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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Von dem Embryo.
oder Blätter geringer als bei dem Erwachsenen. Doch habe ich
schon 6--8 derselben bei Schaffötus von 2 Zoll Länge und
bei menschlichen Früchten aus der Mitte des dritten Monates
deutlich erkannt. Später werden sie, je mehr sie an Zahl zu-
nehmen, relativ um so dünner. Jedes dieser Blätter oder dieser
Schichten besteht aus einer granulösen Masse, deren Körner um so
deutlicher isolirt sind, je jünger die Frucht ist.

Anhang. Geschlechts- und Harnorgane.

Kein System von Organen hat in einer geordneten Entwik-
kelungsgeschichte eine so precäre Stellung, als das der Geschlechts-
und Harnwerkzeuge. Während nämlich von allen bisher erwähn-
ten Organen sich mit Gewissheit nachweisen lässt, welchem Blatte
der Keimhaut sie angehören, während sie aber (mit Ausnahme der
später noch zu nennenden Blut- und Lymphdrüsen) eben hierdurch
den ihrem Charakter angemessenen Platz nothwendig einnehmen,
so ist es der Complex der Genitalien und der unpöetischen Or-
gane, welche mit allen drei Blättern von ihrem ersten Anfange
an in die innigste Berührung kommen. Dieses, wie es scheint, so
paradoxe Verhältniss hat aber darin seinen Grund, dass man hier
der Genese nach durchaus verschiedene Theile unterscheiden muss,
und zwar nicht bloss, wie man gewöhnlich thut, die inneren Ge-
nitalien von den äusseren, sondern folgende aus dem Verlaufe
der genau verfolgten Entwickelungsgeschichte fast von selbst er-
hellenden Abtheilungen:

1. Das innere harnabsondernde Organsystem, die Nieren
nebst deren abführenden Anhängen, den Harnleitern.
2. Das innere geschlechtliche keimbereitende System, Hoden,
(welche, wie wir bald sehen werden, als Eingeweide der Bauch-
höhle angesehen werden müssen) und Eierstöcke nebst deren
abführenden Anhängen, den Saamenleitern und den Tuben.
3. Das System der als Behältniss für die Excreta der ge-
nannten Organe dienenden Theile bei beiden Geschlechtern, die
Harnblase und ausserdem bei den Männern der bisweilen vorkom-
mende einfache Gang, in welchen die beiden ductus ejaculatorii
münden, die Saamenblasen, die Harnröhre nebst ihren Umgebun-
gen, Penis und Eichel, und die innersten Häute des Scrotum, bei
dem weiblichen Geschlechte der Uterus, die Scheide, die Harn-
röhre, die Klitoris und das Hymen. Endlich
4.

Von dem Embryo.
oder Blätter geringer als bei dem Erwachsenen. Doch habe ich
schon 6—8 derselben bei Schaffötus von 2 Zoll Länge und
bei menschlichen Früchten aus der Mitte des dritten Monates
deutlich erkannt. Später werden sie, je mehr sie an Zahl zu-
nehmen, relativ um so dünner. Jedes dieser Blätter oder dieser
Schichten besteht aus einer granulösen Masse, deren Körner um so
deutlicher isolirt sind, je jünger die Frucht ist.

Anhang. Geschlechts- und Harnorgane.

Kein System von Organen hat in einer geordneten Entwik-
kelungsgeschichte eine so precäre Stellung, als das der Geschlechts-
und Harnwerkzeuge. Während nämlich von allen bisher erwähn-
ten Organen sich mit Gewiſsheit nachweisen läſst, welchem Blatte
der Keimhaut sie angehören, während sie aber (mit Ausnahme der
später noch zu nennenden Blut- und Lymphdrüsen) eben hierdurch
den ihrem Charakter angemessenen Platz nothwendig einnehmen,
so ist es der Complex der Genitalien und der unpöetischen Or-
gane, welche mit allen drei Blättern von ihrem ersten Anfange
an in die innigste Berührung kommen. Dieses, wie es scheint, so
paradoxe Verhältniſs hat aber darin seinen Grund, daſs man hier
der Genese nach durchaus verschiedene Theile unterscheiden muſs,
und zwar nicht bloſs, wie man gewöhnlich thut, die inneren Ge-
nitalien von den äuſseren, sondern folgende aus dem Verlaufe
der genau verfolgten Entwickelungsgeschichte fast von selbst er-
hellenden Abtheilungen:

1. Das innere harnabsondernde Organsystem, die Nieren
nebst deren abführenden Anhängen, den Harnleitern.
2. Das innere geschlechtliche keimbereitende System, Hoden,
(welche, wie wir bald sehen werden, als Eingeweide der Bauch-
höhle angesehen werden müssen) und Eierstöcke nebst deren
abführenden Anhängen, den Saamenleitern und den Tuben.
3. Das System der als Behältniſs für die Excreta der ge-
nannten Organe dienenden Theile bei beiden Geschlechtern, die
Harnblase und auſserdem bei den Männern der bisweilen vorkom-
mende einfache Gang, in welchen die beiden ductus ejaculatorii
münden, die Saamenblasen, die Harnröhre nebst ihren Umgebun-
gen, Penis und Eichel, und die innersten Häute des Scrotum, bei
dem weiblichen Geschlechte der Uterus, die Scheide, die Harn-
röhre, die Klitoris und das Hymen. Endlich
4.
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[352/0380] Von dem Embryo. oder Blätter geringer als bei dem Erwachsenen. Doch habe ich schon 6—8 derselben bei Schaffötus von 2 Zoll Länge und bei menschlichen Früchten aus der Mitte des dritten Monates deutlich erkannt. Später werden sie, je mehr sie an Zahl zu- nehmen, relativ um so dünner. Jedes dieser Blätter oder dieser Schichten besteht aus einer granulösen Masse, deren Körner um so deutlicher isolirt sind, je jünger die Frucht ist. Anhang. Geschlechts- und Harnorgane. Kein System von Organen hat in einer geordneten Entwik- kelungsgeschichte eine so precäre Stellung, als das der Geschlechts- und Harnwerkzeuge. Während nämlich von allen bisher erwähn- ten Organen sich mit Gewiſsheit nachweisen läſst, welchem Blatte der Keimhaut sie angehören, während sie aber (mit Ausnahme der später noch zu nennenden Blut- und Lymphdrüsen) eben hierdurch den ihrem Charakter angemessenen Platz nothwendig einnehmen, so ist es der Complex der Genitalien und der unpöetischen Or- gane, welche mit allen drei Blättern von ihrem ersten Anfange an in die innigste Berührung kommen. Dieses, wie es scheint, so paradoxe Verhältniſs hat aber darin seinen Grund, daſs man hier der Genese nach durchaus verschiedene Theile unterscheiden muſs, und zwar nicht bloſs, wie man gewöhnlich thut, die inneren Ge- nitalien von den äuſseren, sondern folgende aus dem Verlaufe der genau verfolgten Entwickelungsgeschichte fast von selbst er- hellenden Abtheilungen: 1. Das innere harnabsondernde Organsystem, die Nieren nebst deren abführenden Anhängen, den Harnleitern. 2. Das innere geschlechtliche keimbereitende System, Hoden, (welche, wie wir bald sehen werden, als Eingeweide der Bauch- höhle angesehen werden müssen) und Eierstöcke nebst deren abführenden Anhängen, den Saamenleitern und den Tuben. 3. Das System der als Behältniſs für die Excreta der ge- nannten Organe dienenden Theile bei beiden Geschlechtern, die Harnblase und auſserdem bei den Männern der bisweilen vorkom- mende einfache Gang, in welchen die beiden ductus ejaculatorii münden, die Saamenblasen, die Harnröhre nebst ihren Umgebun- gen, Penis und Eichel, und die innersten Häute des Scrotum, bei dem weiblichen Geschlechte der Uterus, die Scheide, die Harn- röhre, die Klitoris und das Hymen. Endlich 4.

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/380>, abgerufen am 24.04.2024.