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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Aeusseres Hautsystem.
Windungen machen, beim Erwachsenen 0,000714 P. Z. bei dem
Neugeborenen dagegen 0,000304 P. Z. -- Offenbar sind sie schon
viel früher gebildet und nur die Unmöglichkeit, feine Hautschnitte
zu machen, bei denen die Epidermis nicht von der Lederhaut ab-
geht, hindert, sie zu verfolgen. Denn wenn sie mit den elasti-
schen Fäden, welche bei dem Abziehen der Epidermis sich zeigen,
identisch sind, so müssen sie schon vom Anfange des fünften Mo-
nates an spätestens vorhanden seyn. Doch konnte ich sie nach un-
säglichen missglückten Versuchen bis jetzt nur zweimal in siebenmo-
natlichen Früchten auf erhärteten Perpendiculärschnitten beobachten.

Die Nägel entstehen, wie schon Albinus (Acad. adnott. lib.
2. p. 59.) wusste, aus der Hautschicht und sind keineswegs mit
dem dritten Phalanx in der innigen Beziehung, in die sie Ritgen
(Probefragment etc. S. 257.) in neuester Zeit gebracht hat. Sie
folgen im dritten, vierten und bisweilen noch im fünften Monate
der Haut und so kann man leicht das ganze Glied unverletzt von
dem Phalanx selbst mit Ausnahme der Sehne abziehen. In ih-
rem Gewebe lässt sich dann auch durchaus keine Abweichung
von dem der Haut selbst wahrnehmen. Die Angabe der Meisten,
dass die Nägel zuerst im fünften Monate entstehen, muss dahin
abgeändert werden, dass sie um diese Zeit mehr Festigkeit, ihre
eigenthümliche Structur, überhaupt mehr äussere Differenzen von
der Oberhaut erhalten. Der freie Rand derselben, welcher sich
bei Neugeborenen schon vorfindet, geht nach E. H. Weber (Hil-
debr. Anat. I. S. 195.) nach der Geburt oft von selbst ab.

Nachdem aus dem serösen Blatte alle die genannten Organe
und Organtheile entstanden sind, bleibt noch eine peripherische
Parthie desselben übrig, welche zu Fötushüllen verwandt wird.
Es ist also auf diese Weise das seröse Blatt in einen centralen
Fötal- und einen peripherischen Hüllentheil geschieden. Allein zu
der Zeit, wo diese Differenz vollkommen ausgesprochen ist und
selbst während sie gebildet wird, liegen die Spinalplatten des Fötus
nicht mehr in einer Ebene, sondern haben (als Visceralplatten)
ihre Biegung zur Bildung des unteren Centralrohres begonnen,
so dass mit ihrer Scheidung zugleich ein Unterschied in der Di-
mension der Tiefe gegeben ist. Man sagt daher der Embryo
senke sich ein und der peripherische Theil des serösen Blattes
schlage sich um ihn von allen Seiten herum. Dieser Process geht
zuerst am Kopfe, dann am Schwanze und gleichmässig an den

Aeuſseres Hautsystem.
Windungen machen, beim Erwachsenen 0,000714 P. Z. bei dem
Neugeborenen dagegen 0,000304 P. Z. — Offenbar sind sie schon
viel früher gebildet und nur die Unmöglichkeit, feine Hautschnitte
zu machen, bei denen die Epidermis nicht von der Lederhaut ab-
geht, hindert, sie zu verfolgen. Denn wenn sie mit den elasti-
schen Fäden, welche bei dem Abziehen der Epidermis sich zeigen,
identisch sind, so müssen sie schon vom Anfange des fünften Mo-
nates an spätestens vorhanden seyn. Doch konnte ich sie nach un-
säglichen miſsglückten Versuchen bis jetzt nur zweimal in siebenmo-
natlichen Früchten auf erhärteten Perpendiculärschnitten beobachten.

Die Nägel entstehen, wie schon Albinus (Acad. adnott. lib.
2. p. 59.) wuſste, aus der Hautschicht und sind keineswegs mit
dem dritten Phalanx in der innigen Beziehung, in die sie Ritgen
(Probefragment etc. S. 257.) in neuester Zeit gebracht hat. Sie
folgen im dritten, vierten und bisweilen noch im fünften Monate
der Haut und so kann man leicht das ganze Glied unverletzt von
dem Phalanx selbst mit Ausnahme der Sehne abziehen. In ih-
rem Gewebe läſst sich dann auch durchaus keine Abweichung
von dem der Haut selbst wahrnehmen. Die Angabe der Meisten,
daſs die Nägel zuerst im fünften Monate entstehen, muſs dahin
abgeändert werden, daſs sie um diese Zeit mehr Festigkeit, ihre
eigenthümliche Structur, überhaupt mehr äuſsere Differenzen von
der Oberhaut erhalten. Der freie Rand derselben, welcher sich
bei Neugeborenen schon vorfindet, geht nach E. H. Weber (Hil-
debr. Anat. I. S. 195.) nach der Geburt oft von selbst ab.

