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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
so fern diese verständigen Vorstellungen und Bestrebungen
des Willens nicht mit sinnlichen Vorstellungen vermischet
sind, nur allein Seelenwirkungen derselben, und so findet
bey diesen thierischen Bewegungen keine gemeinschaftliche
Wirkung der thierischen Seelenkräfte und der Nervenkräf-
te Statt. Denn Nervenwirkungen können es nicht seyn,
weil sie sich auf keinen äußern sinnlichen Eindruck, der sie
veranlaßte, beziehen, §. 353. 579. N. 2. und andre thie-
rische Kräfte giebt es nicht mehr außer den thierischen See-
lenkräften. §. 356. Die Natur hat diese höhere Art von
Vorstellungen nur den vollkommensten Thieren eigeräumet,
deren Seelen nicht blos sinnliche, sondern Geister sind. B.
M.
§. 590.

§. 594.

Es irren diejenigen, welche schließen: weil ein Thier
thierische Handlungen verrichtet, so muß es thierische See-
lenkräfte, eine Seele oder Vorstellungskraft, oder wohl
gar Willkühr besitzen: da es unläugbar möglich ist, daß
bloße Nervenkräfte die meisten thierischen Handlungen allein
wirken können. §. 590. Durch diesen Jrrthum halten bis-
her die meisten Philosophen alle Thiere ohne Unterschied
für beseelt, da doch viele derselben aller Wahrscheinlichkeit
nach nie weder sich bewußt sind, noch auch nur empfinden.
(Vergl. §. 624. u. f.)

§. 595.

Bey einem empfindenden und denkenden Thiere kann
man nicht schließen: weil eine thierische Bewegung dessel-
ben durch die Reizbarkeit, oder durch die Nervenkraft äu-
ßerer sinnlicher Eindrücke überhaupt gewirket wird; so kann
sie keine Seelenwirkung der äußern Empfindung dieses Rei-
zes seyn; oder umgekehrt: weil sie eine Seelenwirkung der
äußern Empfindung eines äußern sinnlichen Eindrucks ist,
so kann sie keine Nervenwirkung des letztern seyn. §. 591.

Ersteres

II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
ſo fern dieſe verſtaͤndigen Vorſtellungen und Beſtrebungen
des Willens nicht mit ſinnlichen Vorſtellungen vermiſchet
ſind, nur allein Seelenwirkungen derſelben, und ſo findet
bey dieſen thieriſchen Bewegungen keine gemeinſchaftliche
Wirkung der thieriſchen Seelenkraͤfte und der Nervenkraͤf-
te Statt. Denn Nervenwirkungen koͤnnen es nicht ſeyn,
weil ſie ſich auf keinen aͤußern ſinnlichen Eindruck, der ſie
veranlaßte, beziehen, §. 353. 579. N. 2. und andre thie-
riſche Kraͤfte giebt es nicht mehr außer den thieriſchen See-
lenkraͤften. §. 356. Die Natur hat dieſe hoͤhere Art von
Vorſtellungen nur den vollkommenſten Thieren eigeraͤumet,
deren Seelen nicht blos ſinnliche, ſondern Geiſter ſind. B.
M.
§. 590.

§. 594.

Es irren diejenigen, welche ſchließen: weil ein Thier
thieriſche Handlungen verrichtet, ſo muß es thieriſche See-
lenkraͤfte, eine Seele oder Vorſtellungskraft, oder wohl
gar Willkuͤhr beſitzen: da es unlaͤugbar moͤglich iſt, daß
bloße Nervenkraͤfte die meiſten thieriſchen Handlungen allein
wirken koͤnnen. §. 590. Durch dieſen Jrrthum halten bis-
her die meiſten Philoſophen alle Thiere ohne Unterſchied
fuͤr beſeelt, da doch viele derſelben aller Wahrſcheinlichkeit
nach nie weder ſich bewußt ſind, noch auch nur empfinden.
(Vergl. §. 624. u. f.)

§. 595.

Bey einem empfindenden und denkenden Thiere kann
man nicht ſchließen: weil eine thieriſche Bewegung deſſel-
ben durch die Reizbarkeit, oder durch die Nervenkraft aͤu-
ßerer ſinnlicher Eindruͤcke uͤberhaupt gewirket wird; ſo kann
ſie keine Seelenwirkung der aͤußern Empfindung dieſes Rei-
zes ſeyn; oder umgekehrt: weil ſie eine Seelenwirkung der
aͤußern Empfindung eines aͤußern ſinnlichen Eindrucks iſt,
ſo kann ſie keine Nervenwirkung des letztern ſeyn. §. 591.

Erſteres
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[604/0628] II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr. ſo fern dieſe verſtaͤndigen Vorſtellungen und Beſtrebungen des Willens nicht mit ſinnlichen Vorſtellungen vermiſchet ſind, nur allein Seelenwirkungen derſelben, und ſo findet bey dieſen thieriſchen Bewegungen keine gemeinſchaftliche Wirkung der thieriſchen Seelenkraͤfte und der Nervenkraͤf- te Statt. Denn Nervenwirkungen koͤnnen es nicht ſeyn, weil ſie ſich auf keinen aͤußern ſinnlichen Eindruck, der ſie veranlaßte, beziehen, §. 353. 579. N. 2. und andre thie- riſche Kraͤfte giebt es nicht mehr außer den thieriſchen See- lenkraͤften. §. 356. Die Natur hat dieſe hoͤhere Art von Vorſtellungen nur den vollkommenſten Thieren eigeraͤumet, deren Seelen nicht blos ſinnliche, ſondern Geiſter ſind. B. M. §. 590. §. 594. Es irren diejenigen, welche ſchließen: weil ein Thier thieriſche Handlungen verrichtet, ſo muß es thieriſche See- lenkraͤfte, eine Seele oder Vorſtellungskraft, oder wohl gar Willkuͤhr beſitzen: da es unlaͤugbar moͤglich iſt, daß bloße Nervenkraͤfte die meiſten thieriſchen Handlungen allein wirken koͤnnen. §. 590. Durch dieſen Jrrthum halten bis- her die meiſten Philoſophen alle Thiere ohne Unterſchied fuͤr beſeelt, da doch viele derſelben aller Wahrſcheinlichkeit nach nie weder ſich bewußt ſind, noch auch nur empfinden. (Vergl. §. 624. u. f.) §. 595. Bey einem empfindenden und denkenden Thiere kann man nicht ſchließen: weil eine thieriſche Bewegung deſſel- ben durch die Reizbarkeit, oder durch die Nervenkraft aͤu- ßerer ſinnlicher Eindruͤcke uͤberhaupt gewirket wird; ſo kann ſie keine Seelenwirkung der aͤußern Empfindung dieſes Rei- zes ſeyn; oder umgekehrt: weil ſie eine Seelenwirkung der aͤußern Empfindung eines aͤußern ſinnlichen Eindrucks iſt, ſo kann ſie keine Nervenwirkung des letztern ſeyn. §. 591. Erſteres

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/628>, abgerufen am 29.03.2024.