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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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6 Kap. Das Alter und der thierische Tod.
türlichen Reize und aller ursprünglichen thierischen Lebens-
bewegungen des Herzens und der Lebensgeister und des
ganzen blos thierischen Lebens, ein solches Thier dennoch
nicht wieder beseelt werden können: und hieraus müssen die
Fälle beurtheilet werden, wo verunglückte leblose Personen
und Thiere dennoch nicht wieder zur Empfindung, zum Be-
wußtseyn, kurz, zum Gebrauche der Vorstellungskraft ge-
langen und wieder beseelt werden, ob man sie gleich dahin
gebracht hat, daß ihr Herz wieder schlägt und die natürli-
che Wärme, ja wohl einige Bestrebung Athem zu holen
und sonst sich zu regen, wiederkömmt.

§. 727.

Alle diese verschiedenen Todesarten sind in der Natur
gewöhnlich, §. 717 -- 726. wie aus den bey jeder ange-
führten Beyspielen genug erhellet. Oft geht die Entsee-
lung vor dem gänzlichen thierischen Tode vorher; oft erfol-
gen beyde zugleich: in jedem Falle aber bleiben doch immer
die letzten Spuren des blos thierischen Lebens noch nach der
Entseelung eine Zeitlang übrig: denn wenn schon alle Vor-
stellungen der Seele verschwunden und alle Seelenwir-
kungen in den mechanischen Maschinen geendiget sind,
zeiget der Körper doch noch verschiedene Spuren der Ner-
venkräfte: die peristaltische Bewegung dauert fort, das
Herz thut noch schwache Schläge, die rechte Vorkammer
desselben behält ihre thierische Bewegung am längsten, die
Muskeln sind noch reizbar etc. H. P. §. 960. Doch über-
trifft die Dauerhaftigkeit der Reizbarkeit des Herzens die
von allen übrigen Theilen: denn wenn sich kein andrer
mehr thierisch reget, noch durch Reize regen läßt, so kann
noch immer das Herz durch äußere sinnliche Eindrücke wie-
der zu seiner natürlichen Bewegung aufgereizet werden,
und in so fern kann man mit dem Herrn v. Haller den
Zeitpunkt, da alle Reizbarkeit des Herzens verschwindet,
überhaupt und gemeiniglich für den Augenblick des gänzli-
chen thierischen Todes halten. H. P. §. 961. Daß die Un-

terbre-

6 Kap. Das Alter und der thieriſche Tod.
tuͤrlichen Reize und aller urſpruͤnglichen thieriſchen Lebens-
bewegungen des Herzens und der Lebensgeiſter und des
ganzen blos thieriſchen Lebens, ein ſolches Thier dennoch
nicht wieder beſeelt werden koͤnnen: und hieraus muͤſſen die
Faͤlle beurtheilet werden, wo verungluͤckte lebloſe Perſonen
und Thiere dennoch nicht wieder zur Empfindung, zum Be-
wußtſeyn, kurz, zum Gebrauche der Vorſtellungskraft ge-
langen und wieder beſeelt werden, ob man ſie gleich dahin
gebracht hat, daß ihr Herz wieder ſchlaͤgt und die natuͤrli-
che Waͤrme, ja wohl einige Beſtrebung Athem zu holen
und ſonſt ſich zu regen, wiederkoͤmmt.

§. 727.

