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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Von dem Embryo.
einzuschalten. Wir folgen hier den neuesten Erfahrungen Rathke's
(anatomisch-philosophische Untersuchungen über den Kiemenappa-
rat und das Zungenbein der Wirbelthiere. 1832. 4. S. 40--45.),
welcher seine über alle vier Klassen der Wirbelthiere gemachten
Beobachtungen ausführlich mitgetheilt hat. Nach ihm ist das
Verhältniss in den beiden höheren Thierklassen folgendes: Bei
den Vögeln und Säugethieren finden sich zwar nur vier Kiemen-
spalten und daher eben so viele distincte Kiemenbogen. Da aber
dicht hinter der hintersten Spalte ein dem Ursprunge und dem
Verlaufe nach ähnliches Kiemengefäss existirt, so darf man an-
nehmen, dass auch hier fünf Kiemenbogen vorkommen, von denen
die hinterste, wie bei Gadus Aeglifinus und mehreren anderen
Fischen sich von den übrigen Körpertheilen noch nicht getrennt
hat. Die beiden vordersten Kiemenbogen verwachsen nun bald
mit einander zu einem auf ihrer äusseren sowohl, als ihrer inne-
ren Fläche mit einer Furche versehenen Halbgürtel zusammen,
welcher dem Gebilde analog ist, aus welchen sich bei den Fischen
Unterkiefer und Zungenbein bilden. Nun erscheinen in allen über
den Batrachiern stehenden Thieren in den beiden Bogen des zwei-
ten Paares zwei sulzig-knorpelige Fäden, welche an die künfti-
gen Schläfenbeine angrenzen und an der Bauchseite unmittelbar
in einander übergehen. Auf diese Weise wird nun ein ununter-
brochener Halbgürtel gebildet. Dieser theilt sich bei den Vögeln,
indem er verknorpelt, in fünf in einer einfachen Reihe liegende
Theile, und zwar in vier paarige und einen zwischen ihnen lie-
genden unpaarigen. Der mittlere verlängert sich nach vorn und
nach hinten und theilt sich allmählig in einen vorderen, in die
Zunge eindringenden, und in einen hinteren, gegen den Kehlkopf
gewendeten Knorpel. Dieser letztere wird zu dem Körper des
Zungenbeines, die ihm zur Seite liegenden paarigen Theile aber
zu den Hörnern des Zungenbeines. -- In den Säugethieren bildet
sich mit dem eben erwähnten, dem Zungenbeine der Gräthenfische,
Schlangen und Vögel entsprechenden Halbgürtel ein zweiter, dicht
hinter ihm liegender, kürzerer aus, welcher anfangs ebenfalls
eine sulzig-knorpelige Beschaffenheit hat. Beide hängen bei wei-
terer Ausbildung innig zusammen und sind nur durch eine seichte
Furche von einander getrennt. Bald aber nimmt der mittlere
Theil des hinteren Halbgürtels bedeutend zu, während der mitt-
lere Theil des vorderen Halbgürtels abnimmt und zuletzt ganz

