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Civilprozeßordnung. Berlin, 1877.

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Civilprozeßordnung.
§. 259.

Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesammten In-
halts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen
Beweisaufnahme nach freier Ueberzeugung zu entscheiden, ob eine
thatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu er-
achten sei. In dem Urtheile sind die Gründe anzugeben, welche
für die richterliche Ueberzeugung leitend gewesen sind.

An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch
dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

§. 260.

Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden
sei, und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Inter-
esse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung
aller Umstände nach freier Ueberzeugung. Ob und inwieweit eine
beantragte Beweisaufnahme oder von Amtswegen die Begutach-
tung durch Sachverständige anzuordnen seil, bleibt dem Ermessen
des Gerichts überlassen. Das Gericht kann anordnen, daß der
Beweisführer den Schaden oder das Interesse eidlich schätze. In
diesem Falle hat das Gericht zugleich den Betrag zu bestimmen,
welchen die eidliche Schätzung nicht übersteigen darf.

Die Vorschriften über den Schätzungseid werden aufgehoben.

§. 261.

Die von einer Partei behaupteten Thatsachen bedürfen inso-
weit keines Beweises, als sie im Laufe des Rechtsstreits von dem
Gegner bei einer mündlichen Verhandlung oder zum Protokolle
eines beauftragten oder ersuchten Richters zugestanden sind.

Zur Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses ist dessen
Annahme nicht erforderlich.

§. 262.

Die Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses wird dadurch
nicht beeinträchtigt, daß demselben eine Behauptung hinzugefügt
wird, welche ein selbständiges Angriffs- oder Vertheidigungsmittel
enthält.

Inwiefern eine vor Gericht erfolgte einräumende Erklärung
ungeachtet anderer zusätzlicher oder einschränkender Behauptungen
als ein Geständniß anzusehen sei, bestimmt sich nach der Beschaffen-
heit des einzelnen Falles.

Civilprozeßordnung.
§. 259.

Das Gericht hat unter Berückſichtigung des geſammten In-
halts der Verhandlungen und des Ergebniſſes einer etwaigen
Beweisaufnahme nach freier Ueberzeugung zu entſcheiden, ob eine
thatſächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu er-
achten ſei. In dem Urtheile ſind die Gründe anzugeben, welche
für die richterliche Ueberzeugung leitend geweſen ſind.

An geſetzliche Beweisregeln iſt das Gericht nur in den durch
dieſes Geſetz bezeichneten Fällen gebunden.

§. 260.

Iſt unter den Parteien ſtreitig, ob ein Schaden entſtanden
ſei, und wie hoch ſich der Schaden oder ein zu erſetzendes Inter-
eſſe belaufe, ſo entſcheidet hierüber das Gericht unter Würdigung
aller Umſtände nach freier Ueberzeugung. Ob und inwieweit eine
beantragte Beweisaufnahme oder von Amtswegen die Begutach-
tung durch Sachverſtändige anzuordnen ſeil, bleibt dem Ermeſſen
des Gerichts überlaſſen. Das Gericht kann anordnen, daß der
Beweisführer den Schaden oder das Intereſſe eidlich ſchätze. In
dieſem Falle hat das Gericht zugleich den Betrag zu beſtimmen,
welchen die eidliche Schätzung nicht überſteigen darf.

Die Vorſchriften über den Schätzungseid werden aufgehoben.

§. 261.

Die von einer Partei behaupteten Thatſachen bedürfen inſo-
weit keines Beweiſes, als ſie im Laufe des Rechtsſtreits von dem
Gegner bei einer mündlichen Verhandlung oder zum Protokolle
eines beauftragten oder erſuchten Richters zugeſtanden ſind.

Zur Wirkſamkeit des gerichtlichen Geſtändniſſes iſt deſſen
Annahme nicht erforderlich.

§. 262.

Die Wirkſamkeit des gerichtlichen Geſtändniſſes wird dadurch
nicht beeinträchtigt, daß demſelben eine Behauptung hinzugefügt
wird, welche ein ſelbſtändiges Angriffs- oder Vertheidigungsmittel
enthält.

Inwiefern eine vor Gericht erfolgte einräumende Erklärung
ungeachtet anderer zuſätzlicher oder einſchränkender Behauptungen
als ein Geſtändniß anzuſehen ſei, beſtimmt ſich nach der Beſchaffen-
heit des einzelnen Falles.

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[72/0078] Civilprozeßordnung. §. 259. Das Gericht hat unter Berückſichtigung des geſammten In- halts der Verhandlungen und des Ergebniſſes einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Ueberzeugung zu entſcheiden, ob eine thatſächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu er- achten ſei. In dem Urtheile ſind die Gründe anzugeben, welche für die richterliche Ueberzeugung leitend geweſen ſind. An geſetzliche Beweisregeln iſt das Gericht nur in den durch dieſes Geſetz bezeichneten Fällen gebunden. §. 260. Iſt unter den Parteien ſtreitig, ob ein Schaden entſtanden ſei, und wie hoch ſich der Schaden oder ein zu erſetzendes Inter- eſſe belaufe, ſo entſcheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umſtände nach freier Ueberzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amtswegen die Begutach- tung durch Sachverſtändige anzuordnen ſeil, bleibt dem Ermeſſen des Gerichts überlaſſen. Das Gericht kann anordnen, daß der Beweisführer den Schaden oder das Intereſſe eidlich ſchätze. In dieſem Falle hat das Gericht zugleich den Betrag zu beſtimmen, welchen die eidliche Schätzung nicht überſteigen darf. Die Vorſchriften über den Schätzungseid werden aufgehoben. §. 261. Die von einer Partei behaupteten Thatſachen bedürfen inſo- weit keines Beweiſes, als ſie im Laufe des Rechtsſtreits von dem Gegner bei einer mündlichen Verhandlung oder zum Protokolle eines beauftragten oder erſuchten Richters zugeſtanden ſind. Zur Wirkſamkeit des gerichtlichen Geſtändniſſes iſt deſſen Annahme nicht erforderlich. §. 262. Die Wirkſamkeit des gerichtlichen Geſtändniſſes wird dadurch nicht beeinträchtigt, daß demſelben eine Behauptung hinzugefügt wird, welche ein ſelbſtändiges Angriffs- oder Vertheidigungsmittel enthält. Inwiefern eine vor Gericht erfolgte einräumende Erklärung ungeachtet anderer zuſätzlicher oder einſchränkender Behauptungen als ein Geſtändniß anzuſehen ſei, beſtimmt ſich nach der Beſchaffen- heit des einzelnen Falles.

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Zitationshilfe: Civilprozeßordnung. Berlin, 1877, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unknown_civilprozessordnung_1877/78>, abgerufen am 23.04.2024.