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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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2 Kap. Hauptgattungen existirender Thiere.
§. 626.

Noch ein Grund der Wahrscheinlichkeit für das Da-
seyn unbeseelter Thiere kann aus der Analogie genommen
werden. Die Natur pflegt in der Leiter der Wesen jede
Staffel nur durch einen neuen Grad wesentlicher Vollkom-
menheit über die nächst vorhergehende zu erhöhen, und über-
springt nicht leicht die Mittelgrade der Vollkommenheit.
Aus dem physischen Körper bildet sie, indem sie ihm durch
eine Strucktur mechanische Kräfte einverleibet, natürliche
mechanische Maschinen, dergleichen die elastischen Körper,
die Haarröhrchen, die Springquellen, die Feuerberge etc.
sind. Aus diesen, denen sie durch die innigste Zusammen-
setzung vieler zu gemeinschaftlichen Zwecken wirkenden na-
türlichen Maschinen, oder durch die Organisation, die or-
ganischen Kräfte mittheilet, formiret sie organische Körper,
wie die Pflanzen und Gewächse sind. Der organische
Körper ist unstreitig noch dreyer verschiedener und einander
subordinirter Grade der Vollkommenheit fähig. Er kann,
wenn ihm durch thierische Maschinen Nervenkräfte einver-
leibet werden, zum Grade unbeseelter Thiere erhöhet wer-
den, und dergleichen Thiere sind nicht nur überhaupt mög-
lich, §. 600. 603. 625. sondern sie können auch für sich
allein zu einem thierischen Leben vollkommen hinreichen.
§. 600 -- 611. Wenn dem unbeseelten Thiere, durch
die gemeinschaftliche Mitwirkung einer Vorstellungskraft,
die durch die Nervenkräfte zu wirken bestimmet und geleitet
wird, sinnliche thierische Seelenkräfte vermittelst eines Ge-
hirns beygeleget werden, so entsteht ein blos sinnliches Thier,
§. 605. dergleichen es in der Natur unzählige giebt: §.
620. und wenn der Vorstellungskraft der sinnlichen Thie-
re noch die wesentliche Vollkommenheit zuertheilet wird,
daß sie unabhänglich von den Nervenkräften, sich selbst
und ihren Körper bestimmet und leitet, so entsteht ein ver-
nünftiges Thier, §. 605. dergleichen der Mensch ist. §.
619. Jn dieser ganzen Reihe der natürlichen Dinge
würde nur die einzige Staffel der Vollkommenheit unbe-

seelter
S s 2
2 Kap. Hauptgattungen exiſtirender Thiere.
§. 626.

Noch ein Grund der Wahrſcheinlichkeit fuͤr das Da-
ſeyn unbeſeelter Thiere kann aus der Analogie genommen
werden. Die Natur pflegt in der Leiter der Weſen jede
Staffel nur durch einen neuen Grad weſentlicher Vollkom-
menheit uͤber die naͤchſt vorhergehende zu erhoͤhen, und uͤber-
ſpringt nicht leicht die Mittelgrade der Vollkommenheit.
Aus dem phyſiſchen Koͤrper bildet ſie, indem ſie ihm durch
eine Strucktur mechaniſche Kraͤfte einverleibet, natuͤrliche
mechaniſche Maſchinen, dergleichen die elaſtiſchen Koͤrper,
die Haarroͤhrchen, die Springquellen, die Feuerberge ꝛc.
ſind. Aus dieſen, denen ſie durch die innigſte Zuſammen-
ſetzung vieler zu gemeinſchaftlichen Zwecken wirkenden na-
tuͤrlichen Maſchinen, oder durch die Organiſation, die or-
ganiſchen Kraͤfte mittheilet, formiret ſie organiſche Koͤrper,
wie die Pflanzen und Gewaͤchſe ſind. Der organiſche
Koͤrper iſt unſtreitig noch dreyer verſchiedener und einander
ſubordinirter Grade der Vollkommenheit faͤhig. Er kann,
wenn ihm durch thieriſche Maſchinen Nervenkraͤfte einver-
leibet werden, zum Grade unbeſeelter Thiere erhoͤhet wer-
den, und dergleichen Thiere ſind nicht nur uͤberhaupt moͤg-
lich, §. 600. 603. 625. ſondern ſie koͤnnen auch fuͤr ſich
allein zu einem thieriſchen Leben vollkommen hinreichen.
§. 600 — 611. Wenn dem unbeſeelten Thiere, durch
die gemeinſchaftliche Mitwirkung einer Vorſtellungskraft,
die durch die Nervenkraͤfte zu wirken beſtimmet und geleitet
wird, ſinnliche thieriſche Seelenkraͤfte vermittelſt eines Ge-
hirns beygeleget werden, ſo entſteht ein blos ſinnliches Thier,
§. 605. dergleichen es in der Natur unzaͤhlige giebt: §.
620. und wenn der Vorſtellungskraft der ſinnlichen Thie-
re noch die weſentliche Vollkommenheit zuertheilet wird,
daß ſie unabhaͤnglich von den Nervenkraͤften, ſich ſelbſt
und ihren Koͤrper beſtimmet und leitet, ſo entſteht ein ver-
nuͤnftiges Thier, §. 605. dergleichen der Menſch iſt. §.
619. Jn dieſer ganzen Reihe der natuͤrlichen Dinge
wuͤrde nur die einzige Staffel der Vollkommenheit unbe-