Von dem Embryo.
einzuschalten. Wir folgen hier den neuesten Erfahrungen Rathke’s
(anatomisch-philosophische Untersuchungen über den Kiemenappa-
rat und das Zungenbein der Wirbelthiere. 1832. 4. S. 40—45.),
welcher seine über alle vier Klassen der Wirbelthiere gemachten
Beobachtungen ausführlich mitgetheilt hat. Nach ihm ist das
Verhältniſs in den beiden höheren Thierklassen folgendes: Bei
den Vögeln und Säugethieren finden sich zwar nur vier Kiemen-
spalten und daher eben so viele distincte Kiemenbogen. Da aber
dicht hinter der hintersten Spalte ein dem Ursprunge und dem
Verlaufe nach ähnliches Kiemengefäſs existirt, so darf man an-
nehmen, daſs auch hier fünf Kiemenbogen vorkommen, von denen
die hinterste, wie bei Gadus Aeglifinus und mehreren anderen
Fischen sich von den übrigen Körpertheilen noch nicht getrennt
hat. Die beiden vordersten Kiemenbogen verwachsen nun bald
mit einander zu einem auf ihrer äuſseren sowohl, als ihrer inne-
ren Fläche mit einer Furche versehenen Halbgürtel zusammen,
welcher dem Gebilde analog ist, aus welchen sich bei den Fischen
Unterkiefer und Zungenbein bilden. Nun erscheinen in allen über
den Batrachiern stehenden Thieren in den beiden Bogen des zwei-
ten Paares zwei sulzig-knorpelige Fäden, welche an die künfti-
gen Schläfenbeine angrenzen und an der Bauchseite unmittelbar
in einander übergehen. Auf diese Weise wird nun ein ununter-
brochener Halbgürtel gebildet. Dieser theilt sich bei den Vögeln,
indem er verknorpelt, in fünf in einer einfachen Reihe liegende
Theile, und zwar in vier paarige und einen zwischen ihnen lie-
genden unpaarigen. Der mittlere verlängert sich nach vorn und
nach hinten und theilt sich allmählig in einen vorderen, in die
Zunge eindringenden, und in einen hinteren, gegen den Kehlkopf
gewendeten Knorpel. Dieser letztere wird zu dem Körper des
Zungenbeines, die ihm zur Seite liegenden paarigen Theile aber
zu den Hörnern des Zungenbeines. — In den Säugethieren bildet
sich mit dem eben erwähnten, dem Zungenbeine der Gräthenfische,
Schlangen und Vögel entsprechenden Halbgürtel ein zweiter, dicht
hinter ihm liegender, kürzerer aus, welcher anfangs ebenfalls
eine sulzig-knorpelige Beschaffenheit hat. Beide hängen bei wei-
terer Ausbildung innig zusammen und sind nur durch eine seichte
Furche von einander getrennt. Bald aber nimmt der mittlere
Theil des hinteren Halbgürtels bedeutend zu, während der mitt-
lere Theil des vorderen Halbgürtels abnimmt und zuletzt ganz

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[494/0522] Von dem Embryo. einzuschalten. Wir folgen hier den neuesten Erfahrungen Rathke’s (anatomisch-philosophische Untersuchungen über den Kiemenappa- rat und das Zungenbein der Wirbelthiere. 1832. 4. S. 40—45.), welcher seine über alle vier Klassen der Wirbelthiere gemachten Beobachtungen ausführlich mitgetheilt hat. Nach ihm ist das Verhältniſs in den beiden höheren Thierklassen folgendes: Bei den Vögeln und Säugethieren finden sich zwar nur vier Kiemen- spalten und daher eben so viele distincte Kiemenbogen. Da aber dicht hinter der hintersten Spalte ein dem Ursprunge und dem Verlaufe nach ähnliches Kiemengefäſs existirt, so darf man an- nehmen, daſs auch hier fünf Kiemenbogen vorkommen, von denen die hinterste, wie bei Gadus Aeglifinus und mehreren anderen Fischen sich von den übrigen Körpertheilen noch nicht getrennt hat. Die beiden vordersten Kiemenbogen verwachsen nun bald mit einander zu einem auf ihrer äuſseren sowohl, als ihrer inne- ren Fläche mit einer Furche versehenen Halbgürtel zusammen, welcher dem Gebilde analog ist, aus welchen sich bei den Fischen Unterkiefer und Zungenbein bilden. Nun erscheinen in allen über den Batrachiern stehenden Thieren in den beiden Bogen des zwei- ten Paares zwei sulzig-knorpelige Fäden, welche an die künfti- gen Schläfenbeine angrenzen und an der Bauchseite unmittelbar in einander übergehen. Auf diese Weise wird nun ein ununter- brochener Halbgürtel gebildet. Dieser theilt sich bei den Vögeln, indem er verknorpelt, in fünf in einer einfachen Reihe liegende Theile, und zwar in vier paarige und einen zwischen ihnen lie- genden unpaarigen. Der mittlere verlängert sich nach vorn und nach hinten und theilt sich allmählig in einen vorderen, in die Zunge eindringenden, und in einen hinteren, gegen den Kehlkopf gewendeten Knorpel. Dieser letztere wird zu dem Körper des Zungenbeines, die ihm zur Seite liegenden paarigen Theile aber zu den Hörnern des Zungenbeines. — In den Säugethieren bildet sich mit dem eben erwähnten, dem Zungenbeine der Gräthenfische, Schlangen und Vögel entsprechenden Halbgürtel ein zweiter, dicht hinter ihm liegender, kürzerer aus, welcher anfangs ebenfalls eine sulzig-knorpelige Beschaffenheit hat. Beide hängen bei wei- terer Ausbildung innig zusammen und sind nur durch eine seichte Furche von einander getrennt. Bald aber nimmt der mittlere Theil des hinteren Halbgürtels bedeutend zu, während der mitt- lere Theil des vorderen Halbgürtels abnimmt und zuletzt ganz

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/522>, abgerufen am 19.04.2024.