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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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2 Abschn. insbesondre.
überhaupt die Gründe für die Reizbarkeit der Schlagadern
hier mit in Betrachtung ziehen, die Herr Verschuir in
seiner schönen Diss. de arteriarum et venarum vi irritabili,
etc. Gröning.
1766. aus eignen Versuchen mitgetheilet
hat. Dem sey aber wie ihm wolle, so kann die natürliche
Bewegung der Schlagadern, sie mag blos mechanisch, oder
eine unmittelbare Nervenwirkung der äußern sinnlichen
Eindrücke von dem in sie einströmenden Blute seyn, auch
in dieser Absicht ohne allen Beystand des Gehirns und der
Vorstellungskraft erfolgen. Da nun endlich auch alle und
jede Beyhülfe, welche die Wirkung der Muskeln in die
durch sie dringenden Blutgefäße dem Umlaufe giebt, §. 169.
eben sowohl die Folge einer unmittelbaren Nervenwirkung
der äußern sinnlichen Eindrücke in die Muskeln seyn kann,
§. 448. als sie oft auch eine Seelenwirkung ist; §. 169.
so kann man sagen, daß das ganze Geschäft des Umlaufs
des Bluts und der davon auf eine mechanische Weise ab-
hängenden Veränderungen und Verrichtungen in der thie-
rischen Oeconomie, in einem Thiere, ohne jemals eine See-
lenwirkung zu seyn, ohne Gehirn, ohne Vorstellungskraft
und Empfindung, so wie es zur Erhaltung desselben nöthig
ist, bewerkstelliget werden könne, und selbst bey den em-
pfindenden mehrentheils bewerkstelliget werde.

§. 461.

Es fehlet nicht an Erfahrungen, die dieses überhaupt
bestätigen. Denn bey Thieren, die sich durch die Enthau-
ptung nicht geschwind verbluten, währet sowohl der Herz-
schlag, als auch der Puls und der ganze Umlauf, so viel
die Verstimmelung es gestattet, noch geraume Zeit unun-
terbrochen fort, (v. Haller in den Comm. Soc. Götting.
2 B. im 2ten Abschn. von der Reizbark. S. des Hamb.
Mag. 13 B. S. 412. oder v. Hall. op. min. T. 1. pag.
425.) und wird von äußern Reizen, insbesondre von ein-
strömenden Blutmassen, die ins Herz und in die Adern
selbst, oder in die Muskeln, die sie durchdringen, äußere

sinnli-

2 Abſchn. insbeſondre.
uͤberhaupt die Gruͤnde fuͤr die Reizbarkeit der Schlagadern
hier mit in Betrachtung ziehen, die Herr Verſchuir in
ſeiner ſchoͤnen Diſſ. de arteriarum et venarum vi irritabili,
etc. Gröning.
1766. aus eignen Verſuchen mitgetheilet
hat. Dem ſey aber wie ihm wolle, ſo kann die natuͤrliche
Bewegung der Schlagadern, ſie mag blos mechaniſch, oder
eine unmittelbare Nervenwirkung der aͤußern ſinnlichen
Eindruͤcke von dem in ſie einſtroͤmenden Blute ſeyn, auch
in dieſer Abſicht ohne allen Beyſtand des Gehirns und der
Vorſtellungskraft erfolgen. Da nun endlich auch alle und
jede Beyhuͤlfe, welche die Wirkung der Muskeln in die
durch ſie dringenden Blutgefaͤße dem Umlaufe giebt, §. 169.
eben ſowohl die Folge einer unmittelbaren Nervenwirkung
der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke in die Muskeln ſeyn kann,
§. 448. als ſie oft auch eine Seelenwirkung iſt; §. 169.
ſo kann man ſagen, daß das ganze Geſchaͤft des Umlaufs
des Bluts und der davon auf eine mechaniſche Weiſe ab-
haͤngenden Veraͤnderungen und Verrichtungen in der thie-
riſchen Oeconomie, in einem Thiere, ohne jemals eine See-
lenwirkung zu ſeyn, ohne Gehirn, ohne Vorſtellungskraft
und Empfindung, ſo wie es zur Erhaltung deſſelben noͤthig
iſt, bewerkſtelliget werden koͤnne, und ſelbſt bey den em-
pfindenden mehrentheils bewerkſtelliget werde.

