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Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719.

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Das IV. Capitul
giebet es auch etliche von Trochaischen, Dacty-
li
schen und Anapaestischen Versen. Ja in man-
chen mischet man Jambische und Trochaische,
oder Jambische, Dactylische und Anapaestische,
bisweilen auch wohl Trochaische, Jambische und
Dactylische unter einander.
4. Die Sylben. Jnsgemein sind die Zeilen in den
Madrigalen von 6. 7. und 8. Sylben, jedoch
steigen sie bisweilen bis auf 11. Sylben, da denn
der Abschnitt auf der vierdten Sylbe ist.
Manchmahl bestehen die Zeilen auch aus mehr,
als 11. Sylben. Und da kan man nach Belie-
ben bald eine lange, bald eine kurtze Zeile setzen.
Es wird nicht nöthig seyn, daß wir von allen
Gattungen Exempel anführen, weil der Platz
dazu zu enge werden würde, und weil sich der
jenige auch hier gar leicht drein schicken wird,
der das Fundament aus obigen Manieren der
Verse gefasset hat. Dannenhero setzen wir
nur ein einiges Exempel von einem Madrigal
her, es ist solches ein Leichen-Gedichte:
Mein Pilgram, eile nicht,
Laß dich die blassen Todten lehren,
Daß deine schnelle Flucht zerbricht,
Wenn nur ein Stein wird deinen Fuß versehren,
Jch schliesse nun den Rest der Jahre,
Wie meine Leibes-Lichter zu,
Mein Wohnhaus heist die schwartze Toden-Bahre,
Der Tod der Port der Ruh.
Die Seele geht zu GOtt hinauf,
Was schadet mir der kurtze Lebens-Lauf?
Der Tugend Ruhm will selbst den Grabstein legen,
Wor-
Das IV. Capitul
giebet es auch etliche von Trochaiſchen, Dacty-
li
ſchen und Anapæſtiſchen Verſen. Ja in man-
chen miſchet man Jambiſche und Trochaiſche,
oder Jambiſche, Dactyliſche und Anapæſtiſche,
bisweilen auch wohl Trochaiſche, Jambiſche und
Dactyliſche unter einander.
4. Die Sylben. Jnsgemein ſind die Zeilen in den
Madrigalen von 6. 7. und 8. Sylben, jedoch
ſteigen ſie bisweilen bis auf 11. Sylben, da denn
der Abſchnitt auf der vierdten Sylbe iſt.
Manchmahl beſtehen die Zeilen auch aus mehr,
als 11. Sylben. Und da kan man nach Belie-
ben bald eine lange, bald eine kurtze Zeile ſetzen.
Es wird nicht noͤthig ſeyn, daß wir von allen
Gattungen Exempel anfuͤhren, weil der Platz
dazu zu enge werden wuͤrde, und weil ſich der
jenige auch hier gar leicht drein ſchicken wird,
der das Fundament aus obigen Manieren der
Verſe gefaſſet hat. Dannenhero ſetzen wir
nur ein einiges Exempel von einem Madrigal
her, es iſt ſolches ein Leichen-Gedichte:
Mein Pilgram, eile nicht,
Laß dich die blaſſen Todten lehren,
Daß deine ſchnelle Flucht zerbricht,
Wenn nur ein Stein wird deinen Fuß verſehren,
Jch ſchlieſſe nun den Reſt der Jahre,
Wie meine Leibes-Lichter zu,
Mein Wohnhaus heiſt die ſchwartze Toden-Bahre,
Der Tod der Port der Ruh.
Die Seele geht zu GOtt hinauf,
Was ſchadet mir der kurtze Lebens-Lauf?
Der Tugend Ruhm will ſelbſt den Grabſtein legen,
Wor-
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[62/0066] Das IV. Capitul giebet es auch etliche von Trochaiſchen, Dacty- liſchen und Anapæſtiſchen Verſen. Ja in man- chen miſchet man Jambiſche und Trochaiſche, oder Jambiſche, Dactyliſche und Anapæſtiſche, bisweilen auch wohl Trochaiſche, Jambiſche und Dactyliſche unter einander. 4. Die Sylben. Jnsgemein ſind die Zeilen in den Madrigalen von 6. 7. und 8. Sylben, jedoch ſteigen ſie bisweilen bis auf 11. Sylben, da denn der Abſchnitt auf der vierdten Sylbe iſt. Manchmahl beſtehen die Zeilen auch aus mehr, als 11. Sylben. Und da kan man nach Belie- ben bald eine lange, bald eine kurtze Zeile ſetzen. Es wird nicht noͤthig ſeyn, daß wir von allen Gattungen Exempel anfuͤhren, weil der Platz dazu zu enge werden wuͤrde, und weil ſich der jenige auch hier gar leicht drein ſchicken wird, der das Fundament aus obigen Manieren der Verſe gefaſſet hat. Dannenhero ſetzen wir nur ein einiges Exempel von einem Madrigal her, es iſt ſolches ein Leichen-Gedichte: Mein Pilgram, eile nicht, Laß dich die blaſſen Todten lehren, Daß deine ſchnelle Flucht zerbricht, Wenn nur ein Stein wird deinen Fuß verſehren, Jch ſchlieſſe nun den Reſt der Jahre, Wie meine Leibes-Lichter zu, Mein Wohnhaus heiſt die ſchwartze Toden-Bahre, Der Tod der Port der Ruh. Die Seele geht zu GOtt hinauf, Was ſchadet mir der kurtze Lebens-Lauf? Der Tugend Ruhm will ſelbſt den Grabſtein legen, Wor-

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Zitationshilfe: Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/66>, abgerufen am 28.03.2024.