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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Höhere Sinne. Ohr.
Die erste Entstehung des Sehnerven ist schon oben bei der
Genese der Augen erwähnt worden. Da die festere Masse sich
auch bei ihm zuerst an die Peripherie ansetzt, so ist er anfangs
hohl und man kann daher mit einer Borste im Anfange aus der
Hirnblase in die Augapfelblase dringen. -- Die Sehnerven rücken
immer näher zusammen, stossen nach von Bär (l. c. S. 105. bei
Burdach S. 336.) am siebenten Tage an einander, so dass sie dann
an dem Vereinigungswinkel nur eine Oeffnung bilden, später je-
doch über einander übergreifen (l. c. S. 119. 120. bei Burdach
S. 352.) und so die Kreuzung darstellen. -- Da nach Huschke
(Meck. Arch. 1832. S. 15.) die lanzettförmige Figur eine Rinne
des noch hohlen Sehnerven ist, so stellt diese, der Nath der Rük-
kenplatten gegenüber, das Chiasma dar. --

2. Ohr.

Ist, wie wir gesehen haben, in der Entwickelungsgeschichte
des Auges, trotz der zahlreichen und bedeutenden Arbeiten, noch
manche fühlbare Lücke auszufüllen, so muss in der des Ohres
das Meiste fast durch allseitige Beobachtung festgesetzt werden.
Alle älteren Angaben beschränken sich beinah nur auf die verknö-
cherten oder der Verknöcherung nahen Gebilde des Gehörorganes,
also auf einen Zustand, in welchem sie im Ganzen nur wenig
von dem des Erwachsenen abweichen. J. F. Meckel, welcher
sich viele Verdienste auch um diesen Theil der Entwickelungs-
geschichte erworben, hat offenbar mehr für den äusseren Theil
des Gehörorganes gethan, als für den inneren. Desgleichen in
neuerer Zeit vorzüglich Huschke und Rathke. -- Es findet sich
deshalb nirgends so vieles Dunkele, anderseits aber auch eine so
bedeutende Schwierigkeit der Untersuchung, als hier und wir ha-
ben dieses selbst erfahren, als wir, um auf dem noch sparsam
bebaueten Felde doch wenigstens einige Früchte zu erndten, eine
nicht ganz geringe Zahl von Schaaf-, Kuh-, Schweine- und Men-
schenembryonen zergliederten und dabei nicht bloss die äusseren
Theile, sondern die bisher fast ganz vernachlässigten inneren zu
berücksichtigen uns bemühten. Die Resultate unserer Beobach-
tungen sollen dem Folgenden einverleibt werden.

Nach Huschke (Isis 1831. S. 951.) entsteht, analog dem Auge,
auch das Ohr als eine Hautgrube, welche nach aussen zu enger
wird und so ebenfalls, gleich einer Drüse, einen Ausführungsgang

Höhere Sinne. Ohr.
Die erste Entstehung des Sehnerven ist schon oben bei der
Genese der Augen erwähnt worden. Da die festere Masse sich
auch bei ihm zuerst an die Peripherie ansetzt, so ist er anfangs
hohl und man kann daher mit einer Borste im Anfange aus der
Hirnblase in die Augapfelblase dringen. — Die Sehnerven rücken
immer näher zusammen, stoſsen nach von Bär (l. c. S. 105. bei
Burdach S. 336.) am siebenten Tage an einander, so daſs sie dann
an dem Vereinigungswinkel nur eine Oeffnung bilden, später je-
doch über einander übergreifen (l. c. S. 119. 120. bei Burdach
S. 352.) und so die Kreuzung darstellen. — Da nach Huschke
(Meck. Arch. 1832. S. 15.) die lanzettförmige Figur eine Rinne
des noch hohlen Sehnerven ist, so stellt diese, der Nath der Rük-
kenplatten gegenüber, das Chiasma dar. —

