Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
Einfurchungsbildungen.
A. Einfurchungsbildungen.

Auch hier kann man, wie wir es oben von den Ausstül-
pungsbildungen angedeutet haben, zwei Formationsreihen von ein-
ander unterscheiden, nämlich 1. die Einstülpungsbildungen und
2. die Einfurchungsbildungen im engeren Sinne. Wir werden
der Deutlichkeit wegen und um uns des blossen logischen Distin-
guirens für fernerhin zu entledigen, die Charaktere der beiden
parallelen Unterabtheilungen der zwei Hauptklassen angeben und
einander gegenüberstellen. Da die Einfurchungsbildungen gewis-
sermaassen das Entgegengesetzte der Ausstülpungsbildungen sind,
so werden sich auch die parallelen Unterabtheilungen auf entge-
gengesetzte Weise verhalten. 1) Die Einstülpungsbildungen ent-
sprechen der zweiten Abtheilung der Ausstülpungsbildungen, näm-
lich derjenigen, in welcher keine Verdickung, sondern eine blosse,
seitliche Verlängerung des Darmrohres Statt findet. Wie hier
die Höhlung von innen nach aussen vorschreitet, so dort von au-
ssen nach innen; wie hier der Anfangspunkt der Höhlung Aus-
gangspunkt der Höhlung ist, so ist es dort der Endpunkt. Nur
die Differenz muss Statt finden, dass die Ausstülpungsbildung nach
aussen sich blind endigen, die Einstülpungsbildungen dagegen sich
mit ihrem Endpunkte nach innen wendend, das Schleimblatt oder
das seröse Blatt allein oder beide zugleich afficiren und mit ih-
nen (durch ihren frühen Endpunkt) in offener Communication ste-
hen. Zu dieser Reihe von Bildungen gehören die Sinnesorgane und
gewissermaassen der Mund und der After. Das Auge tritt nur mit
dem serösen Blatte in Berührung; das Ohr mit seiner inneren Ab-
theilung mit dem serösen Blatte allein, mit seiner äusseren dagegen
mit dem Schleim- und dem serösen Blatte zugleich. Wir haben
daher diese beiden höheren Sinnesorgaue als Anhang des serösen
Blattes schon oben abgehandelt. Die Nase kommt zwar eben-
falls mit ihrer inneren Abtheilung, dem Labyrinthe, mit dem
serösen Blatte allein in Contact, ihre grössere, wenn auch nicht
gerade wichtigere Abtheilung dagegen mit diesem und dem Schleim-
blatte. Mund und After endlich gehen fast nur von dem serösen
Blatte aus und liegen im Uebrigen gänzlich in der Region des
Schleimblattes. Ja das eigentliche Sinnesorgan des Mundes, die
Zunge, scheint grösstentheils ein Product des Schleimblattes (we-
nigstens ihrer Hauptmasse nach) zu seyn. 2) Die Einfurchungen

Einfurchungsbildungen.
