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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
sellete. Durch die Vorhersehung einer großen Ehre stu-
dieret sich ein Gelehrter hypochondrisch, und verdauet seine
Speisen nicht mehr. Diese Seelenwirkung des Nachden-
kens, (vergl. §. 332.) ist nur eine zufällige Seelenwirkung
der Vorhersehung des Ruhms. Durch die Vorhersehung
eines großen Gewinns fasset der Kaufmann den Entschluß
nach einer Messe zu reisen. Nicht unmittelbar ist die
Handlung seines Körpers eine Seelenwirkung seiner Vor-
hersehung, sondern nur zufällig, durch den Entschluß, den
sein Wille darum genommen hat.

§. 247.

Weil zuweilen in Träumen, zumal bey Nachtwand-
lern, in der Verrückung, in der prophetischen Entzückung,
die sinnlichen Vorhersehungen und prophetischen Gesichter
von so großer Lebhaftigkeit sind, daß sie den äußern Em-
pfindungen gleich kommen, zumal da sie bey solchen Perso-
nen gemeiniglich zu unächten äußern Empfindungen wer-
den, und sie die meisten Erscheinungen, Gesichter und
Blendwerke haben, §. 148. 243. so bringen auch in sol-
chen Fällen die Vorhersehungen in den mechanischen Ma-
schinen eben solche Seelenwirkungen hervor, als ob sie von
wahren äußern Empfindungen gewirket worden wären.
§. 74. 75.

§. 248.

Die Dichtungskraft der Seele beschäftiget sich eben
so mit den Vorhersehungen, wie mit den Einbildungen,
auf einerley Art und nach einerley Gesetze. Daher wer-
den die Nachtwandler, Schwärmer, Verrückten, Jnspi-
rirten, Wahrsager, die sehr lebhast, anhaltend dichten, von
den Vorhersehungen ihrer Ahndungen und Erwartungen
eben so blendend getäuschet, wie von ihren Einbildungen,
daß sie beyde für äußere Empfindungen halten, und ihre
Seelenwirkungen in den mechanischen Maschinen diesem
Jrrthume gemäß sind. §. 237.

§. 249.

I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
ſellete. Durch die Vorherſehung einer großen Ehre ſtu-
dieret ſich ein Gelehrter hypochondriſch, und verdauet ſeine
Speiſen nicht mehr. Dieſe Seelenwirkung des Nachden-
kens, (vergl. §. 332.) iſt nur eine zufaͤllige Seelenwirkung
der Vorherſehung des Ruhms. Durch die Vorherſehung
eines großen Gewinns faſſet der Kaufmann den Entſchluß
nach einer Meſſe zu reiſen. Nicht unmittelbar iſt die
Handlung ſeines Koͤrpers eine Seelenwirkung ſeiner Vor-
herſehung, ſondern nur zufaͤllig, durch den Entſchluß, den
ſein Wille darum genommen hat.

§. 247.

Weil zuweilen in Traͤumen, zumal bey Nachtwand-
lern, in der Verruͤckung, in der prophetiſchen Entzuͤckung,
die ſinnlichen Vorherſehungen und prophetiſchen Geſichter
von ſo großer Lebhaftigkeit ſind, daß ſie den aͤußern Em-
pfindungen gleich kommen, zumal da ſie bey ſolchen Perſo-
nen gemeiniglich zu unaͤchten aͤußern Empfindungen wer-
den, und ſie die meiſten Erſcheinungen, Geſichter und
Blendwerke haben, §. 148. 243. ſo bringen auch in ſol-
chen Faͤllen die Vorherſehungen in den mechaniſchen Ma-
ſchinen eben ſolche Seelenwirkungen hervor, als ob ſie von
wahren aͤußern Empfindungen gewirket worden waͤren.
§. 74. 75.

§. 248.

Die Dichtungskraft der Seele beſchaͤftiget ſich eben
ſo mit den Vorherſehungen, wie mit den Einbildungen,
auf einerley Art und nach einerley Geſetze. Daher wer-
den die Nachtwandler, Schwaͤrmer, Verruͤckten, Jnſpi-
rirten, Wahrſager, die ſehr lebhaſt, anhaltend dichten, von
den Vorherſehungen ihrer Ahndungen und Erwartungen
eben ſo blendend getaͤuſchet, wie von ihren Einbildungen,
daß ſie beyde fuͤr aͤußere Empfindungen halten, und ihre
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Jrrthume gemaͤß ſind. §. 237.

§. 249.
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[226/0250] I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. ſellete. Durch die Vorherſehung einer großen Ehre ſtu- dieret ſich ein Gelehrter hypochondriſch, und verdauet ſeine Speiſen nicht mehr. Dieſe Seelenwirkung des Nachden- kens, (vergl. §. 332.) iſt nur eine zufaͤllige Seelenwirkung der Vorherſehung des Ruhms. Durch die Vorherſehung eines großen Gewinns faſſet der Kaufmann den Entſchluß nach einer Meſſe zu reiſen. Nicht unmittelbar iſt die Handlung ſeines Koͤrpers eine Seelenwirkung ſeiner Vor- herſehung, ſondern nur zufaͤllig, durch den Entſchluß, den ſein Wille darum genommen hat. §. 247. Weil zuweilen in Traͤumen, zumal bey Nachtwand- lern, in der Verruͤckung, in der prophetiſchen Entzuͤckung, die ſinnlichen Vorherſehungen und prophetiſchen Geſichter von ſo großer Lebhaftigkeit ſind, daß ſie den aͤußern Em- pfindungen gleich kommen, zumal da ſie bey ſolchen Perſo- nen gemeiniglich zu unaͤchten aͤußern Empfindungen wer- den, und ſie die meiſten Erſcheinungen, Geſichter und Blendwerke haben, §. 148. 243. ſo bringen auch in ſol- chen Faͤllen die Vorherſehungen in den mechaniſchen Ma- ſchinen eben ſolche Seelenwirkungen hervor, als ob ſie von wahren aͤußern Empfindungen gewirket worden waͤren. §. 74. 75. §. 248. Die Dichtungskraft der Seele beſchaͤftiget ſich eben ſo mit den Vorherſehungen, wie mit den Einbildungen, auf einerley Art und nach einerley Geſetze. Daher wer- den die Nachtwandler, Schwaͤrmer, Verruͤckten, Jnſpi- rirten, Wahrſager, die ſehr lebhaſt, anhaltend dichten, von den Vorherſehungen ihrer Ahndungen und Erwartungen eben ſo blendend getaͤuſchet, wie von ihren Einbildungen, daß ſie beyde fuͤr aͤußere Empfindungen halten, und ihre Seelenwirkungen in den mechaniſchen Maſchinen dieſem Jrrthume gemaͤß ſind. §. 237. §. 249.

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/250>, abgerufen am 28.03.2024.