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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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II Th. Nervenkräfte.
wenn er gleich nicht empfunden wird, dennoch diejenigen
Bewegungen im thierischen Körper veranlassen, welche er
als Seelenwirkungen veranlassen würde, wenn ihn das
Thier empfände. §. 364. N. 1. Jn einem Thiere ohne
Gehirn, ohne Kopf, wie z. E. den Meernesseln, Band-
würmern, den mikroskopischen Thierchen, Polypen und an-
dern hirnlosen Würmern und Jnsekten, können also die
äußern sinnlichen Eindrücke, ob sie gleich nie empfunden
werden, die Triebfedern der Maschine seyn, wodurch sie
zu allen solchen thierischen Bewegungen gereizet wird, die
bey ihnen, wenn sie dieselben empfänden, oder bey andern,
die sie empfinden, aus der Empfindung als Seelenwirkun-
gen entstehen würden. §. 366. Wenn demnach solche
hirnlose thierische Körper von Natur so eingerichtet sind,
daß alle ihre äußern sinnlichen Eindrücke in den Verwicke-
lungen, Knoten und Scheidungspunkten ihrer Nerven re-
flektiret, und in innere ohne Vorstellungen verwandelt wer-
den, die ihre Glieder eben so bewegen, wie sie durch die
Seelenwirkungen beweget worden seyn würden; so ist es
gar nicht zu bewundern, daß dergleichen Thiere eben so
zweckmäßig, eigenmächtig, überlegt und willkührlich zu
handeln scheinen, wie andre wirklich denkende, ob sie gleich
weder Seele noch Vorstellungen hätten. (vergl. §. 366.)

§. 401.

Der innere sinnliche Eindruck ohne Vorstellungen kann
in den Nerven, die blos empfinden, merkliche thierische
Bewegungen hervorbringen. §. 377. Noch vielmehr
kann er durch Bewegungsnerven die Muskeln in Wirkung
setzen. §. 360. Diese Bewegungen der Muskeln werden
oft im gesunden Zustande empfunden, §. 225. mithin ma-
chen sie wieder äußere sinnliche Eindrücke in den Nerven
der Muskeln, §. 35. und diese können, wenn sie auch
nicht empfunden werden, dennoch eben dieselben thierischen
Bewegungen erregen, als wenn sie empfunden würden. §.
399. Solchergestalt können die innern sinnlichen Ein-

drücke

II Th. Nervenkraͤfte.
wenn er gleich nicht empfunden wird, dennoch diejenigen
Bewegungen im thieriſchen Koͤrper veranlaſſen, welche er
als Seelenwirkungen veranlaſſen wuͤrde, wenn ihn das
Thier empfaͤnde. §. 364. N. 1. Jn einem Thiere ohne
Gehirn, ohne Kopf, wie z. E. den Meerneſſeln, Band-
wuͤrmern, den mikroſkopiſchen Thierchen, Polypen und an-
dern hirnloſen Wuͤrmern und Jnſekten, koͤnnen alſo die
aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, ob ſie gleich nie empfunden
werden, die Triebfedern der Maſchine ſeyn, wodurch ſie
zu allen ſolchen thieriſchen Bewegungen gereizet wird, die
bey ihnen, wenn ſie dieſelben empfaͤnden, oder bey andern,
die ſie empfinden, aus der Empfindung als Seelenwirkun-
gen entſtehen wuͤrden. §. 366. Wenn demnach ſolche
hirnloſe thieriſche Koͤrper von Natur ſo eingerichtet ſind,
daß alle ihre aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke in den Verwicke-
lungen, Knoten und Scheidungspunkten ihrer Nerven re-
flektiret, und in innere ohne Vorſtellungen verwandelt wer-
den, die ihre Glieder eben ſo bewegen, wie ſie durch die
Seelenwirkungen beweget worden ſeyn wuͤrden; ſo iſt es
gar nicht zu bewundern, daß dergleichen Thiere eben ſo
zweckmaͤßig, eigenmaͤchtig, uͤberlegt und willkuͤhrlich zu
handeln ſcheinen, wie andre wirklich denkende, ob ſie gleich
weder Seele noch Vorſtellungen haͤtten. (vergl. §. 366.)

§. 401.

Der innere ſinnliche Eindruck ohne Vorſtellungen kann
in den Nerven, die blos empfinden, merkliche thieriſche
Bewegungen hervorbringen. §. 377. Noch vielmehr
kann er durch Bewegungsnerven die Muskeln in Wirkung
ſetzen. §. 360. Dieſe Bewegungen der Muskeln werden
oft im geſunden Zuſtande empfunden, §. 225. mithin ma-
chen ſie wieder aͤußere ſinnliche Eindruͤcke in den Nerven
der Muskeln, §. 35. und dieſe koͤnnen, wenn ſie auch
nicht empfunden werden, dennoch eben dieſelben thieriſchen
Bewegungen erregen, als wenn ſie empfunden wuͤrden. §.
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[398/0422] II Th. Nervenkraͤfte. wenn er gleich nicht empfunden wird, dennoch diejenigen Bewegungen im thieriſchen Koͤrper veranlaſſen, welche er als Seelenwirkungen veranlaſſen wuͤrde, wenn ihn das Thier empfaͤnde. §. 364. N. 1. Jn einem Thiere ohne Gehirn, ohne Kopf, wie z. E. den Meerneſſeln, Band- wuͤrmern, den mikroſkopiſchen Thierchen, Polypen und an- dern hirnloſen Wuͤrmern und Jnſekten, koͤnnen alſo die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, ob ſie gleich nie empfunden werden, die Triebfedern der Maſchine ſeyn, wodurch ſie zu allen ſolchen thieriſchen Bewegungen gereizet wird, die bey ihnen, wenn ſie dieſelben empfaͤnden, oder bey andern, die ſie empfinden, aus der Empfindung als Seelenwirkun- gen entſtehen wuͤrden. §. 366. Wenn demnach ſolche hirnloſe thieriſche Koͤrper von Natur ſo eingerichtet ſind, daß alle ihre aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke in den Verwicke- lungen, Knoten und Scheidungspunkten ihrer Nerven re- flektiret, und in innere ohne Vorſtellungen verwandelt wer- den, die ihre Glieder eben ſo bewegen, wie ſie durch die Seelenwirkungen beweget worden ſeyn wuͤrden; ſo iſt es gar nicht zu bewundern, daß dergleichen Thiere eben ſo zweckmaͤßig, eigenmaͤchtig, uͤberlegt und willkuͤhrlich zu handeln ſcheinen, wie andre wirklich denkende, ob ſie gleich weder Seele noch Vorſtellungen haͤtten. (vergl. §. 366.) §. 401. Der innere ſinnliche Eindruck ohne Vorſtellungen kann in den Nerven, die blos empfinden, merkliche thieriſche Bewegungen hervorbringen. §. 377. Noch vielmehr kann er durch Bewegungsnerven die Muskeln in Wirkung ſetzen. §. 360. Dieſe Bewegungen der Muskeln werden oft im geſunden Zuſtande empfunden, §. 225. mithin ma- chen ſie wieder aͤußere ſinnliche Eindruͤcke in den Nerven der Muskeln, §. 35. und dieſe koͤnnen, wenn ſie auch nicht empfunden werden, dennoch eben dieſelben thieriſchen Bewegungen erregen, als wenn ſie empfunden wuͤrden. §. 399. Solchergeſtalt koͤnnen die innern ſinnlichen Ein- druͤcke

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/422>, abgerufen am 25.04.2024.