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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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hat. Ja wir können aus eigenen Erfahrungen sogar noch hinzufü-
gen, dass in allerfrühester Zeit beide Ohrgruben bestimmt mit einan-
der communiciren. Die Oeffnung dieser Grube glaubt Huschke selbst
bei dem Menschen gesehen zu haben. Bald jedoch tritt der Hör-
nerve, wie am Auge der Sehnerve, hervor, und so entsteht jene
Form, welche v. Bär (l. c. S. 31. bei Burdach S. 260.) beobach-
tet hat. Nach ihm ragt der vordere Rand der Ohrhöhle (Ohr-
grube) mehr vor, als der hintere. Dieser Theil wird, wie wir
bald sehen werden, zum inneren Ohre, d. h. zu dem Labyrinthe
und dessen accessorischen Gebilden. Das äussere Gehörorgan da-
gegen, d h. Eustachische Trompete, Paukenhöhle, ein Theil der
Gehörknöchelchen und äusseres Ohr entstehen später, nachdem
die Visceralplatten sich kreisförmig gegen einander gebogen, um
die Rumpfwände des Halses darzustellen. So sind am Ohre zwei
durchaus verschiedene Bildungshergänge zu unterscheiden, welche
erst später zu einem Ganzen zusammentreten.

Ueber die Ausbildung des Labyrinthes besitzen wir noch
gar keine Angaben. Das Folgende ist aus einer Reihe mühsamer
Untersuchungen entnommen, welche ich an sehr kleinen Schaaf-
embryonen vorzüglich angestellt habe. Das Labyrinth bildet eine
durchaus von der übrigen membranösen und späterhin knorpeligen
Substanz getrennte Masse, welche als ein länglich rundes Gebilde
selbst dann noch isolirt hervorgezogen werden kann, wenn schon
die Schnecke und zum Theil die Bogengänge existiren. In frü-
hester Zeit stellt es einen einfachen länglichen Schlauch dar,
welcher eine länglich runde Höhlung hat, die im Innern eine
etwas unebene Oberfläche zeigt. Wir werden bald sehen, dass
dieses Rudiment vorzüglich als Vestibulum zu deuten sey. Kurz
darauf jedoch verlängert sich das innere Ende der Höhlung und
wird, indem es im Kreise eine Wendung zu machen beginnt,
zu einer rundlichen Höhle. Indem nun so die roheste Grundlage der
Schnecke entsteht, bilden sich die Windungen derselben auf fol-
gende interessante Weise. Es wird nämlich die Wand der
Schneckenblase, wenn man sich in die Höhle derselben versetzt
denkt, von innen nach aussen wie eingegraben und zwar zuerst nach
der Richtung von dem Vestibulum aus gegen die Mitte der Schä-
delbasis hin und dann weiter fort spiralig bis zum obersten Ende
der Perpendikularaxe. Hierdurch entsteht 1. von aussen die der
Schneckenschaale ähnliche äussere Gestalt, indem die untere Win-

Von dem Embryo.
hat. Ja wir können aus eigenen Erfahrungen sogar noch hinzufü-
gen, daſs in allerfrühester Zeit beide Ohrgruben bestimmt mit einan-
der communiciren. Die Oeffnung dieser Grube glaubt Huschke selbst
bei dem Menschen gesehen zu haben. Bald jedoch tritt der Hör-
nerve, wie am Auge der Sehnerve, hervor, und so entsteht jene
Form, welche v. Bär (l. c. S. 31. bei Burdach S. 260.) beobach-
tet hat. Nach ihm ragt der vordere Rand der Ohrhöhle (Ohr-
grube) mehr vor, als der hintere. Dieser Theil wird, wie wir
bald sehen werden, zum inneren Ohre, d. h. zu dem Labyrinthe
und dessen accessorischen Gebilden. Das äuſsere Gehörorgan da-
gegen, d h. Eustachische Trompete, Paukenhöhle, ein Theil der
Gehörknöchelchen und äuſseres Ohr entstehen später, nachdem
die Visceralplatten sich kreisförmig gegen einander gebogen, um
die Rumpfwände des Halses darzustellen. So sind am Ohre zwei
durchaus verschiedene Bildungshergänge zu unterscheiden, welche
erst später zu einem Ganzen zusammentreten.

