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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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1 Kap. Die Nervenkräfte überhaupt.
einige thierische Wirkungen im Nerven erfolgen, weil der
äußere sinnliche Eindruck darinn gegen das Gehirn auf-
steigt, welches eine thierische Bewegung ist, §. 32. und
weil wirklich die Empfindungskraft des Nerven in seinem
Ursprunge im Gehirne davon leiden kann, wenn die äußern
sinnlichen Eindrücke in solchen Fällen zu stark sind, ob sie
gleich nicht empfunden werden. So entsteht z. E. bey Leu-
ten, die in Mühlen schlafen, nach und nach Taubheit;
von Einstralung des Mondenlichts in die Augen im Schla-
fe, Blindheit, u. s. w. (S. den A. 2 Th. S. 250. etc.)
Allein dieses sind keine sichtbaren Nervenwirkungen, son-
dern vermuthlich nur Spiele der Lebensgeister oder unmerk-
liche Veränderungen im Nervenmarke, und man kann also
daraus keinen sichern Schluß auf die Nervenkräfte der äu-
ßern sinnlichen Eindrücke in die Empfindungsnerven
machen.

§. 377.

Ein innerer sinnlicher Eindruck in bloße Empfindungs-
nerven, der nicht von Vorstellungen herrühret, äußert die
Spuren seiner thierischen Wirkungen im Nerven deutlich
genug, wie solches das obige Beyspiel vom Gesichtsnerven
offenbar erweist. §. 373. Alle Erscheinungen vor den
Augen und Ohren, die so häufig bemerket werden, wenn
man sich zu tief bücket, am Halse zu fest schnüret, zu schnell
umdrehet, u. s. w. sind nichts anders, als thierische Wir-
kungen, (nämlich unächte äußere Empfindungen, §. 148.)
in bloßen Empfindungsnerven §. 14. 55. von innern sinn-
lichen Eindrücken, §. 374. ohne Vorstellungen, die sonst
von Vorstellungen herrühren und gleich thierische Wirkun-
gen haben. §. 148. Die Nase, die Zunge und die Ge-
fühlnerven haben eben dergleichen Erscheinungen: denn so
wie uns eine sehr lebhafte Einbildung verleiten kann, et-
was zu riechen oder zu schmecken, was uns nicht gegenwär-
tig ist, §. 148. so geschieht es auch oft in Krankheiten
und besonders bey Leuten von zarten, leicht sinnlich zu rüh-

renden
A a 4

1 Kap. Die Nervenkraͤfte uͤberhaupt.
einige thieriſche Wirkungen im Nerven erfolgen, weil der
aͤußere ſinnliche Eindruck darinn gegen das Gehirn auf-
ſteigt, welches eine thieriſche Bewegung iſt, §. 32. und
weil wirklich die Empfindungskraft des Nerven in ſeinem
Urſprunge im Gehirne davon leiden kann, wenn die aͤußern
ſinnlichen Eindruͤcke in ſolchen Faͤllen zu ſtark ſind, ob ſie
gleich nicht empfunden werden. So entſteht z. E. bey Leu-
ten, die in Muͤhlen ſchlafen, nach und nach Taubheit;
von Einſtralung des Mondenlichts in die Augen im Schla-
fe, Blindheit, u. ſ. w. (S. den A. 2 Th. S. 250. ꝛc.)
Allein dieſes ſind keine ſichtbaren Nervenwirkungen, ſon-
dern vermuthlich nur Spiele der Lebensgeiſter oder unmerk-
liche Veraͤnderungen im Nervenmarke, und man kann alſo
daraus keinen ſichern Schluß auf die Nervenkraͤfte der aͤu-
ßern ſinnlichen Eindruͤcke in die Empfindungsnerven
machen.

§. 377.