2. Ohr.

Ist, wie wir gesehen haben, in der Entwickelungsgeschichte
des Auges, trotz der zahlreichen und bedeutenden Arbeiten, noch
manche fühlbare Lücke auszufüllen, so muſs in der des Ohres
das Meiste fast durch allseitige Beobachtung festgesetzt werden.
Alle älteren Angaben beschränken sich beinah nur auf die verknö-
cherten oder der Verknöcherung nahen Gebilde des Gehörorganes,
also auf einen Zustand, in welchem sie im Ganzen nur wenig
von dem des Erwachsenen abweichen. J. F. Meckel, welcher
sich viele Verdienste auch um diesen Theil der Entwickelungs-
geschichte erworben, hat offenbar mehr für den äuſseren Theil
des Gehörorganes gethan, als für den inneren. Desgleichen in
neuerer Zeit vorzüglich Huschke und Rathke. — Es findet sich
deshalb nirgends so vieles Dunkele, anderseits aber auch eine so
bedeutende Schwierigkeit der Untersuchung, als hier und wir ha-
ben dieses selbst erfahren, als wir, um auf dem noch sparsam
bebaueten Felde doch wenigstens einige Früchte zu erndten, eine
nicht ganz geringe Zahl von Schaaf-, Kuh-, Schweine- und Men-
schenembryonen zergliederten und dabei nicht bloſs die äuſseren
Theile, sondern die bisher fast ganz vernachlässigten inneren zu
berücksichtigen uns bemühten. Die Resultate unserer Beobach-
tungen sollen dem Folgenden einverleibt werden.

Nach Huschke (Isis 1831. S. 951.) entsteht, analog dem Auge,
auch das Ohr als eine Hautgrube, welche nach auſsen zu enger
wird und so ebenfalls, gleich einer Drüse, einen Ausführungsgang

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[205/0233] Höhere Sinne. Ohr. Die erste Entstehung des Sehnerven ist schon oben bei der Genese der Augen erwähnt worden. Da die festere Masse sich auch bei ihm zuerst an die Peripherie ansetzt, so ist er anfangs hohl und man kann daher mit einer Borste im Anfange aus der Hirnblase in die Augapfelblase dringen. — Die Sehnerven rücken immer näher zusammen, stoſsen nach von Bär (l. c. S. 105. bei Burdach S. 336.) am siebenten Tage an einander, so daſs sie dann an dem Vereinigungswinkel nur eine Oeffnung bilden, später je- doch über einander übergreifen (l. c. S. 119. 120. bei Burdach S. 352.) und so die Kreuzung darstellen. — Da nach Huschke (Meck. Arch. 1832. S. 15.) die lanzettförmige Figur eine Rinne des noch hohlen Sehnerven ist, so stellt diese, der Nath der Rük- kenplatten gegenüber, das Chiasma dar. — 2. Ohr. Ist, wie wir gesehen haben, in der Entwickelungsgeschichte des Auges, trotz der zahlreichen und bedeutenden Arbeiten, noch manche fühlbare Lücke auszufüllen, so muſs in der des Ohres das Meiste fast durch allseitige Beobachtung festgesetzt werden. Alle älteren Angaben beschränken sich beinah nur auf die verknö- cherten oder der Verknöcherung nahen Gebilde des Gehörorganes, also auf einen Zustand, in welchem sie im Ganzen nur wenig von dem des Erwachsenen abweichen. J. F. Meckel, welcher sich viele Verdienste auch um diesen Theil der Entwickelungs- geschichte erworben, hat offenbar mehr für den äuſseren Theil des Gehörorganes gethan, als für den inneren. Desgleichen in neuerer Zeit vorzüglich Huschke und Rathke. — Es findet sich deshalb nirgends so vieles Dunkele, anderseits aber auch eine so bedeutende Schwierigkeit der Untersuchung, als hier und wir ha- ben dieses selbst erfahren, als wir, um auf dem noch sparsam bebaueten Felde doch wenigstens einige Früchte zu erndten, eine nicht ganz geringe Zahl von Schaaf-, Kuh-, Schweine- und Men- schenembryonen zergliederten und dabei nicht bloſs die äuſseren Theile, sondern die bisher fast ganz vernachlässigten inneren zu berücksichtigen uns bemühten. Die Resultate unserer Beobach- tungen sollen dem Folgenden einverleibt werden. Nach Huschke (Isis 1831. S. 951.) entsteht, analog dem Auge, auch das Ohr als eine Hautgrube, welche nach auſsen zu enger wird und so ebenfalls, gleich einer Drüse, einen Ausführungsgang

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/233>, abgerufen am 29.03.2024.