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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

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dem andern sey. Jch sage mit Willen:
wahrscheinlich. Denn daß es nicht gewiß
sey; solches will ich durch folgendes Exempel
erweisen: Wenn es in Halle Nacht ist, so ist
es auch in Leipzig Nacht, wenn es in Halle
nicht Nacht ist; sondern helle, so ist auch in
Leipzig Tag. Also ist in diesen Falle die Nacht
in Halle, A, allemal wenn die Nacht in Leip-
zig, B, gegenwärtig ist. A, ist nicht, wenn B
nicht ist. Ja dieses trift allemal ein. Kan
ich aber also schliessen A sey die Ursach von B
oder B habe A gewürcket. Wer wird so thö-
richt seyn, und behaupten daß die Nacht in
Halle verursachte, daß es in Leipzig auch dun-
ckel wäre. Solchemnach ist dieser Schluß
ebenfalls nicht allgemein, wenn ich sage, daß
alsdenn gewiß zwischen A und B Ursach und
Würckung statt hätte, wenn sie allemal mit
einander verbunden, und wenn sie beständig
beyde zugleich abwesend sind. Es ist also
nichts gewisser, als daß es alsdenn nur sehr
wahrscheinlich sey, daß zwey Dinge einander
würcken, wenn besagte Bedingung statt hat.
Jch will alles, was ich ietzo gesagt, noch ein-
mal wiederholen, ehe ich weiter gehe, damit
man mich recht einnehme, und weil hierauf al-
les ankommt. Jch behaupte: die Sonne sey
die Ursach des Lichts. Warum? Es ist alle-
mal lichte, wenn sie zugegen ist, es ist allemal
dunckel, wenn sie abwesend ist. Hingegen
warum sage ich nicht: Die Sonne ist die Ur-

sach,

dem andern ſey. Jch ſage mit Willen:
wahrſcheinlich. Denn daß es nicht gewiß
ſey; ſolches will ich durch folgendes Exempel
erweiſen: Wenn es in Halle Nacht iſt, ſo iſt
es auch in Leipzig Nacht, wenn es in Halle
nicht Nacht iſt; ſondern helle, ſo iſt auch in
Leipzig Tag. Alſo iſt in dieſen Falle die Nacht
in Halle, A, allemal wenn die Nacht in Leip-
zig, B, gegenwaͤrtig iſt. A, iſt nicht, wenn B
nicht iſt. Ja dieſes trift allemal ein. Kan
ich aber alſo ſchlieſſen A ſey die Urſach von B
oder B habe A gewuͤrcket. Wer wird ſo thoͤ-
richt ſeyn, und behaupten daß die Nacht in
Halle verurſachte, daß es in Leipzig auch dun-
ckel waͤre. Solchemnach iſt dieſer Schluß
ebenfalls nicht allgemein, wenn ich ſage, daß
alsdenn gewiß zwiſchen A und B Urſach und
Wuͤrckung ſtatt haͤtte, wenn ſie allemal mit
einander verbunden, und wenn ſie beſtaͤndig
beyde zugleich abweſend ſind. Es iſt alſo
nichts gewiſſer, als daß es alsdenn nur ſehr
wahrſcheinlich ſey, daß zwey Dinge einander
wuͤrcken, wenn beſagte Bedingung ſtatt hat.
Jch will alles, was ich ietzo geſagt, noch ein-
mal wiederholen, ehe ich weiter gehe, damit
man mich recht einnehme, und weil hierauf al-
les ankommt. Jch behaupte: die Sonne ſey
die Urſach des Lichts. Warum? Es iſt alle-
mal lichte, wenn ſie zugegen iſt, es iſt allemal
dunckel, wenn ſie abweſend iſt. Hingegen
warum ſage ich nicht: Die Sonne iſt die Ur-

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[50/0080] dem andern ſey. Jch ſage mit Willen: wahrſcheinlich. Denn daß es nicht gewiß ſey; ſolches will ich durch folgendes Exempel erweiſen: Wenn es in Halle Nacht iſt, ſo iſt es auch in Leipzig Nacht, wenn es in Halle nicht Nacht iſt; ſondern helle, ſo iſt auch in Leipzig Tag. Alſo iſt in dieſen Falle die Nacht in Halle, A, allemal wenn die Nacht in Leip- zig, B, gegenwaͤrtig iſt. A, iſt nicht, wenn B nicht iſt. Ja dieſes trift allemal ein. Kan ich aber alſo ſchlieſſen A ſey die Urſach von B oder B habe A gewuͤrcket. Wer wird ſo thoͤ- richt ſeyn, und behaupten daß die Nacht in Halle verurſachte, daß es in Leipzig auch dun- ckel waͤre. Solchemnach iſt dieſer Schluß ebenfalls nicht allgemein, wenn ich ſage, daß alsdenn gewiß zwiſchen A und B Urſach und Wuͤrckung ſtatt haͤtte, wenn ſie allemal mit einander verbunden, und wenn ſie beſtaͤndig beyde zugleich abweſend ſind. Es iſt alſo nichts gewiſſer, als daß es alsdenn nur ſehr wahrſcheinlich ſey, daß zwey Dinge einander wuͤrcken, wenn beſagte Bedingung ſtatt hat. Jch will alles, was ich ietzo geſagt, noch ein- mal wiederholen, ehe ich weiter gehe, damit man mich recht einnehme, und weil hierauf al- les ankommt. Jch behaupte: die Sonne ſey die Urſach des Lichts. Warum? Es iſt alle- mal lichte, wenn ſie zugegen iſt, es iſt allemal dunckel, wenn ſie abweſend iſt. Hingegen warum ſage ich nicht: Die Sonne iſt die Ur- ſach,

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/80>, abgerufen am 25.04.2024.