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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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I Th. Thierische Seelenkräfte.
§. 14.

Die Nerven endigen sich an ihren äußersten Spitzen
entweder so, daß sie sich andern, zu gewissen Bewegungen
bestimmten Maschinen des thierischen Körpers, einverlei-
ben, oder daß sie sich blos in der Haut, oder in andern
Theilen, z. E. im Auge, Ohre, etc. ausbreiten, ohne in sol-
che Maschinen einzudringen, die zu gewissen Bewegungen
bestimmet sind, wenigstens ohne dazu mitzuwirken. Die
erstern heißen, in dieser Beziehung, Bewegungsner-
ven;
die letztern hingegen Empfindungsnerven. Sie
sind aber übrigens völlig von einerley Materie und Struck-
tur, und ihr Unterschied liegt bloß in dieser Localverhält-
niß, nicht aber in ihnen selbst. "Eben dieselben Nerven
"sind unstreitig sowohl der Empfindung als der Bewegung
"gewiedmet, so daß man nicht eine doppelte Eintheilung
"annehmen kann, nach welcher die einen Nerven (an sich
"betrachtet) die Empfindung, die andern die Bewegun-
"gen hervorbringen." H. P. §. 384. Es könnte also jeder
Nerve eins und das andre seyn, nachdem seine letzten Zwei-
ge sich hier oder anderswo vertheilen, und jeder Bewe-
gungsnerve ist auch zugleich mit den Eigenschaften der
Empfindungsnerven begabt. Die Bewegungsnerven ha-
ben zum Theil gewisse Knoten oder Verwickelungen, theils
ihrer eignen Faden, theils ganzer andrer Nervenzweige und
Nerven, die sich zu ihnen gesellen, §. 13. worinn die ge-
rade Richtung der Nervenfaden, Zweige, und ganzer Ner-
ven unterbrochen wird. Jn den Nerven der äußerlichen
Sinne, die gar nicht zu einiger Bewegung mechanischer
Maschinen des thierischen Körpers bestimmet sind, findet
man solche Knoten nicht. "Die meisten Nerven gehen in
"die Muskeln, viele in die Haut, weniger in die Einge-
"weide, die wenigsten in die Lunge, und gar keine in die
"harte und dünne Hirnhaut, in die Spinnenhaut, die Seh-
"nen, die Gelenkhölen, die Bänder und in den Mutterku-
"chen. Sie vereinigen sich, so wie die Gefäße, häufig
"untereinander, oder werden auch aus einem Stamme in

"viele
I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte.
§. 14.

Die Nerven endigen ſich an ihren aͤußerſten Spitzen
entweder ſo, daß ſie ſich andern, zu gewiſſen Bewegungen
beſtimmten Maſchinen des thieriſchen Koͤrpers, einverlei-
ben, oder daß ſie ſich blos in der Haut, oder in andern
Theilen, z. E. im Auge, Ohre, ꝛc. ausbreiten, ohne in ſol-
che Maſchinen einzudringen, die zu gewiſſen Bewegungen
beſtimmet ſind, wenigſtens ohne dazu mitzuwirken. Die
erſtern heißen, in dieſer Beziehung, Bewegungsner-
ven;
die letztern hingegen Empfindungsnerven. Sie
ſind aber uͤbrigens voͤllig von einerley Materie und Struck-
tur, und ihr Unterſchied liegt bloß in dieſer Localverhaͤlt-
niß, nicht aber in ihnen ſelbſt. „Eben dieſelben Nerven
„ſind unſtreitig ſowohl der Empfindung als der Bewegung
„gewiedmet, ſo daß man nicht eine doppelte Eintheilung
„annehmen kann, nach welcher die einen Nerven (an ſich
„betrachtet) die Empfindung, die andern die Bewegun-
„gen hervorbringen.“ H. P. §. 384. Es koͤnnte alſo jeder
Nerve eins und das andre ſeyn, nachdem ſeine letzten Zwei-
ge ſich hier oder anderswo vertheilen, und jeder Bewe-
gungsnerve iſt auch zugleich mit den Eigenſchaften der
Empfindungsnerven begabt. Die Bewegungsnerven ha-
ben zum Theil gewiſſe Knoten oder Verwickelungen, theils
ihrer eignen Faden, theils ganzer andrer Nervenzweige und
Nerven, die ſich zu ihnen geſellen, §. 13. worinn die ge-
rade Richtung der Nervenfaden, Zweige, und ganzer Ner-
ven unterbrochen wird. Jn den Nerven der aͤußerlichen
Sinne, die gar nicht zu einiger Bewegung mechaniſcher
Maſchinen des thieriſchen Koͤrpers beſtimmet ſind, findet
man ſolche Knoten nicht. „Die meiſten Nerven gehen in
„die Muskeln, viele in die Haut, weniger in die Einge-
„weide, die wenigſten in die Lunge, und gar keine in die
„harte und duͤnne Hirnhaut, in die Spinnenhaut, die Seh-
„nen, die Gelenkhoͤlen, die Baͤnder und in den Mutterku-
„chen. Sie vereinigen ſich, ſo wie die Gefaͤße, haͤufig
„untereinander, oder werden auch aus einem Stamme in