A. Einfurchungsbildungen.

Auch hier kann man, wie wir es oben von den Ausstül-
pungsbildungen angedeutet haben, zwei Formationsreihen von ein-
ander unterscheiden, nämlich 1. die Einstülpungsbildungen und
2. die Einfurchungsbildungen im engeren Sinne. Wir werden
der Deutlichkeit wegen und um uns des bloſsen logischen Distin-
guirens für fernerhin zu entledigen, die Charaktere der beiden
parallelen Unterabtheilungen der zwei Hauptklassen angeben und
einander gegenüberstellen. Da die Einfurchungsbildungen gewis-
sermaaſsen das Entgegengesetzte der Ausstülpungsbildungen sind,
so werden sich auch die parallelen Unterabtheilungen auf entge-
gengesetzte Weise verhalten. 1) Die Einstülpungsbildungen ent-
sprechen der zweiten Abtheilung der Ausstülpungsbildungen, näm-
lich derjenigen, in welcher keine Verdickung, sondern eine bloſse,
seitliche Verlängerung des Darmrohres Statt findet. Wie hier
die Höhlung von innen nach auſsen vorschreitet, so dort von au-
ſsen nach innen; wie hier der Anfangspunkt der Höhlung Aus-
gangspunkt der Höhlung ist, so ist es dort der Endpunkt. Nur
die Differenz muſs Statt finden, daſs die Ausstülpungsbildung nach
auſsen sich blind endigen, die Einstülpungsbildungen dagegen sich
mit ihrem Endpunkte nach innen wendend, das Schleimblatt oder
das seröse Blatt allein oder beide zugleich afficiren und mit ih-
nen (durch ihren frühen Endpunkt) in offener Communication ste-
hen. Zu dieser Reihe von Bildungen gehören die Sinnesorgane und
gewissermaaſsen der Mund und der After. Das Auge tritt nur mit
dem serösen Blatte in Berührung; das Ohr mit seiner inneren Ab-
theilung mit dem serösen Blatte allein, mit seiner äuſseren dagegen
mit dem Schleim- und dem serösen Blatte zugleich. Wir haben
daher diese beiden höheren Sinnesorgaue als Anhang des serösen
Blattes schon oben abgehandelt. Die Nase kommt zwar eben-
falls mit ihrer inneren Abtheilung, dem Labyrinthe, mit dem
serösen Blatte allein in Contact, ihre gröſsere, wenn auch nicht
gerade wichtigere Abtheilung dagegen mit diesem und dem Schleim-
blatte. Mund und After endlich gehen fast nur von dem serösen
Blatte aus und liegen im Uebrigen gänzlich in der Region des
Schleimblattes. Ja das eigentliche Sinnesorgan des Mundes, die
Zunge, scheint gröſstentheils ein Product des Schleimblattes (we-
nigstens ihrer Hauptmasse nach) zu seyn. 2) Die Einfurchungen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0503" n="475"/>
            <fw place="top" type="header">Einfurchungsbildungen.</fw><lb/>
            <div n="4">
              <head>A. <hi rendition="#g">Einfurchungsbildungen</hi>.</head><lb/>
              <p>Auch hier kann man, wie wir es oben von den Ausstül-<lb/>
pungsbildungen angedeutet haben, zwei Formationsreihen von ein-<lb/>
ander unterscheiden, nämlich 1. die Einstülpungsbildungen und<lb/>
2. die Einfurchungsbildungen im engeren Sinne. Wir werden<lb/>
der Deutlichkeit wegen und um uns des blo&#x017F;sen logischen Distin-<lb/>
guirens für fernerhin zu entledigen, die Charaktere der beiden<lb/>
parallelen Unterabtheilungen der zwei Hauptklassen angeben und<lb/>
einander gegenüberstellen. Da die Einfurchungsbildungen gewis-<lb/>
sermaa&#x017F;sen das Entgegengesetzte der Ausstülpungsbildungen sind,<lb/>
so werden sich auch die parallelen Unterabtheilungen auf entge-<lb/>
gengesetzte Weise verhalten. 1) Die Einstülpungsbildungen ent-<lb/>
sprechen der zweiten Abtheilung der Ausstülpungsbildungen, näm-<lb/>
lich derjenigen, in welcher keine Verdickung, sondern eine blo&#x017F;se,<lb/>
seitliche Verlängerung des Darmrohres Statt findet. Wie hier<lb/>
die Höhlung von innen nach au&#x017F;sen vorschreitet, so dort von au-<lb/>
&#x017F;sen nach innen; wie hier der Anfangspunkt der Höhlung Aus-<lb/>
gangspunkt der Höhlung ist, so ist es dort der Endpunkt. Nur<lb/>
die Differenz mu&#x017F;s Statt finden, da&#x017F;s die Ausstülpungsbildung nach<lb/>