Ueber die Ausbildung des Labyrinthes besitzen wir noch
gar keine Angaben. Das Folgende ist aus einer Reihe mühsamer
Untersuchungen entnommen, welche ich an sehr kleinen Schaaf-
embryonen vorzüglich angestellt habe. Das Labyrinth bildet eine
durchaus von der übrigen membranösen und späterhin knorpeligen
Substanz getrennte Masse, welche als ein länglich rundes Gebilde
selbst dann noch isolirt hervorgezogen werden kann, wenn schon
die Schnecke und zum Theil die Bogengänge existiren. In frü-
hester Zeit stellt es einen einfachen länglichen Schlauch dar,
welcher eine länglich runde Höhlung hat, die im Innern eine
etwas unebene Oberfläche zeigt. Wir werden bald sehen, daſs
dieses Rudiment vorzüglich als Vestibulum zu deuten sey. Kurz
darauf jedoch verlängert sich das innere Ende der Höhlung und
wird, indem es im Kreise eine Wendung zu machen beginnt,
zu einer rundlichen Höhle. Indem nun so die roheste Grundlage der
Schnecke entsteht, bilden sich die Windungen derselben auf fol-
gende interessante Weise. Es wird nämlich die Wand der
Schneckenblase, wenn man sich in die Höhle derselben versetzt
denkt, von innen nach auſsen wie eingegraben und zwar zuerst nach
der Richtung von dem Vestibulum aus gegen die Mitte der Schä-
delbasis hin und dann weiter fort spiralig bis zum obersten Ende
der Perpendikularaxe. Hierdurch entsteht 1. von auſsen die der
Schneckenschaale ähnliche äuſsere Gestalt, indem die untere Win-

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[206/0234] Von dem Embryo. hat. Ja wir können aus eigenen Erfahrungen sogar noch hinzufü- gen, daſs in allerfrühester Zeit beide Ohrgruben bestimmt mit einan- der communiciren. Die Oeffnung dieser Grube glaubt Huschke selbst bei dem Menschen gesehen zu haben. Bald jedoch tritt der Hör- nerve, wie am Auge der Sehnerve, hervor, und so entsteht jene Form, welche v. Bär (l. c. S. 31. bei Burdach S. 260.) beobach- tet hat. Nach ihm ragt der vordere Rand der Ohrhöhle (Ohr- grube) mehr vor, als der hintere. Dieser Theil wird, wie wir bald sehen werden, zum inneren Ohre, d. h. zu dem Labyrinthe und dessen accessorischen Gebilden. Das äuſsere Gehörorgan da- gegen, d h. Eustachische Trompete, Paukenhöhle, ein Theil der Gehörknöchelchen und äuſseres Ohr entstehen später, nachdem die Visceralplatten sich kreisförmig gegen einander gebogen, um die Rumpfwände des Halses darzustellen. So sind am Ohre zwei durchaus verschiedene Bildungshergänge zu unterscheiden, welche erst später zu einem Ganzen zusammentreten. Ueber die Ausbildung des Labyrinthes besitzen wir noch gar keine Angaben. Das Folgende ist aus einer Reihe mühsamer Untersuchungen entnommen, welche ich an sehr kleinen Schaaf- embryonen vorzüglich angestellt habe. Das Labyrinth bildet eine durchaus von der übrigen membranösen und späterhin knorpeligen Substanz getrennte Masse, welche als ein länglich rundes Gebilde selbst dann noch isolirt hervorgezogen werden kann, wenn schon die Schnecke und zum Theil die Bogengänge existiren. In frü- hester Zeit stellt es einen einfachen länglichen Schlauch dar, welcher eine länglich runde Höhlung hat, die im Innern eine etwas unebene Oberfläche zeigt. Wir werden bald sehen, daſs dieses Rudiment vorzüglich als Vestibulum zu deuten sey. Kurz darauf jedoch verlängert sich das innere Ende der Höhlung und wird, indem es im Kreise eine Wendung zu machen beginnt, zu einer rundlichen Höhle. Indem nun so die roheste Grundlage der Schnecke entsteht, bilden sich die Windungen derselben auf fol- gende interessante Weise. Es wird nämlich die Wand der Schneckenblase, wenn man sich in die Höhle derselben versetzt denkt, von innen nach auſsen wie eingegraben und zwar zuerst nach der Richtung von dem Vestibulum aus gegen die Mitte der Schä- delbasis hin und dann weiter fort spiralig bis zum obersten Ende der Perpendikularaxe. Hierdurch entsteht 1. von auſsen die der Schneckenschaale ähnliche äuſsere Gestalt, indem die untere Win-

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/234>, abgerufen am 24.04.2024.