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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
die das Herz des Kindes ausmacheten, so ist doch diese all-
gemeine Verwechselung aller seiner Bestandtheile weder sei-
ner Strucktur, noch seinen mechanischen Kräften im ge-
ringsten nachtheilig gewesen, sondern es hat dabey seine
mechanischen Verrichtungen jeden Augenblick ununterbro-
chen bewerkstelliget: und eben so kann demnach das Gehirn
mit den Nerven und den Lebensgeistern eine solche allmäh-
lige und innige Vertauschung aller seiner Theile leiden, oh-
ne daß dadurch ihre thierische Verrichtungen auch nur ei-
nen Augenblick unterbrochen werden müßten. Es ist ge-
nug, daß bey dieser beständigen Vertauschung doch immer
ein Ganzes von solchen thierischen Maschinen wie das Ge-
hirn und die Nerven sind, und in ihnen ein Strom von
Lebensgeistern übrig bleibt, die vermöge ihrer Strucktur
diejenigen thierischen Verrichtungen bewerkstelligen können,
wozu sie von den thierischen bewegenden Kräften angetrie-
ben werden. Vergl. d. A. 3 B. S. 567.

§. 663.

Die Strucktur der thierischen Maschinen machet sie zu
den ihnen natürlich möglichen thierischen Verrichtungen
fähig, §. 193. und wird also zum thierischen Leben über-
haupt nothwendig erfodert: §. 638. aber sie bringt diesel-
ben nicht wirklich in ihnen hervor. Eben so ist es mit al-
len Maschinen, sie mögen blos mechanische, organische oder
thierische seyn. Eine Uhr, eine Mühle, geht darum noch
nicht, weil sie vorhanden und völlig construiret ist, ob-
gleich beydes nothwendig dazu erfodert wird, wenn sie ge-
hen soll. Es gehöret noch die Wirkung der bewegenden
Kraft in die Maschine dazu, die sie wirklich in diejenige
Bewegung setzen muß, deren ihre Strucktur sie nur fähig
machet. Der ganze Körper der Thiere ist im Zustande
seiner Vollkommenheit so construiret, daß er alle thierische
Bewegungen, wozu ihn die Natur bestimmet hat, verrich-
ten kann: aber das wahre thierische Leben hat er blos durch
die thierischen Kräfte, die ihn zu diesen Bewegungen wirk-

lich

III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
die das Herz des Kindes ausmacheten, ſo iſt doch dieſe all-
gemeine Verwechſelung aller ſeiner Beſtandtheile weder ſei-
ner Strucktur, noch ſeinen mechaniſchen Kraͤften im ge-
ringſten nachtheilig geweſen, ſondern es hat dabey ſeine
mechaniſchen Verrichtungen jeden Augenblick ununterbro-
chen bewerkſtelliget: und eben ſo kann demnach das Gehirn
mit den Nerven und den Lebensgeiſtern eine ſolche allmaͤh-
lige und innige Vertauſchung aller ſeiner Theile leiden, oh-
ne daß dadurch ihre thieriſche Verrichtungen auch nur ei-
nen Augenblick unterbrochen werden muͤßten. Es iſt ge-
nug, daß bey dieſer beſtaͤndigen Vertauſchung doch immer
ein Ganzes von ſolchen thieriſchen Maſchinen wie das Ge-
hirn und die Nerven ſind, und in ihnen ein Strom von
Lebensgeiſtern uͤbrig bleibt, die vermoͤge ihrer Strucktur
diejenigen thieriſchen Verrichtungen bewerkſtelligen koͤnnen,
wozu ſie von den thieriſchen bewegenden Kraͤften angetrie-
ben werden. Vergl. d. A. 3 B. S. 567.

§. 663.