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[20/0044] I Th. Thieriſche Seelenkraͤfte. §. 14. Die Nerven endigen ſich an ihren aͤußerſten Spitzen entweder ſo, daß ſie ſich andern, zu gewiſſen Bewegungen beſtimmten Maſchinen des thieriſchen Koͤrpers, einverlei- ben, oder daß ſie ſich blos in der Haut, oder in andern Theilen, z. E. im Auge, Ohre, ꝛc. ausbreiten, ohne in ſol- che Maſchinen einzudringen, die zu gewiſſen Bewegungen beſtimmet ſind, wenigſtens ohne dazu mitzuwirken. Die erſtern heißen, in dieſer Beziehung, Bewegungsner- ven; die letztern hingegen Empfindungsnerven. Sie ſind aber uͤbrigens voͤllig von einerley Materie und Struck- tur, und ihr Unterſchied liegt bloß in dieſer Localverhaͤlt- niß, nicht aber in ihnen ſelbſt. „Eben dieſelben Nerven „ſind unſtreitig ſowohl der Empfindung als der Bewegung „gewiedmet, ſo daß man nicht eine doppelte Eintheilung „annehmen kann, nach welcher die einen Nerven (an ſich „betrachtet) die Empfindung, die andern die Bewegun- „gen hervorbringen.“ H. P. §. 384. Es koͤnnte alſo jeder Nerve eins und das andre ſeyn, nachdem ſeine letzten Zwei- ge ſich hier oder anderswo vertheilen, und jeder Bewe- gungsnerve iſt auch zugleich mit den Eigenſchaften der Empfindungsnerven begabt. Die Bewegungsnerven ha- ben zum Theil gewiſſe Knoten oder Verwickelungen, theils ihrer eignen Faden, theils ganzer andrer Nervenzweige und Nerven, die ſich zu ihnen geſellen, §. 13. worinn die ge- rade Richtung der Nervenfaden, Zweige, und ganzer Ner- ven unterbrochen wird. Jn den Nerven der aͤußerlichen Sinne, die gar nicht zu einiger Bewegung mechaniſcher Maſchinen des thieriſchen Koͤrpers beſtimmet ſind, findet man ſolche Knoten nicht. „Die meiſten Nerven gehen in „die Muskeln, viele in die Haut, weniger in die Einge- „weide, die wenigſten in die Lunge, und gar keine in die „harte und duͤnne Hirnhaut, in die Spinnenhaut, die Seh- „nen, die Gelenkhoͤlen, die Baͤnder und in den Mutterku- „chen. Sie vereinigen ſich, ſo wie die Gefaͤße, haͤufig „untereinander, oder werden auch aus einem Stamme in „viele

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/44>, abgerufen am 25.04.2024.