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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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der Leidenschaften.
zu vermeiden, unterdrücken, vermindern und zu bestrei-
ten, gleichwohl immer geneigt sind, die Parthey des Trie-
bes zu halten, und aus seiner Sittlichkeit keine Triebfedern
für ihr willkührliches Verhalten dabey zu nehmen.

Wirkungen der Leidenschaften durch die Nerven
in die mechanischen Maschinen.
§. 305.

Die ursprünglichen Leidenschaften entstehen nicht
aus Trieben, sondern aus klaren, deren wir uns bewußt
sind, jedoch verworrenen sinnlichen Reizungen. §. 91.
Sie sind von dem starken Zwange der Triebe frey, ja freyer
als die Affektentriebe, §. 296. 297. und machen also eine
ganz besondre Art von Begierden aus, die weit willkühr-
licher und von der Macht der Sinnlichkeit entfernter, ob-
gleich noch immer sinnlich, und, wie unter den Erkennt-
nissen die sinnlichen Vorstellungen der Einbildungs- und
Vorhersehungskraft, nur halb eigenmächtige Vorstellun-
gen der Seele sind. §. 27. 66. 89. Jhre unmittelbaren
Seelenwirkungen in den Körper und allgemeinen Gesetze
sind schon oben erkläret worden. §. 255 -- 261. Die
zufälligen sind eben so beschaffen, eben so veranlasset, und
eben so sorgfältig zu unterscheiden, wie die zufälligen bey
den Trieben. §. 273. Nur können die von eigenmächti-
gen, beliebigen, zufälligen Nebenvorstellungen, Begier-
den, u. s. f. den Leidenschaften mehr zu Hülfe kommen,
oder mehr hinderlich gemachet werden, nach dem Belieben
des Thieres, §. 297. ob es gleich selten auf andre Weise
geschieht, als wie es dem sinnlichen Triebe der Eigenliebe
am günstigsten ist. §. 304. Es ist demnach hier weiter
nichts übrig, als die besondern Seelenwirkungen in die me-
chanischen Maschinen des Körpers, wodurch sich eine Lei-
denschaft von der andern unterscheidet, anzumerken, wel-
che Untersuchung wir aber doch hier nur auf die vornehm-
sten Leidenschaften allein erstrecken wollen.

§. 306.

der Leidenſchaften.
zu vermeiden, unterdruͤcken, vermindern und zu beſtrei-
ten, gleichwohl immer geneigt ſind, die Parthey des Trie-
bes zu halten, und aus ſeiner Sittlichkeit keine Triebfedern
fuͤr ihr willkuͤhrliches Verhalten dabey zu nehmen.

Wirkungen der Leidenſchaften durch die Nerven
in die mechaniſchen Maſchinen.
§. 305.

Die urſpruͤnglichen Leidenſchaften entſtehen nicht
aus Trieben, ſondern aus klaren, deren wir uns bewußt
ſind, jedoch verworrenen ſinnlichen Reizungen. §. 91.
Sie ſind von dem ſtarken Zwange der Triebe frey, ja freyer
als die Affektentriebe, §. 296. 297. und machen alſo eine
ganz beſondre Art von Begierden aus, die weit willkuͤhr-
licher und von der Macht der Sinnlichkeit entfernter, ob-
gleich noch immer ſinnlich, und, wie unter den Erkennt-
niſſen die ſinnlichen Vorſtellungen der Einbildungs- und
Vorherſehungskraft, nur halb eigenmaͤchtige Vorſtellun-
gen der Seele ſind. §. 27. 66. 89. Jhre unmittelbaren
Seelenwirkungen in den Koͤrper und allgemeinen Geſetze
ſind ſchon oben erklaͤret worden. §. 255 — 261. Die
zufaͤlligen ſind eben ſo beſchaffen, eben ſo veranlaſſet, und
eben ſo ſorgfaͤltig zu unterſcheiden, wie die zufaͤlligen bey
den Trieben. §. 273. Nur koͤnnen die von eigenmaͤchti-
gen, beliebigen, zufaͤlligen Nebenvorſtellungen, Begier-
den, u. ſ. f. den Leidenſchaften mehr zu Huͤlfe kommen,
oder mehr hinderlich gemachet werden, nach dem Belieben
des Thieres, §. 297. ob es gleich ſelten auf andre Weiſe
geſchieht, als wie es dem ſinnlichen Triebe der Eigenliebe
am guͤnſtigſten iſt. §. 304. Es iſt demnach hier weiter
nichts uͤbrig, als die beſondern Seelenwirkungen in die me-
chaniſchen Maſchinen des Koͤrpers, wodurch ſich eine Lei-
denſchaft von der andern unterſcheidet, anzumerken, wel-
che Unterſuchung wir aber doch hier nur auf die vornehm-
ſten Leidenſchaften allein erſtrecken wollen.

§. 306.
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[301/0325] der Leidenſchaften. zu vermeiden, unterdruͤcken, vermindern und zu beſtrei- ten, gleichwohl immer geneigt ſind, die Parthey des Trie- bes zu halten, und aus ſeiner Sittlichkeit keine Triebfedern fuͤr ihr willkuͤhrliches Verhalten dabey zu nehmen. Wirkungen der Leidenſchaften durch die Nerven in die mechaniſchen Maſchinen. §. 305. Die urſpruͤnglichen Leidenſchaften entſtehen nicht aus Trieben, ſondern aus klaren, deren wir uns bewußt ſind, jedoch verworrenen ſinnlichen Reizungen. §. 91. Sie ſind von dem ſtarken Zwange der Triebe frey, ja freyer als die Affektentriebe, §. 296. 297. und machen alſo eine ganz beſondre Art von Begierden aus, die weit willkuͤhr- licher und von der Macht der Sinnlichkeit entfernter, ob- gleich noch immer ſinnlich, und, wie unter den Erkennt- niſſen die ſinnlichen Vorſtellungen der Einbildungs- und Vorherſehungskraft, nur halb eigenmaͤchtige Vorſtellun- gen der Seele ſind. §. 27. 66. 89. Jhre unmittelbaren Seelenwirkungen in den Koͤrper und allgemeinen Geſetze ſind ſchon oben erklaͤret worden. §. 255 — 261. Die zufaͤlligen ſind eben ſo beſchaffen, eben ſo veranlaſſet, und eben ſo ſorgfaͤltig zu unterſcheiden, wie die zufaͤlligen bey den Trieben. §. 273. Nur koͤnnen die von eigenmaͤchti- gen, beliebigen, zufaͤlligen Nebenvorſtellungen, Begier- den, u. ſ. f. den Leidenſchaften mehr zu Huͤlfe kommen, oder mehr hinderlich gemachet werden, nach dem Belieben des Thieres, §. 297. ob es gleich ſelten auf andre Weiſe geſchieht, als wie es dem ſinnlichen Triebe der Eigenliebe am guͤnſtigſten iſt. §. 304. Es iſt demnach hier weiter nichts uͤbrig, als die beſondern Seelenwirkungen in die me- chaniſchen Maſchinen des Koͤrpers, wodurch ſich eine Lei- denſchaft von der andern unterſcheidet, anzumerken, wel- che Unterſuchung wir aber doch hier nur auf die vornehm- ſten Leidenſchaften allein erſtrecken wollen. §. 306.

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/325>, abgerufen am 24.04.2024.