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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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3 Abschn. der Nerven. Der Wille.
ist, ein äußerlicher sinnlicher Eindruck in die Nerven erfo-
dert wird. §. 94. Daher wird die Befriedigung der sinnli-
chen Triebe und Leidenschaften, deren Gegenstand äußere
Empfindungen sind, (§. 34.) gehindert, wenn man diese
hindert, wovon §. 46. Jn andern Fällen, wo die sinnlich
begehrte oder verabscheuete Empfindung eine eigenmächtige-
re Vorstellung ist, §. 80. steht die Hervorbringung dersel-
ben mehr in der eigenen Macht der Seele, und wird haupt-
sächlich nach psychologischen Gründen gehindert.

Der freye Wille.
§. 96.

Die Bewegungsgründe machen einen Eindruck der
Lust oder Unlust in der materiellen Jdee einer jeden nicht
gleichgültigen Vorstellung, also auch einer solchen künftigen
Empfindung, im Gehirne, welcher desto stärker seyn muß,
je stärker die Lust oder Unlust der Seele ist, und nach dieser
Verhältniß auch seinen Einfluß in die thierische Oeconomie
haben kann. §. 80. 88. Sie erregen aber auch, als Trieb-
federn des Gemüths, Begierden und Verabscheuun-
gen,
§. 83. welche vernünftige, (das Wollen und
Nichtwollen, Willensmeynungen, freye Entschlüs-
se,
) genennet werden, §. 89. und aus einer verständigen
Vorhersehung und Erwartung, und den in ihnen enthalte-
nen Bewegungsgründen entstehen. §. 84. 86. 88. Die
materiellen Jdeen dieser Vorhersehungen und Erwartun-
gen, die die Seele, nach psychologischen Gesetzen, in sich
hervorbringt, nebst ihren Eindrücken der verständigen Lust
oder Unlust, wirken das Bestreben der thierischen Seelen-
kräfte des Gehirns, zur Hervorbringung der vollständigen
materiellen Jdee der vorhergesehenen Empfindung, wodurch
die Theile derselben, die in der materiellen Jdee der Vor-
hersehung schon enthalten sind, theils vermehret, theils stär-
ker und nachdrücklicher ausgebildet werden. Dieses Be-
streben ist desto stärker, je stärker die Seele will oder nicht
will, und nach dieser Verhältniß kann es auch seinen Ein-

fluß
G 3

3 Abſchn. der Nerven. Der Wille.
iſt, ein aͤußerlicher ſinnlicher Eindruck in die Nerven erfo-
dert wird. §. 94. Daher wird die Befriedigung der ſinnli-
chen Triebe und Leidenſchaften, deren Gegenſtand aͤußere
Empfindungen ſind, (§. 34.) gehindert, wenn man dieſe
hindert, wovon §. 46. Jn andern Faͤllen, wo die ſinnlich
begehrte oder verabſcheuete Empfindung eine eigenmaͤchtige-
re Vorſtellung iſt, §. 80. ſteht die Hervorbringung derſel-
ben mehr in der eigenen Macht der Seele, und wird haupt-
ſaͤchlich nach pſychologiſchen Gruͤnden gehindert.

Der freye Wille.
§. 96.