au&#x017F;sen sich blind endigen, die Einstülpungsbildungen dagegen sich<lb/>
mit ihrem Endpunkte nach innen wendend, das Schleimblatt oder<lb/>
das seröse Blatt allein oder beide zugleich afficiren und mit ih-<lb/>
nen (durch ihren frühen Endpunkt) in offener Communication ste-<lb/>
hen. Zu dieser Reihe von Bildungen gehören die Sinnesorgane und<lb/>
gewissermaa&#x017F;sen der Mund und der After. Das Auge tritt nur mit<lb/>
dem serösen Blatte in Berührung; das Ohr mit seiner inneren Ab-<lb/>
theilung mit dem serösen Blatte allein, mit seiner äu&#x017F;seren dagegen<lb/>
mit dem Schleim- und dem serösen Blatte zugleich. Wir haben<lb/>
daher diese beiden höheren Sinnesorgaue als Anhang des serösen<lb/>
Blattes schon oben abgehandelt. Die Nase kommt zwar eben-<lb/>
falls mit ihrer inneren Abtheilung, dem Labyrinthe, mit dem<lb/>
serösen Blatte allein in Contact, ihre grö&#x017F;sere, wenn auch nicht<lb/>
gerade wichtigere Abtheilung dagegen mit diesem und dem Schleim-<lb/>
blatte. Mund und After endlich gehen fast nur von dem serösen<lb/>
Blatte aus und liegen im Uebrigen gänzlich in der Region des<lb/>
Schleimblattes. Ja das eigentliche Sinnesorgan des Mundes, die<lb/>
Zunge, scheint grö&#x017F;stentheils ein Product des Schleimblattes (we-<lb/>
nigstens ihrer Hauptmasse nach) zu seyn. 2) Die Einfurchungen<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[475/0503] Einfurchungsbildungen. A. Einfurchungsbildungen. Auch hier kann man, wie wir es oben von den Ausstül- pungsbildungen angedeutet haben, zwei Formationsreihen von ein- ander unterscheiden, nämlich 1. die Einstülpungsbildungen und 2. die Einfurchungsbildungen im engeren Sinne. Wir werden der Deutlichkeit wegen und um uns des bloſsen logischen Distin- guirens für fernerhin zu entledigen, die Charaktere der beiden parallelen Unterabtheilungen der zwei Hauptklassen angeben und einander gegenüberstellen. Da die Einfurchungsbildungen gewis- sermaaſsen das Entgegengesetzte der Ausstülpungsbildungen sind, so werden sich auch die parallelen Unterabtheilungen auf entge- gengesetzte Weise verhalten. 1) Die Einstülpungsbildungen ent- sprechen der zweiten Abtheilung der Ausstülpungsbildungen, näm- lich derjenigen, in welcher keine Verdickung, sondern eine bloſse, seitliche Verlängerung des Darmrohres Statt findet. Wie hier die Höhlung von innen nach auſsen vorschreitet, so dort von au- ſsen nach innen; wie hier der Anfangspunkt der Höhlung Aus- gangspunkt der Höhlung ist, so ist es dort der Endpunkt. Nur die Differenz muſs Statt finden, daſs die Ausstülpungsbildung nach auſsen sich blind endigen, die Einstülpungsbildungen dagegen sich mit ihrem Endpunkte nach innen wendend, das Schleimblatt oder das seröse Blatt allein oder beide zugleich afficiren und mit ih- nen (durch ihren frühen Endpunkt) in offener Communication ste- hen. Zu dieser Reihe von Bildungen gehören die Sinnesorgane und gewissermaaſsen der Mund und der After. Das Auge tritt nur mit dem serösen Blatte in Berührung; das Ohr mit seiner inneren Ab- theilung mit dem serösen Blatte allein, mit seiner äuſseren dagegen mit dem Schleim- und dem serösen Blatte zugleich. Wir haben daher diese beiden höheren Sinnesorgaue als Anhang des serösen Blattes schon oben abgehandelt. Die Nase kommt zwar eben- falls mit ihrer inneren Abtheilung, dem Labyrinthe, mit dem serösen Blatte allein in Contact, ihre gröſsere, wenn auch nicht gerade wichtigere Abtheilung dagegen mit diesem und dem Schleim- blatte. Mund und After endlich gehen fast nur von dem serösen Blatte aus und liegen im Uebrigen gänzlich in der Region des Schleimblattes. Ja das eigentliche Sinnesorgan des Mundes, die Zunge, scheint gröſstentheils ein Product des Schleimblattes (we- nigstens ihrer Hauptmasse nach) zu seyn. 2) Die Einfurchungen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/503
Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/503>, abgerufen am 25.04.2024.