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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An sich betr.
1. Wenn der Nerve nicht, oder nicht hinlänglich ge-
rühret wird, daß sein Mark davon einen sinnlichen Ein-
druck empfangen kann. §. 45. N. 1. Alle Vorstellungen
also, welche für solche äußere Empfindungen gehalten wer-
den, die ohne einen äußerlichen sinnlichen Eindruck in die
Nerven, blos durch die Vorstellungskraft der Seele allein
entstanden wären, sind keine wahren äußerlichen Empfin-
dungen, z. E. Einbildungen, Erinnerungen, Vorherse-
hungen etc.
2. Wenn sich der äußerliche sinnliche Eindruck in ihm
entweder überhaupt nicht bis zum Gehirne, insbesondere
aber nicht bis zu dem Punkte darinn fortpflanzet, wo sich
die materielle Empfindung entwickeln muß. Es folget al-
so nicht, daß die Rührung eines Nerven, ob sie gleich ei-
nen äußerlichen sinnlichen Eindruck in ihn gemachet hat,
empfunden werden müßte, §. 42. sondern es muß erst dar-
gethan werden, daß dieser Eindruck auf seinem Wege zum
Gehirne keine Hinderniß gefunden, die ihn abgehalten hät-
te, bis dahin zu dringen. §. 45. N. 2.
3. Wenn im Gehirne die materielle Jdee nicht entste-
hen kann, die dieser äußere sinnliche Eindruck natürlicher
Weise machen müßte. §. 45. N. 3. So können Fehler
des Gehirns an gewissen Stellen, aus welchen ein Nerve
entspringet, das Glied, zu welchem dieser Nerve hin-
geht, gegen alle äußere sinnliche Eindrücke unempfindlich
machen, ob sie gleich ihr Daseyn durch andre thierische
Wirkungen auf ihrem ganzen Wege bis zum Gehirne hin
offenbaren sollten.
§. 47.

Wenn im natürlichen Zustande thierischer Körper nicht
alle äußere sinnliche Eindrücke in die Nerven materielle
äußere Empfindungen hervorbringen, so kann es Theile in
ihnen geben, die sehr viele Nerven haben, und doch nur
wenig empfinden, so daß also nicht ohne Einschränkung von
der Menge der Nerven auf die Empfindlichkeit eines Theils

geschlos-
I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr.
1. Wenn der Nerve nicht, oder nicht hinlaͤnglich ge-
ruͤhret wird, daß ſein Mark davon einen ſinnlichen Ein-
druck empfangen kann. §. 45. N. 1. Alle Vorſtellungen
alſo, welche fuͤr ſolche aͤußere Empfindungen gehalten wer-
den, die ohne einen aͤußerlichen ſinnlichen Eindruck in die
Nerven, blos durch die Vorſtellungskraft der Seele allein
entſtanden waͤren, ſind keine wahren aͤußerlichen Empfin-
dungen, z. E. Einbildungen, Erinnerungen, Vorherſe-
hungen ꝛc.
2. Wenn ſich der aͤußerliche ſinnliche Eindruck in ihm
entweder uͤberhaupt nicht bis zum Gehirne, insbeſondere
aber nicht bis zu dem Punkte darinn fortpflanzet, wo ſich
die materielle Empfindung entwickeln muß. Es folget al-
ſo nicht, daß die Ruͤhrung eines Nerven, ob ſie gleich ei-
nen aͤußerlichen ſinnlichen Eindruck in ihn gemachet hat,
empfunden werden muͤßte, §. 42. ſondern es muß erſt dar-
gethan werden, daß dieſer Eindruck auf ſeinem Wege zum
Gehirne keine Hinderniß gefunden, die ihn abgehalten haͤt-
te, bis dahin zu dringen. §. 45. N. 2.
3. Wenn im Gehirne die materielle Jdee nicht entſte-
hen kann, die dieſer aͤußere ſinnliche Eindruck natuͤrlicher
Weiſe machen muͤßte. §. 45. N. 3. So koͤnnen Fehler
des Gehirns an gewiſſen Stellen, aus welchen ein Nerve
entſpringet, das Glied, zu welchem dieſer Nerve hin-
geht, gegen alle aͤußere ſinnliche Eindruͤcke unempfindlich
machen, ob ſie gleich ihr Daſeyn durch andre thieriſche
Wirkungen auf ihrem ganzen Wege bis zum Gehirne hin
offenbaren ſollten.
§. 47.

Wenn im natuͤrlichen Zuſtande thieriſcher Koͤrper nicht
alle aͤußere ſinnliche Eindruͤcke in die Nerven materielle
aͤußere Empfindungen hervorbringen, ſo kann es Theile in
ihnen geben, die ſehr viele Nerven haben, und doch nur
wenig empfinden, ſo daß alſo nicht ohne Einſchraͤnkung von
der Menge der Nerven auf die Empfindlichkeit eines Theils

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[62/0086] I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. 1. Wenn der Nerve nicht, oder nicht hinlaͤnglich ge- ruͤhret wird, daß ſein Mark davon einen ſinnlichen Ein- druck empfangen kann. §. 45. N. 1. Alle Vorſtellungen alſo, welche fuͤr ſolche aͤußere Empfindungen gehalten wer- den, die ohne einen aͤußerlichen ſinnlichen Eindruck in die Nerven, blos durch die Vorſtellungskraft der Seele allein entſtanden waͤren, ſind keine wahren aͤußerlichen Empfin- dungen, z. E. Einbildungen, Erinnerungen, Vorherſe- hungen ꝛc. 2. Wenn ſich der aͤußerliche ſinnliche Eindruck in ihm entweder uͤberhaupt nicht bis zum Gehirne, insbeſondere aber nicht bis zu dem Punkte darinn fortpflanzet, wo ſich die materielle Empfindung entwickeln muß. Es folget al- ſo nicht, daß die Ruͤhrung eines Nerven, ob ſie gleich ei- nen aͤußerlichen ſinnlichen Eindruck in ihn gemachet hat, empfunden werden muͤßte, §. 42. ſondern es muß erſt dar- gethan werden, daß dieſer Eindruck auf ſeinem Wege zum Gehirne keine Hinderniß gefunden, die ihn abgehalten haͤt- te, bis dahin zu dringen. §. 45. N. 2. 3. Wenn im Gehirne die materielle Jdee nicht entſte- hen kann, die dieſer aͤußere ſinnliche Eindruck natuͤrlicher Weiſe machen muͤßte. §. 45. N. 3. So koͤnnen Fehler des Gehirns an gewiſſen Stellen, aus welchen ein Nerve entſpringet, das Glied, zu welchem dieſer Nerve hin- geht, gegen alle aͤußere ſinnliche Eindruͤcke unempfindlich machen, ob ſie gleich ihr Daſeyn durch andre thieriſche Wirkungen auf ihrem ganzen Wege bis zum Gehirne hin offenbaren ſollten. §. 47. Wenn im natuͤrlichen Zuſtande thieriſcher Koͤrper nicht alle aͤußere ſinnliche Eindruͤcke in die Nerven materielle aͤußere Empfindungen hervorbringen, ſo kann es Theile in ihnen geben, die ſehr viele Nerven haben, und doch nur wenig empfinden, ſo daß alſo nicht ohne Einſchraͤnkung von der Menge der Nerven auf die Empfindlichkeit eines Theils geſchloſ-

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/86>, abgerufen am 24.04.2024.