Die Strucktur der thieriſchen Maſchinen machet ſie zu
den ihnen natuͤrlich moͤglichen thieriſchen Verrichtungen
faͤhig, §. 193. und wird alſo zum thieriſchen Leben uͤber-
haupt nothwendig erfodert: §. 638. aber ſie bringt dieſel-
ben nicht wirklich in ihnen hervor. Eben ſo iſt es mit al-
len Maſchinen, ſie moͤgen blos mechaniſche, organiſche oder
thieriſche ſeyn. Eine Uhr, eine Muͤhle, geht darum noch
nicht, weil ſie vorhanden und voͤllig conſtruiret iſt, ob-
gleich beydes nothwendig dazu erfodert wird, wenn ſie ge-
hen ſoll. Es gehoͤret noch die Wirkung der bewegenden
Kraft in die Maſchine dazu, die ſie wirklich in diejenige
Bewegung ſetzen muß, deren ihre Strucktur ſie nur faͤhig
machet. Der ganze Koͤrper der Thiere iſt im Zuſtande
ſeiner Vollkommenheit ſo conſtruiret, daß er alle thieriſche
Bewegungen, wozu ihn die Natur beſtimmet hat, verrich-
ten kann: aber das wahre thieriſche Leben hat er blos durch
die thieriſchen Kraͤfte, die ihn zu dieſen Bewegungen wirk-

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[676/0700] III Th. Natur der Thiere im Ganzen. die das Herz des Kindes ausmacheten, ſo iſt doch dieſe all- gemeine Verwechſelung aller ſeiner Beſtandtheile weder ſei- ner Strucktur, noch ſeinen mechaniſchen Kraͤften im ge- ringſten nachtheilig geweſen, ſondern es hat dabey ſeine mechaniſchen Verrichtungen jeden Augenblick ununterbro- chen bewerkſtelliget: und eben ſo kann demnach das Gehirn mit den Nerven und den Lebensgeiſtern eine ſolche allmaͤh- lige und innige Vertauſchung aller ſeiner Theile leiden, oh- ne daß dadurch ihre thieriſche Verrichtungen auch nur ei- nen Augenblick unterbrochen werden muͤßten. Es iſt ge- nug, daß bey dieſer beſtaͤndigen Vertauſchung doch immer ein Ganzes von ſolchen thieriſchen Maſchinen wie das Ge- hirn und die Nerven ſind, und in ihnen ein Strom von Lebensgeiſtern uͤbrig bleibt, die vermoͤge ihrer Strucktur diejenigen thieriſchen Verrichtungen bewerkſtelligen koͤnnen, wozu ſie von den thieriſchen bewegenden Kraͤften angetrie- ben werden. Vergl. d. A. 3 B. S. 567. §. 663. Die Strucktur der thieriſchen Maſchinen machet ſie zu den ihnen natuͤrlich moͤglichen thieriſchen Verrichtungen faͤhig, §. 193. und wird alſo zum thieriſchen Leben uͤber- haupt nothwendig erfodert: §. 638. aber ſie bringt dieſel- ben nicht wirklich in ihnen hervor. Eben ſo iſt es mit al- len Maſchinen, ſie moͤgen blos mechaniſche, organiſche oder thieriſche ſeyn. Eine Uhr, eine Muͤhle, geht darum noch nicht, weil ſie vorhanden und voͤllig conſtruiret iſt, ob- gleich beydes nothwendig dazu erfodert wird, wenn ſie ge- hen ſoll. Es gehoͤret noch die Wirkung der bewegenden Kraft in die Maſchine dazu, die ſie wirklich in diejenige Bewegung ſetzen muß, deren ihre Strucktur ſie nur faͤhig machet. Der ganze Koͤrper der Thiere iſt im Zuſtande ſeiner Vollkommenheit ſo conſtruiret, daß er alle thieriſche Bewegungen, wozu ihn die Natur beſtimmet hat, verrich- ten kann: aber das wahre thieriſche Leben hat er blos durch die thieriſchen Kraͤfte, die ihn zu dieſen Bewegungen wirk- lich

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/700>, abgerufen am 20.04.2024.