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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

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Bewegung in unsern Körper aufhöre, wenn
wir nichts empfinden, sondern ich sage dieses
nur von denenienigen Bewegungen, welche
sonst nicht zugegen sind, als zugleich mit einer
Empfindung. Und damit mich iederman hier-
bey recht einnehmen könne, so will ich ein gantz
unläugbar Exempel zur Erläuterung beyfügen.
Das Einfallen der Lichtstrahlen in das Auge
macht eine Empfindung = S, und mit dieser
ist eine Bewegung der Pupille = M verbun-
den. Welcher Artzneyverständiger wird mir
nun wol den Satz läugnen können: S ist alle-
mal zugegen, wenn M ist; M ist allemal da,
so bald S ist. S ist abwesend, wenn M abwe-
send ist: M ist allemal abwesend, wenn ich die-
ses von S behaupten kan. Wenn eine Em-
pfindung, welche = A seyn soll, in meiner
Nasen entsteht, so erfolgt das Niesen, eine Be-
wegung = B. So bald also A entsteht, so
bald ist auch B da; und wenn A abwesend ist,
so ist auch B abwesend. Hier meine ich wie-
der nicht, daß A einer ieden Empfindung in
der Nase = seyn soll; sondern allemal nur
derienigen, worauf das Niesen erfolget. Jch
glaube so wird verständlich seyn, was ich be-
haupte, indem ich sage es sey wahrscheinlich,
daß entweder S, M würcke, oder daß doch die-
ses gewiß umgekehrt gelte.

§. 28.

Meine Leser würden vermuthlich sehr
schlecht mit mir zufrieden seyn, wenn ich es nur

bey

Bewegung in unſern Koͤrper aufhoͤre, wenn
wir nichts empfinden, ſondern ich ſage dieſes
nur von denenienigen Bewegungen, welche
ſonſt nicht zugegen ſind, als zugleich mit einer
Empfindung. Und damit mich iederman hier-
bey recht einnehmen koͤnne, ſo will ich ein gantz
unlaͤugbar Exempel zur Erlaͤuterung beyfuͤgen.
Das Einfallen der Lichtſtrahlen in das Auge
macht eine Empfindung = S, und mit dieſer
iſt eine Bewegung der Pupille = M verbun-
den. Welcher Artzneyverſtaͤndiger wird mir
nun wol den Satz laͤugnen koͤnnen: S iſt alle-
mal zugegen, wenn M iſt; M iſt allemal da,
ſo bald S iſt. S iſt abweſend, wenn M abwe-
ſend iſt: M iſt allemal abweſend, wenn ich die-
ſes von S behaupten kan. Wenn eine Em-
pfindung, welche = A ſeyn ſoll, in meiner
Naſen entſteht, ſo erfolgt das Nieſen, eine Be-
wegung = B. So bald alſo A entſteht, ſo
bald iſt auch B da; und wenn A abweſend iſt,
ſo iſt auch B abweſend. Hier meine ich wie-
der nicht, daß A einer ieden Empfindung in
der Naſe = ſeyn ſoll; ſondern allemal nur
derienigen, worauf das Nieſen erfolget. Jch
glaube ſo wird verſtaͤndlich ſeyn, was ich be-
haupte, indem ich ſage es ſey wahrſcheinlich,
daß entweder S, M wuͤrcke, oder daß doch die-
ſes gewiß umgekehrt gelte.

§. 28.

Meine Leſer wuͤrden vermuthlich ſehr
ſchlecht mit mir zufrieden ſeyn, wenn ich es nur

bey
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[68/0098] Bewegung in unſern Koͤrper aufhoͤre, wenn wir nichts empfinden, ſondern ich ſage dieſes nur von denenienigen Bewegungen, welche ſonſt nicht zugegen ſind, als zugleich mit einer Empfindung. Und damit mich iederman hier- bey recht einnehmen koͤnne, ſo will ich ein gantz unlaͤugbar Exempel zur Erlaͤuterung beyfuͤgen. Das Einfallen der Lichtſtrahlen in das Auge macht eine Empfindung = S, und mit dieſer iſt eine Bewegung der Pupille = M verbun- den. Welcher Artzneyverſtaͤndiger wird mir nun wol den Satz laͤugnen koͤnnen: S iſt alle- mal zugegen, wenn M iſt; M iſt allemal da, ſo bald S iſt. S iſt abweſend, wenn M abwe- ſend iſt: M iſt allemal abweſend, wenn ich die- ſes von S behaupten kan. Wenn eine Em- pfindung, welche = A ſeyn ſoll, in meiner Naſen entſteht, ſo erfolgt das Nieſen, eine Be- wegung = B. So bald alſo A entſteht, ſo bald iſt auch B da; und wenn A abweſend iſt, ſo iſt auch B abweſend. Hier meine ich wie- der nicht, daß A einer ieden Empfindung in der Naſe = ſeyn ſoll; ſondern allemal nur derienigen, worauf das Nieſen erfolget. Jch glaube ſo wird verſtaͤndlich ſeyn, was ich be- haupte, indem ich ſage es ſey wahrſcheinlich, daß entweder S, M wuͤrcke, oder daß doch die- ſes gewiß umgekehrt gelte. §. 28. Meine Leſer wuͤrden vermuthlich ſehr ſchlecht mit mir zufrieden ſeyn, wenn ich es nur bey

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/98>, abgerufen am 28.03.2024.