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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
nur von heftigen und unnatürlichen äußern sinnlichen Ein-
drücken Empfindungen leiden, z. E. wenn ein Stein, oder
eine Entzündung darinn wütet, in welchem Falle sie dann
auch nur einiger Seelenwirkungen, z. E. Krämpfe fähig
sind. Die äußern sinnlichen Eindrücke vom Harne hinge-
gen, der doch in den Nerven der Zunge, der Nase, ja der
Haut selbst, lebhafte äußere Empfindungen erreget, machen
in den Nerven der Nieren entweder gar keinen äußern sinn-
lichen Eindruck, oder derselbe geht doch, wegen natürli-
cher Hindernisse, §. 47. etc. nicht zum Gehirn. Uebri-
gens können die Nerven der den Nieren benachbarten oder
mit ihnen verbundenen Theile vielleicht einige Seelenwir-
kungen in ihnen verrichten. Die Harnblase ist hingegen
viel empfindlicher: denn der Harn reizet sie selbst, obwohl
ungleich, durch unangenehme äußere Empfindungen, noch
mehr aber eingespritztes Wasser, ein Stein, u. s. w. Sie
hat eine Fleischhaut und Nerven. H. P. §. 790. 791.
Die heftigen äußern Empfindungen (Schmerzen) dieser
Nerven verursachen ihr Krämpfe und treiben mit Heftig-
keit den Urin, welches in solchen Fällen Seelenwirkungen
sind. Auch die sinnlichen Vorstellungen, Einbildungen,
Vorhersehungen wirken in sie, wovon ost Leute im Traume
zum Urinlassen verleitet werden. Der Wille selbst hat ei-
nige Wirkung auf sie, wenigstens vermittelft der musculö-
sen Theile, die sie verschließen und öffnen, und vielleicht
anderer benachbarter.

§. 177.

Die Gliedmaßen der äußern Sinne, als blos me-
chanische Maschinen betrachtet, §. 155. leiden eben den
Einfluß von den Nerven, die sie bewegen, wie die übrigen
mechanischen Maschinen. Sie bewegen durch äußere Em-
pfindungen, sinnliche Vorstellungen, Triebe, Leidenschaf-
ten, und selbst durch den Willen, die Zunge, die Nase,
die Ohren, die Augen, ja selbst die Haut, worinn die Ner-
ven des Gefühls wohnen, die von manchen äußern Em-

pfindun-

I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
nur von heftigen und unnatuͤrlichen aͤußern ſinnlichen Ein-
druͤcken Empfindungen leiden, z. E. wenn ein Stein, oder
eine Entzuͤndung darinn wuͤtet, in welchem Falle ſie dann
auch nur einiger Seelenwirkungen, z. E. Kraͤmpfe faͤhig
ſind. Die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke vom Harne hinge-
gen, der doch in den Nerven der Zunge, der Naſe, ja der
Haut ſelbſt, lebhafte aͤußere Empfindungen erreget, machen
in den Nerven der Nieren entweder gar keinen aͤußern ſinn-
lichen Eindruck, oder derſelbe geht doch, wegen natuͤrli-
cher Hinderniſſe, §. 47. ꝛc. nicht zum Gehirn. Uebri-
gens koͤnnen die Nerven der den Nieren benachbarten oder
mit ihnen verbundenen Theile vielleicht einige Seelenwir-
kungen in ihnen verrichten. Die Harnblaſe iſt hingegen
viel empfindlicher: denn der Harn reizet ſie ſelbſt, obwohl
ungleich, durch unangenehme aͤußere Empfindungen, noch
mehr aber eingeſpritztes Waſſer, ein Stein, u. ſ. w. Sie
hat eine Fleiſchhaut und Nerven. H. P. §. 790. 791.
Die heftigen aͤußern Empfindungen (Schmerzen) dieſer
Nerven verurſachen ihr Kraͤmpfe und treiben mit Heftig-
keit den Urin, welches in ſolchen Faͤllen Seelenwirkungen
ſind. Auch die ſinnlichen Vorſtellungen, Einbildungen,
Vorherſehungen wirken in ſie, wovon oſt Leute im Traume
zum Urinlaſſen verleitet werden. Der Wille ſelbſt hat ei-
nige Wirkung auf ſie, wenigſtens vermittelft der musculoͤ-
ſen Theile, die ſie verſchließen und oͤffnen, und vielleicht
anderer benachbarter.

§. 177.

Die Gliedmaßen der aͤußern Sinne, als blos me-
chaniſche Maſchinen betrachtet, §. 155. leiden eben den
Einfluß von den Nerven, die ſie bewegen, wie die uͤbrigen
mechaniſchen Maſchinen. Sie bewegen durch aͤußere Em-
pfindungen, ſinnliche Vorſtellungen, Triebe, Leidenſchaf-
ten, und ſelbſt durch den Willen, die Zunge, die Naſe,
die Ohren, die Augen, ja ſelbſt die Haut, worinn die Ner-
ven des Gefuͤhls wohnen, die von manchen aͤußern Em-

pfindun-
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[174/0198] I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. nur von heftigen und unnatuͤrlichen aͤußern ſinnlichen Ein- druͤcken Empfindungen leiden, z. E. wenn ein Stein, oder eine Entzuͤndung darinn wuͤtet, in welchem Falle ſie dann auch nur einiger Seelenwirkungen, z. E. Kraͤmpfe faͤhig ſind. Die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke vom Harne hinge- gen, der doch in den Nerven der Zunge, der Naſe, ja der Haut ſelbſt, lebhafte aͤußere Empfindungen erreget, machen in den Nerven der Nieren entweder gar keinen aͤußern ſinn- lichen Eindruck, oder derſelbe geht doch, wegen natuͤrli- cher Hinderniſſe, §. 47. ꝛc. nicht zum Gehirn. Uebri- gens koͤnnen die Nerven der den Nieren benachbarten oder mit ihnen verbundenen Theile vielleicht einige Seelenwir- kungen in ihnen verrichten. Die Harnblaſe iſt hingegen viel empfindlicher: denn der Harn reizet ſie ſelbſt, obwohl ungleich, durch unangenehme aͤußere Empfindungen, noch mehr aber eingeſpritztes Waſſer, ein Stein, u. ſ. w. Sie hat eine Fleiſchhaut und Nerven. H. P. §. 790. 791. Die heftigen aͤußern Empfindungen (Schmerzen) dieſer Nerven verurſachen ihr Kraͤmpfe und treiben mit Heftig- keit den Urin, welches in ſolchen Faͤllen Seelenwirkungen ſind. Auch die ſinnlichen Vorſtellungen, Einbildungen, Vorherſehungen wirken in ſie, wovon oſt Leute im Traume zum Urinlaſſen verleitet werden. Der Wille ſelbſt hat ei- nige Wirkung auf ſie, wenigſtens vermittelft der musculoͤ- ſen Theile, die ſie verſchließen und oͤffnen, und vielleicht anderer benachbarter. §. 177. Die Gliedmaßen der aͤußern Sinne, als blos me- chaniſche Maſchinen betrachtet, §. 155. leiden eben den Einfluß von den Nerven, die ſie bewegen, wie die uͤbrigen mechaniſchen Maſchinen. Sie bewegen durch aͤußere Em- pfindungen, ſinnliche Vorſtellungen, Triebe, Leidenſchaf- ten, und ſelbſt durch den Willen, die Zunge, die Naſe, die Ohren, die Augen, ja ſelbſt die Haut, worinn die Ner- ven des Gefuͤhls wohnen, die von manchen aͤußern Em- pfindun-

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/198>, abgerufen am 25.04.2024.