ſeelter
S s 2
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[643/0667] 2 Kap. Hauptgattungen exiſtirender Thiere. §. 626. Noch ein Grund der Wahrſcheinlichkeit fuͤr das Da- ſeyn unbeſeelter Thiere kann aus der Analogie genommen werden. Die Natur pflegt in der Leiter der Weſen jede Staffel nur durch einen neuen Grad weſentlicher Vollkom- menheit uͤber die naͤchſt vorhergehende zu erhoͤhen, und uͤber- ſpringt nicht leicht die Mittelgrade der Vollkommenheit. Aus dem phyſiſchen Koͤrper bildet ſie, indem ſie ihm durch eine Strucktur mechaniſche Kraͤfte einverleibet, natuͤrliche mechaniſche Maſchinen, dergleichen die elaſtiſchen Koͤrper, die Haarroͤhrchen, die Springquellen, die Feuerberge ꝛc. ſind. Aus dieſen, denen ſie durch die innigſte Zuſammen- ſetzung vieler zu gemeinſchaftlichen Zwecken wirkenden na- tuͤrlichen Maſchinen, oder durch die Organiſation, die or- ganiſchen Kraͤfte mittheilet, formiret ſie organiſche Koͤrper, wie die Pflanzen und Gewaͤchſe ſind. Der organiſche Koͤrper iſt unſtreitig noch dreyer verſchiedener und einander ſubordinirter Grade der Vollkommenheit faͤhig. Er kann, wenn ihm durch thieriſche Maſchinen Nervenkraͤfte einver- leibet werden, zum Grade unbeſeelter Thiere erhoͤhet wer- den, und dergleichen Thiere ſind nicht nur uͤberhaupt moͤg- lich, §. 600. 603. 625. ſondern ſie koͤnnen auch fuͤr ſich allein zu einem thieriſchen Leben vollkommen hinreichen. §. 600 — 611. Wenn dem unbeſeelten Thiere, durch die gemeinſchaftliche Mitwirkung einer Vorſtellungskraft, die durch die Nervenkraͤfte zu wirken beſtimmet und geleitet wird, ſinnliche thieriſche Seelenkraͤfte vermittelſt eines Ge- hirns beygeleget werden, ſo entſteht ein blos ſinnliches Thier, §. 605. dergleichen es in der Natur unzaͤhlige giebt: §. 620. und wenn der Vorſtellungskraft der ſinnlichen Thie- re noch die weſentliche Vollkommenheit zuertheilet wird, daß ſie unabhaͤnglich von den Nervenkraͤften, ſich ſelbſt und ihren Koͤrper beſtimmet und leitet, ſo entſteht ein ver- nuͤnftiges Thier, §. 605. dergleichen der Menſch iſt. §. 619. Jn dieſer ganzen Reihe der natuͤrlichen Dinge wuͤrde nur die einzige Staffel der Vollkommenheit unbe- ſeelter S s 2

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 643. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/667>, abgerufen am 29.03.2024.