§. 461.

Es fehlet nicht an Erfahrungen, die dieſes uͤberhaupt
beſtaͤtigen. Denn bey Thieren, die ſich durch die Enthau-
ptung nicht geſchwind verbluten, waͤhret ſowohl der Herz-
ſchlag, als auch der Puls und der ganze Umlauf, ſo viel
die Verſtimmelung es geſtattet, noch geraume Zeit unun-
terbrochen fort, (v. Haller in den Comm. Soc. Götting.
2 B. im 2ten Abſchn. von der Reizbark. S. des Hamb.
Mag. 13 B. S. 412. oder v. Hall. op. min. T. 1. pag.
425.) und wird von aͤußern Reizen, insbeſondre von ein-
ſtroͤmenden Blutmaſſen, die ins Herz und in die Adern
ſelbſt, oder in die Muskeln, die ſie durchdringen, aͤußere

ſinnli-
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[463/0487] 2 Abſchn. insbeſondre. uͤberhaupt die Gruͤnde fuͤr die Reizbarkeit der Schlagadern hier mit in Betrachtung ziehen, die Herr Verſchuir in ſeiner ſchoͤnen Diſſ. de arteriarum et venarum vi irritabili, etc. Gröning. 1766. aus eignen Verſuchen mitgetheilet hat. Dem ſey aber wie ihm wolle, ſo kann die natuͤrliche Bewegung der Schlagadern, ſie mag blos mechaniſch, oder eine unmittelbare Nervenwirkung der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke von dem in ſie einſtroͤmenden Blute ſeyn, auch in dieſer Abſicht ohne allen Beyſtand des Gehirns und der Vorſtellungskraft erfolgen. Da nun endlich auch alle und jede Beyhuͤlfe, welche die Wirkung der Muskeln in die durch ſie dringenden Blutgefaͤße dem Umlaufe giebt, §. 169. eben ſowohl die Folge einer unmittelbaren Nervenwirkung der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke in die Muskeln ſeyn kann, §. 448. als ſie oft auch eine Seelenwirkung iſt; §. 169. ſo kann man ſagen, daß das ganze Geſchaͤft des Umlaufs des Bluts und der davon auf eine mechaniſche Weiſe ab- haͤngenden Veraͤnderungen und Verrichtungen in der thie- riſchen Oeconomie, in einem Thiere, ohne jemals eine See- lenwirkung zu ſeyn, ohne Gehirn, ohne Vorſtellungskraft und Empfindung, ſo wie es zur Erhaltung deſſelben noͤthig iſt, bewerkſtelliget werden koͤnne, und ſelbſt bey den em- pfindenden mehrentheils bewerkſtelliget werde. §. 461. Es fehlet nicht an Erfahrungen, die dieſes uͤberhaupt beſtaͤtigen. Denn bey Thieren, die ſich durch die Enthau- ptung nicht geſchwind verbluten, waͤhret ſowohl der Herz- ſchlag, als auch der Puls und der ganze Umlauf, ſo viel die Verſtimmelung es geſtattet, noch geraume Zeit unun- terbrochen fort, (v. Haller in den Comm. Soc. Götting. 2 B. im 2ten Abſchn. von der Reizbark. S. des Hamb. Mag. 13 B. S. 412. oder v. Hall. op. min. T. 1. pag. 425.) und wird von aͤußern Reizen, insbeſondre von ein- ſtroͤmenden Blutmaſſen, die ins Herz und in die Adern ſelbſt, oder in die Muskeln, die ſie durchdringen, aͤußere ſinnli-

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/487>, abgerufen am 20.04.2024.