Alle dieſe verſchiedenen Todesarten ſind in der Natur
gewoͤhnlich, §. 717 — 726. wie aus den bey jeder ange-
fuͤhrten Beyſpielen genug erhellet. Oft geht die Entſee-
lung vor dem gaͤnzlichen thieriſchen Tode vorher; oft erfol-
gen beyde zugleich: in jedem Falle aber bleiben doch immer
die letzten Spuren des blos thieriſchen Lebens noch nach der
Entſeelung eine Zeitlang uͤbrig: denn wenn ſchon alle Vor-
ſtellungen der Seele verſchwunden und alle Seelenwir-
kungen in den mechaniſchen Maſchinen geendiget ſind,
zeiget der Koͤrper doch noch verſchiedene Spuren der Ner-
venkraͤfte: die periſtaltiſche Bewegung dauert fort, das
Herz thut noch ſchwache Schlaͤge, die rechte Vorkammer
deſſelben behaͤlt ihre thieriſche Bewegung am laͤngſten, die
Muskeln ſind noch reizbar ꝛc. H. P. §. 960. Doch uͤber-
trifft die Dauerhaftigkeit der Reizbarkeit des Herzens die
von allen uͤbrigen Theilen: denn wenn ſich kein andrer
mehr thieriſch reget, noch durch Reize regen laͤßt, ſo kann
noch immer das Herz durch aͤußere ſinnliche Eindruͤcke wie-
der zu ſeiner natuͤrlichen Bewegung aufgereizet werden,
und in ſo fern kann man mit dem Herrn v. Haller den
Zeitpunkt, da alle Reizbarkeit des Herzens verſchwindet,
uͤberhaupt und gemeiniglich fuͤr den Augenblick des gaͤnzli-
chen thieriſchen Todes halten. H. P. §. 961. Daß die Un-

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[733/0757] 6 Kap. Das Alter und der thieriſche Tod. tuͤrlichen Reize und aller urſpruͤnglichen thieriſchen Lebens- bewegungen des Herzens und der Lebensgeiſter und des ganzen blos thieriſchen Lebens, ein ſolches Thier dennoch nicht wieder beſeelt werden koͤnnen: und hieraus muͤſſen die Faͤlle beurtheilet werden, wo verungluͤckte lebloſe Perſonen und Thiere dennoch nicht wieder zur Empfindung, zum Be- wußtſeyn, kurz, zum Gebrauche der Vorſtellungskraft ge- langen und wieder beſeelt werden, ob man ſie gleich dahin gebracht hat, daß ihr Herz wieder ſchlaͤgt und die natuͤrli- che Waͤrme, ja wohl einige Beſtrebung Athem zu holen und ſonſt ſich zu regen, wiederkoͤmmt. §. 727. Alle dieſe verſchiedenen Todesarten ſind in der Natur gewoͤhnlich, §. 717 — 726. wie aus den bey jeder ange- fuͤhrten Beyſpielen genug erhellet. Oft geht die Entſee- lung vor dem gaͤnzlichen thieriſchen Tode vorher; oft erfol- gen beyde zugleich: in jedem Falle aber bleiben doch immer die letzten Spuren des blos thieriſchen Lebens noch nach der Entſeelung eine Zeitlang uͤbrig: denn wenn ſchon alle Vor- ſtellungen der Seele verſchwunden und alle Seelenwir- kungen in den mechaniſchen Maſchinen geendiget ſind, zeiget der Koͤrper doch noch verſchiedene Spuren der Ner- venkraͤfte: die periſtaltiſche Bewegung dauert fort, das Herz thut noch ſchwache Schlaͤge, die rechte Vorkammer deſſelben behaͤlt ihre thieriſche Bewegung am laͤngſten, die Muskeln ſind noch reizbar ꝛc. H. P. §. 960. Doch uͤber- trifft die Dauerhaftigkeit der Reizbarkeit des Herzens die von allen uͤbrigen Theilen: denn wenn ſich kein andrer mehr thieriſch reget, noch durch Reize regen laͤßt, ſo kann noch immer das Herz durch aͤußere ſinnliche Eindruͤcke wie- der zu ſeiner natuͤrlichen Bewegung aufgereizet werden, und in ſo fern kann man mit dem Herrn v. Haller den Zeitpunkt, da alle Reizbarkeit des Herzens verſchwindet, uͤberhaupt und gemeiniglich fuͤr den Augenblick des gaͤnzli- chen thieriſchen Todes halten. H. P. §. 961. Daß die Un- terbre-

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 733. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/757>, abgerufen am 25.04.2024.