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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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5 Kap. System der Kräfte zum thier. Leben.
nehmen soll, so muß es nothwendig durch einen Antrieb der
Lebensgeister in seinen Röhrchen geschehen. §. 28. 121.
Alles dieses aber sind Bedingungen, welche bey einem ein-
zelnen Theilchen eines Nerven, oder des Gehirns unmög-
lich Statt sinden können, sondern die sich auf den Zusam-
menhang der Lage Aller beziehen, und die natürliche Struck-
tur der thierischen Maschinen, so wie sie wirklich ist, vor-
aussetzen.

§. 662.

Hieraus folget, daß die thierischen Maschinen, ob sie
gleich durch die Ernährung und das Wachsthum stets neue
Theile erhalten, und durch die tägliche Abnutzung alte ver-
lieren, §. 646. dennoch ihre thierischen Verrichtungen
fortsetzen können, so lange eine solche Vermehrung und
Verwechselung ihrer Theile weder ihre Strucktur so verän-
dert, daß sie derselben unfähig würden, noch die Wirkung
der thierischen bewegenden Kräfte in sie hindert; weil au-
ßer diesen Bedingungen ihre einzelnen Bestandtheile an
diesen Verrichtungen keinen Antheil haben. §. 661. Bey
einer so allmähligen, langsamen und unmerklichen Ver-
mehrung und Vertauschung der Theile aber, als die ist,
welche die thierischen Maschinen durch die natürliche Er-
nährung, das Wachsthum und durch die tägliche Abnu-
tzung, die wieder ersetzet wird, leiden, wird ihre Struck-
tur so wenig zu ihren thierischen Verrichtungen unfähig
gemachet und werden die thierischen bewegenden Kräfte so
wenig gehindert in sie zu wirken, daß sie vielmehr dadurch
immer neuer thierischer Verrichtungen fähig werden. §.
644 -- 658. Alle Pflanzen, die auf gleiche Weise täg-
lich alte Theile verlieren und sie durch neue ersetzen und
gleichwohl ihre organischen Verrichtungen ununterbrochen
fortsetzen, und selbst das Herz der Thiere, als eine blos
mechanische Maschine betrachtet, geben hiervon die deut-
lichsten Beyspiele: denn obgleich im Herzen eines Greises
kein einziger von den Bestandtheilen mehr vorhanden ist,

die
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5 Kap. Syſtem der Kraͤfte zum thier. Leben.
nehmen ſoll, ſo muß es nothwendig durch einen Antrieb der
Lebensgeiſter in ſeinen Roͤhrchen geſchehen. §. 28. 121.
Alles dieſes aber ſind Bedingungen, welche bey einem ein-
zelnen Theilchen eines Nerven, oder des Gehirns unmoͤg-
lich Statt ſinden koͤnnen, ſondern die ſich auf den Zuſam-
menhang der Lage Aller beziehen, und die natuͤrliche Struck-
tur der thieriſchen Maſchinen, ſo wie ſie wirklich iſt, vor-
ausſetzen.

§. 662.

Hieraus folget, daß die thieriſchen Maſchinen, ob ſie
gleich durch die Ernaͤhrung und das Wachsthum ſtets neue
Theile erhalten, und durch die taͤgliche Abnutzung alte ver-
lieren, §. 646. dennoch ihre thieriſchen Verrichtungen
fortſetzen koͤnnen, ſo lange eine ſolche Vermehrung und
Verwechſelung ihrer Theile weder ihre Strucktur ſo veraͤn-
dert, daß ſie derſelben unfaͤhig wuͤrden, noch die Wirkung
der thieriſchen bewegenden Kraͤfte in ſie hindert; weil au-
ßer dieſen Bedingungen ihre einzelnen Beſtandtheile an
dieſen Verrichtungen keinen Antheil haben. §. 661. Bey
einer ſo allmaͤhligen, langſamen und unmerklichen Ver-
mehrung und Vertauſchung der Theile aber, als die iſt,
welche die thieriſchen Maſchinen durch die natuͤrliche Er-
naͤhrung, das Wachsthum und durch die taͤgliche Abnu-
tzung, die wieder erſetzet wird, leiden, wird ihre Struck-
tur ſo wenig zu ihren thieriſchen Verrichtungen unfaͤhig
gemachet und werden die thieriſchen bewegenden Kraͤfte ſo
wenig gehindert in ſie zu wirken, daß ſie vielmehr dadurch
immer neuer thieriſcher Verrichtungen faͤhig werden. §.
644 — 658. Alle Pflanzen, die auf gleiche Weiſe taͤg-
lich alte Theile verlieren und ſie durch neue erſetzen und
gleichwohl ihre organiſchen Verrichtungen ununterbrochen
fortſetzen, und ſelbſt das Herz der Thiere, als eine blos
mechaniſche Maſchine betrachtet, geben hiervon die deut-
lichſten Beyſpiele: denn obgleich im Herzen eines Greiſes
kein einziger von den Beſtandtheilen mehr vorhanden iſt,

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[675/0699] 5 Kap. Syſtem der Kraͤfte zum thier. Leben. nehmen ſoll, ſo muß es nothwendig durch einen Antrieb der Lebensgeiſter in ſeinen Roͤhrchen geſchehen. §. 28. 121. Alles dieſes aber ſind Bedingungen, welche bey einem ein- zelnen Theilchen eines Nerven, oder des Gehirns unmoͤg- lich Statt ſinden koͤnnen, ſondern die ſich auf den Zuſam- menhang der Lage Aller beziehen, und die natuͤrliche Struck- tur der thieriſchen Maſchinen, ſo wie ſie wirklich iſt, vor- ausſetzen. §. 662. Hieraus folget, daß die thieriſchen Maſchinen, ob ſie gleich durch die Ernaͤhrung und das Wachsthum ſtets neue Theile erhalten, und durch die taͤgliche Abnutzung alte ver- lieren, §. 646. dennoch ihre thieriſchen Verrichtungen fortſetzen koͤnnen, ſo lange eine ſolche Vermehrung und Verwechſelung ihrer Theile weder ihre Strucktur ſo veraͤn- dert, daß ſie derſelben unfaͤhig wuͤrden, noch die Wirkung der thieriſchen bewegenden Kraͤfte in ſie hindert; weil au- ßer dieſen Bedingungen ihre einzelnen Beſtandtheile an dieſen Verrichtungen keinen Antheil haben. §. 661. Bey einer ſo allmaͤhligen, langſamen und unmerklichen Ver- mehrung und Vertauſchung der Theile aber, als die iſt, welche die thieriſchen Maſchinen durch die natuͤrliche Er- naͤhrung, das Wachsthum und durch die taͤgliche Abnu- tzung, die wieder erſetzet wird, leiden, wird ihre Struck- tur ſo wenig zu ihren thieriſchen Verrichtungen unfaͤhig gemachet und werden die thieriſchen bewegenden Kraͤfte ſo wenig gehindert in ſie zu wirken, daß ſie vielmehr dadurch immer neuer thieriſcher Verrichtungen faͤhig werden. §. 644 — 658. Alle Pflanzen, die auf gleiche Weiſe taͤg- lich alte Theile verlieren und ſie durch neue erſetzen und gleichwohl ihre organiſchen Verrichtungen ununterbrochen fortſetzen, und ſelbſt das Herz der Thiere, als eine blos mechaniſche Maſchine betrachtet, geben hiervon die deut- lichſten Beyſpiele: denn obgleich im Herzen eines Greiſes kein einziger von den Beſtandtheilen mehr vorhanden iſt, die U u 2

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 675. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/699>, abgerufen am 24.04.2024.