Die Bewegungsgruͤnde machen einen Eindruck der
Luſt oder Unluſt in der materiellen Jdee einer jeden nicht
gleichguͤltigen Vorſtellung, alſo auch einer ſolchen kuͤnftigen
Empfindung, im Gehirne, welcher deſto ſtaͤrker ſeyn muß,
je ſtaͤrker die Luſt oder Unluſt der Seele iſt, und nach dieſer
Verhaͤltniß auch ſeinen Einfluß in die thieriſche Oeconomie
haben kann. §. 80. 88. Sie erregen aber auch, als Trieb-
federn des Gemuͤths, Begierden und Verabſcheuun-
gen,
§. 83. welche vernuͤnftige, (das Wollen und
Nichtwollen, Willensmeynungen, freye Entſchluͤſ-
ſe,
) genennet werden, §. 89. und aus einer verſtaͤndigen
Vorherſehung und Erwartung, und den in ihnen enthalte-
nen Bewegungsgruͤnden entſtehen. §. 84. 86. 88. Die
materiellen Jdeen dieſer Vorherſehungen und Erwartun-
gen, die die Seele, nach pſychologiſchen Geſetzen, in ſich
hervorbringt, nebſt ihren Eindruͤcken der verſtaͤndigen Luſt
oder Unluſt, wirken das Beſtreben der thieriſchen Seelen-
kraͤfte des Gehirns, zur Hervorbringung der vollſtaͤndigen
materiellen Jdee der vorhergeſehenen Empfindung, wodurch
die Theile derſelben, die in der materiellen Jdee der Vor-
herſehung ſchon enthalten ſind, theils vermehret, theils ſtaͤr-
ker und nachdruͤcklicher ausgebildet werden. Dieſes Be-
ſtreben iſt deſto ſtaͤrker, je ſtaͤrker die Seele will oder nicht
will, und nach dieſer Verhaͤltniß kann es auch ſeinen Ein-

fluß
G 3
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[101/0125] 3 Abſchn. der Nerven. Der Wille. iſt, ein aͤußerlicher ſinnlicher Eindruck in die Nerven erfo- dert wird. §. 94. Daher wird die Befriedigung der ſinnli- chen Triebe und Leidenſchaften, deren Gegenſtand aͤußere Empfindungen ſind, (§. 34.) gehindert, wenn man dieſe hindert, wovon §. 46. Jn andern Faͤllen, wo die ſinnlich begehrte oder verabſcheuete Empfindung eine eigenmaͤchtige- re Vorſtellung iſt, §. 80. ſteht die Hervorbringung derſel- ben mehr in der eigenen Macht der Seele, und wird haupt- ſaͤchlich nach pſychologiſchen Gruͤnden gehindert. Der freye Wille. §. 96. Die Bewegungsgruͤnde machen einen Eindruck der Luſt oder Unluſt in der materiellen Jdee einer jeden nicht gleichguͤltigen Vorſtellung, alſo auch einer ſolchen kuͤnftigen Empfindung, im Gehirne, welcher deſto ſtaͤrker ſeyn muß, je ſtaͤrker die Luſt oder Unluſt der Seele iſt, und nach dieſer Verhaͤltniß auch ſeinen Einfluß in die thieriſche Oeconomie haben kann. §. 80. 88. Sie erregen aber auch, als Trieb- federn des Gemuͤths, Begierden und Verabſcheuun- gen, §. 83. welche vernuͤnftige, (das Wollen und Nichtwollen, Willensmeynungen, freye Entſchluͤſ- ſe,) genennet werden, §. 89. und aus einer verſtaͤndigen Vorherſehung und Erwartung, und den in ihnen enthalte- nen Bewegungsgruͤnden entſtehen. §. 84. 86. 88. Die materiellen Jdeen dieſer Vorherſehungen und Erwartun- gen, die die Seele, nach pſychologiſchen Geſetzen, in ſich hervorbringt, nebſt ihren Eindruͤcken der verſtaͤndigen Luſt oder Unluſt, wirken das Beſtreben der thieriſchen Seelen- kraͤfte des Gehirns, zur Hervorbringung der vollſtaͤndigen materiellen Jdee der vorhergeſehenen Empfindung, wodurch die Theile derſelben, die in der materiellen Jdee der Vor- herſehung ſchon enthalten ſind, theils vermehret, theils ſtaͤr- ker und nachdruͤcklicher ausgebildet werden. Dieſes Be- ſtreben iſt deſto ſtaͤrker, je ſtaͤrker die Seele will oder nicht will, und nach dieſer Verhaͤltniß kann es auch ſeinen Ein- fluß G 3

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/125>, abgerufen am 29.03.2024.