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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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2 Abschn. Des Gehirns.
zur Wirklichkeit kommen, §. 25. und müssen, wenn sie
fortdauren, ihre Eindrücke dem Gehirne einverleiben §. 26.
Allein zu den erstern kann die Seele die materiellen Jdeen
im Gehirne nicht aus ihrer eigenen Macht allein wirken,
und also muß sie dieselben von den äußern Eindrücken erst
erwarten, die sie ihr im Gehirne bilden: zu den letztern
hingegen ist kein äußerer Eindruck in die thierischen Ma-
schinen unmittelbar vorher nöthig, sondern die Seele bil-
det sie aus eigner Macht und läßt sie, frey vom Zwange
des äußern Eindrucks, nach den ihr natürlichen psychologi-
schen Gesetzen aufeinander folgen.

Anmerkung. Es ist nothwendig, diesen Unterschied
der Vorstellungen wohl zu fassen, ohne welchen in der
Physiologie von der Gemeinschaft des Leibes und der
Seele nichts richtig bestimmet und gelehret werden kann,
und daher muß man die neuen Ausdrücke entschuldigen
und sich im Folgenden überall genau an die ihnen beyge-
fügten Erklärungen halten. Es ist überdem auch nichts
darinn, was sich nicht mit den bisher festgesetzten psy-
chologischen Begriffen vollkommen vereinbaren ließe.

§. 28.

Vermuthlich sind diese materiellen Jdeen und Bilder
der Vorstellungen im Gehirne ein bloßes Spiel der Lebens-
geister in demselben, weil übrigens von allen thierischen
Bewegungen, und am wenigsten von den materiellen Jdeen,
wenn man das Gehirn der Thiere betrachtet, nichts sicht-
bar wird, die blos mechanischen Bewegungen desselben aber
unmöglich dafür gehalten werden können, weil sie mit den
Vorstellungen der Seele auf keinerley Weise so überein-
stimmen, daß man sie für unmittelbare Wirkungen dersel-
ben halten könnte, indem sie vielmehr einförmig und mit
dem Mechanismo des Umlaufs und des Athemholens über-
einstimmig sind.

§. 29.

2 Abſchn. Des Gehirns.
zur Wirklichkeit kommen, §. 25. und muͤſſen, wenn ſie
fortdauren, ihre Eindruͤcke dem Gehirne einverleiben §. 26.
Allein zu den erſtern kann die Seele die materiellen Jdeen
im Gehirne nicht aus ihrer eigenen Macht allein wirken,
und alſo muß ſie dieſelben von den aͤußern Eindruͤcken erſt
erwarten, die ſie ihr im Gehirne bilden: zu den letztern
hingegen iſt kein aͤußerer Eindruck in die thieriſchen Ma-
ſchinen unmittelbar vorher noͤthig, ſondern die Seele bil-
det ſie aus eigner Macht und laͤßt ſie, frey vom Zwange
des aͤußern Eindrucks, nach den ihr natuͤrlichen pſychologi-
ſchen Geſetzen aufeinander folgen.

Anmerkung. Es iſt nothwendig, dieſen Unterſchied
der Vorſtellungen wohl zu faſſen, ohne welchen in der
Phyſiologie von der Gemeinſchaft des Leibes und der
Seele nichts richtig beſtimmet und gelehret werden kann,
und daher muß man die neuen Ausdruͤcke entſchuldigen
und ſich im Folgenden uͤberall genau an die ihnen beyge-
fuͤgten Erklaͤrungen halten. Es iſt uͤberdem auch nichts
darinn, was ſich nicht mit den bisher feſtgeſetzten pſy-
chologiſchen Begriffen vollkommen vereinbaren ließe.

§. 28.

Vermuthlich ſind dieſe materiellen Jdeen und Bilder
der Vorſtellungen im Gehirne ein bloßes Spiel der Lebens-
geiſter in demſelben, weil uͤbrigens von allen thieriſchen
Bewegungen, und am wenigſten von den materiellen Jdeen,
wenn man das Gehirn der Thiere betrachtet, nichts ſicht-
bar wird, die blos mechaniſchen Bewegungen deſſelben aber
unmoͤglich dafuͤr gehalten werden koͤnnen, weil ſie mit den
Vorſtellungen der Seele auf keinerley Weiſe ſo uͤberein-
ſtimmen, daß man ſie fuͤr unmittelbare Wirkungen derſel-
ben halten koͤnnte, indem ſie vielmehr einfoͤrmig und mit
dem Mechanismo des Umlaufs und des Athemholens uͤber-
einſtimmig ſind.

§. 29.
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[45/0069] 2 Abſchn. Des Gehirns. zur Wirklichkeit kommen, §. 25. und muͤſſen, wenn ſie fortdauren, ihre Eindruͤcke dem Gehirne einverleiben §. 26. Allein zu den erſtern kann die Seele die materiellen Jdeen im Gehirne nicht aus ihrer eigenen Macht allein wirken, und alſo muß ſie dieſelben von den aͤußern Eindruͤcken erſt erwarten, die ſie ihr im Gehirne bilden: zu den letztern hingegen iſt kein aͤußerer Eindruck in die thieriſchen Ma- ſchinen unmittelbar vorher noͤthig, ſondern die Seele bil- det ſie aus eigner Macht und laͤßt ſie, frey vom Zwange des aͤußern Eindrucks, nach den ihr natuͤrlichen pſychologi- ſchen Geſetzen aufeinander folgen. Anmerkung. Es iſt nothwendig, dieſen Unterſchied der Vorſtellungen wohl zu faſſen, ohne welchen in der Phyſiologie von der Gemeinſchaft des Leibes und der Seele nichts richtig beſtimmet und gelehret werden kann, und daher muß man die neuen Ausdruͤcke entſchuldigen und ſich im Folgenden uͤberall genau an die ihnen beyge- fuͤgten Erklaͤrungen halten. Es iſt uͤberdem auch nichts darinn, was ſich nicht mit den bisher feſtgeſetzten pſy- chologiſchen Begriffen vollkommen vereinbaren ließe. §. 28. Vermuthlich ſind dieſe materiellen Jdeen und Bilder der Vorſtellungen im Gehirne ein bloßes Spiel der Lebens- geiſter in demſelben, weil uͤbrigens von allen thieriſchen Bewegungen, und am wenigſten von den materiellen Jdeen, wenn man das Gehirn der Thiere betrachtet, nichts ſicht- bar wird, die blos mechaniſchen Bewegungen deſſelben aber unmoͤglich dafuͤr gehalten werden koͤnnen, weil ſie mit den Vorſtellungen der Seele auf keinerley Weiſe ſo uͤberein- ſtimmen, daß man ſie fuͤr unmittelbare Wirkungen derſel- ben halten koͤnnte, indem ſie vielmehr einfoͤrmig und mit dem Mechanismo des Umlaufs und des Athemholens uͤber- einſtimmig ſind. §. 29.

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/69>, abgerufen am 28.03.2024.