Ein innerer ſinnlicher Eindruck in bloße Empfindungs-
nerven, der nicht von Vorſtellungen herruͤhret, aͤußert die
Spuren ſeiner thieriſchen Wirkungen im Nerven deutlich
genug, wie ſolches das obige Beyſpiel vom Geſichtsnerven
offenbar erweiſt. §. 373. Alle Erſcheinungen vor den
Augen und Ohren, die ſo haͤufig bemerket werden, wenn
man ſich zu tief buͤcket, am Halſe zu feſt ſchnuͤret, zu ſchnell
umdrehet, u. ſ. w. ſind nichts anders, als thieriſche Wir-
kungen, (naͤmlich unaͤchte aͤußere Empfindungen, §. 148.)
in bloßen Empfindungsnerven §. 14. 55. von innern ſinn-
lichen Eindruͤcken, §. 374. ohne Vorſtellungen, die ſonſt
von Vorſtellungen herruͤhren und gleich thieriſche Wirkun-
gen haben. §. 148. Die Naſe, die Zunge und die Ge-
fuͤhlnerven haben eben dergleichen Erſcheinungen: denn ſo
wie uns eine ſehr lebhafte Einbildung verleiten kann, et-
was zu riechen oder zu ſchmecken, was uns nicht gegenwaͤr-
tig iſt, §. 148. ſo geſchieht es auch oft in Krankheiten
und beſonders bey Leuten von zarten, leicht ſinnlich zu ruͤh-

renden
A a 4
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[375/0399] 1 Kap. Die Nervenkraͤfte uͤberhaupt. einige thieriſche Wirkungen im Nerven erfolgen, weil der aͤußere ſinnliche Eindruck darinn gegen das Gehirn auf- ſteigt, welches eine thieriſche Bewegung iſt, §. 32. und weil wirklich die Empfindungskraft des Nerven in ſeinem Urſprunge im Gehirne davon leiden kann, wenn die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke in ſolchen Faͤllen zu ſtark ſind, ob ſie gleich nicht empfunden werden. So entſteht z. E. bey Leu- ten, die in Muͤhlen ſchlafen, nach und nach Taubheit; von Einſtralung des Mondenlichts in die Augen im Schla- fe, Blindheit, u. ſ. w. (S. den A. 2 Th. S. 250. ꝛc.) Allein dieſes ſind keine ſichtbaren Nervenwirkungen, ſon- dern vermuthlich nur Spiele der Lebensgeiſter oder unmerk- liche Veraͤnderungen im Nervenmarke, und man kann alſo daraus keinen ſichern Schluß auf die Nervenkraͤfte der aͤu- ßern ſinnlichen Eindruͤcke in die Empfindungsnerven machen. §. 377. Ein innerer ſinnlicher Eindruck in bloße Empfindungs- nerven, der nicht von Vorſtellungen herruͤhret, aͤußert die Spuren ſeiner thieriſchen Wirkungen im Nerven deutlich genug, wie ſolches das obige Beyſpiel vom Geſichtsnerven offenbar erweiſt. §. 373. Alle Erſcheinungen vor den Augen und Ohren, die ſo haͤufig bemerket werden, wenn man ſich zu tief buͤcket, am Halſe zu feſt ſchnuͤret, zu ſchnell umdrehet, u. ſ. w. ſind nichts anders, als thieriſche Wir- kungen, (naͤmlich unaͤchte aͤußere Empfindungen, §. 148.) in bloßen Empfindungsnerven §. 14. 55. von innern ſinn- lichen Eindruͤcken, §. 374. ohne Vorſtellungen, die ſonſt von Vorſtellungen herruͤhren und gleich thieriſche Wirkun- gen haben. §. 148. Die Naſe, die Zunge und die Ge- fuͤhlnerven haben eben dergleichen Erſcheinungen: denn ſo wie uns eine ſehr lebhafte Einbildung verleiten kann, et- was zu riechen oder zu ſchmecken, was uns nicht gegenwaͤr- tig iſt, §. 148. ſo geſchieht es auch oft in Krankheiten und beſonders bey Leuten von zarten, leicht ſinnlich zu ruͤh- renden A a 4

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/399>, abgerufen am 25.04.2024.