition="#fr">Winter</hi> hingegen findet man &#x017F;ich fein zum <hi rendition="#fr">Ofen</hi> ein.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Zeilen hingegen haben keinen rechten Ab-<lb/>
&#x017F;chnitt:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Den Toback kan ich gantz und gar nicht wohl vertragen,</l><lb/>
            <l>Er pflegt mich in dem <hi rendition="#fr">Leibe</hi> gar zu arg zu plagen.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">2. Worauf muß man denn &#x017F;ehen, wenn die<lb/>
Worte ihren rechten Thon haben<lb/>
&#x017F;ollen?</hi> </head><lb/>
          <p>Man muß wi&#x017F;&#x017F;en, welche Sylben fallend oder<lb/>
&#x017F;teigend, lang oder kurtz &#x017F;eyn, und ob man wohl einige<lb/>
Reguln hiervon geben kan, &#x017F;o brauchet man doch die-<lb/>
&#x017F;er Weitla&#x0364;ufftigkeit nicht, &#x017F;ondern man darff nur &#x017F;ei-<lb/>
ne Ver&#x017F;e entweder &#x017F;elb&#x017F;t genau le&#x017F;en, oder andere le-<lb/>
&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o wird einem &#x017F;chon das Geho&#x0364;re &#x017F;agen, ob<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C</fw><fw place="bottom" type="catch">alle</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0035] Das III. Capitul von der Scanſion. Dieſes iſt falſch: Kein Menſch auf Erden lebt, Der nicht nach Ehren ſtrebt. Dieſes iſt recht: Lebt jemand auf der Erden, Der nicht will vornehm werden? Das III. Capitul. Von der Scanſion. 1. Was iſt die Scanſion? Wenn ein jedes Wort ſeinen rechten Thon und Abſchnitt hat. Alſo hat folgender Vers keinen rech- ten Thon: Jm Sommer kan man nicht lange in dem Studier-Stuͤb- gen ſeyn; Jm Winter hingegen findet man ſich fein zum Ofen ein. Dieſe Zeilen hingegen haben keinen rechten Ab- ſchnitt: Den Toback kan ich gantz und gar nicht wohl vertragen, Er pflegt mich in dem Leibe gar zu arg zu plagen. 2. Worauf muß man denn ſehen, wenn die Worte ihren rechten Thon haben ſollen? Man muß wiſſen, welche Sylben fallend oder ſteigend, lang oder kurtz ſeyn, und ob man wohl einige Reguln hiervon geben kan, ſo brauchet man doch die- ſer Weitlaͤufftigkeit nicht, ſondern man darff nur ſei- ne Verſe entweder ſelbſt genau leſen, oder andere le- ſen laſſen, ſo wird einem ſchon das Gehoͤre ſagen, ob alle C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/35
Zitationshilfe: Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/35>, abgerufen am 28.03.2024.