Nachdem aus dem serösen Blatte alle die genannten Organe
und Organtheile entstanden sind, bleibt noch eine peripherische
Parthie desselben übrig, welche zu Fötushüllen verwandt wird.
Es ist also auf diese Weise das seröse Blatt in einen centralen
Fötal- und einen peripherischen Hüllentheil geschieden. Allein zu
der Zeit, wo diese Differenz vollkommen ausgesprochen ist und
selbst während sie gebildet wird, liegen die Spinalplatten des Fötus
nicht mehr in einer Ebene, sondern haben (als Visceralplatten)
ihre Biegung zur Bildung des unteren Centralrohres begonnen,
so daſs mit ihrer Scheidung zugleich ein Unterschied in der Di-
mension der Tiefe gegeben ist. Man sagt daher der Embryo
senke sich ein und der peripherische Theil des serösen Blattes
schlage sich um ihn von allen Seiten herum. Dieser Proceſs geht
zuerst am Kopfe, dann am Schwanze und gleichmäſsig an den

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[277/0305] Aeuſseres Hautsystem. Windungen machen, beim Erwachsenen 0,000714 P. Z. bei dem Neugeborenen dagegen 0,000304 P. Z. — Offenbar sind sie schon viel früher gebildet und nur die Unmöglichkeit, feine Hautschnitte zu machen, bei denen die Epidermis nicht von der Lederhaut ab- geht, hindert, sie zu verfolgen. Denn wenn sie mit den elasti- schen Fäden, welche bei dem Abziehen der Epidermis sich zeigen, identisch sind, so müssen sie schon vom Anfange des fünften Mo- nates an spätestens vorhanden seyn. Doch konnte ich sie nach un- säglichen miſsglückten Versuchen bis jetzt nur zweimal in siebenmo- natlichen Früchten auf erhärteten Perpendiculärschnitten beobachten. Die Nägel entstehen, wie schon Albinus (Acad. adnott. lib. 2. p. 59.) wuſste, aus der Hautschicht und sind keineswegs mit dem dritten Phalanx in der innigen Beziehung, in die sie Ritgen (Probefragment etc. S. 257.) in neuester Zeit gebracht hat. Sie folgen im dritten, vierten und bisweilen noch im fünften Monate der Haut und so kann man leicht das ganze Glied unverletzt von dem Phalanx selbst mit Ausnahme der Sehne abziehen. In ih- rem Gewebe läſst sich dann auch durchaus keine Abweichung von dem der Haut selbst wahrnehmen. Die Angabe der Meisten, daſs die Nägel zuerst im fünften Monate entstehen, muſs dahin abgeändert werden, daſs sie um diese Zeit mehr Festigkeit, ihre eigenthümliche Structur, überhaupt mehr äuſsere Differenzen von der Oberhaut erhalten. Der freie Rand derselben, welcher sich bei Neugeborenen schon vorfindet, geht nach E. H. Weber (Hil- debr. Anat. I. S. 195.) nach der Geburt oft von selbst ab. Nachdem aus dem serösen Blatte alle die genannten Organe und Organtheile entstanden sind, bleibt noch eine peripherische Parthie desselben übrig, welche zu Fötushüllen verwandt wird. Es ist also auf diese Weise das seröse Blatt in einen centralen Fötal- und einen peripherischen Hüllentheil geschieden. Allein zu der Zeit, wo diese Differenz vollkommen ausgesprochen ist und selbst während sie gebildet wird, liegen die Spinalplatten des Fötus nicht mehr in einer Ebene, sondern haben (als Visceralplatten) ihre Biegung zur Bildung des unteren Centralrohres begonnen, so daſs mit ihrer Scheidung zugleich ein Unterschied in der Di- mension der Tiefe gegeben ist. Man sagt daher der Embryo senke sich ein und der peripherische Theil des serösen Blattes schlage sich um ihn von allen Seiten herum. Dieser Proceſs geht zuerst am Kopfe, dann am Schwanze und gleichmäſsig an den

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/305>, abgerufen am 25.04.2024.