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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.
ken nennt Chorion, Amnion und Allantois und deutet vielleicht
nur an einer Stelle auf die decidua hin. Rouhault kannte sie
wahrscheinlich von dem Menschen. Eben so Haller und Stalpart
van der Wiel, welcher Letztere sie für eine Fortsetzung des Cho-
rion ausgiebt. Albinus hat nur undeutliche Begriffe von ihr und
bei Böhmer kommt sie unter dem Namen substantia Fibro-spon-
giosa
vor (Breschet l. c. p. 3--14.). Aus unserer Lecture dage-
gen glauben wir entnehmen zu können, dass Ruysch und Albinus
die Haut wenigstens theilweise gekannt haben. -- W. Hunter hat
unstreitig das grosse Verdienst, ihre Existenz als gesondertes Ge-
bilde nicht nur ausgesprochen, sondern auch zuerst mit Sicherheit
dargethan zu haben, dass die hinfällige Haut aus zwei in einan-
der gesackten Membranen bestehe, von denen er die äussere wahre
hinfällige Haut, Membrana decidua vera, die innere umgeschla-
gene, hinfällige Haut, Membrana decidua reflexa, nannte. (Ana-
tomie des schwangeren Uterus übers. von Froriep. S. 78.). Durch
diese Arbeit auf diese Membran gelenkt, bestätigten fast alle Ana-
tomen die Angaben des englischen Naturforschers. Nur Jörg (l.
c. S. 21.), Samuel (l. c. p. 61.), Maygrier (bei Breschet l. c. p.
63.) u. A., so wie Seiler nach einer früheren Darstellung (Pie-
rers anatomisch-physiologisches Realwörterbuch Bd. II. Leipz.
1818. S. 459.) läugneten die Reflexa. Maygrier (bei Breschet l.
c. p. 63.) hielt die von Hunter beschriebene decidua für die äu-
sserste Lamelle des Chorion, eine Ansicht, welche vor W. Hun-
ters Darstellung in der Hallerschen Schule besonders verbreitet
war und die in neuester Zeit bei Granville (Froriep jun. in Cas-
per's Wochenschrift 1834. S. 373.) wiederkehrt. Osiander da-
gegen unterschied zwischen der Membrana decidua vera oder
seiner Membrana mucosa und Membrana decidua reflexa
oder seiner Membrana crassa noch ein drittes Blatt als so-
genannte Membrana cribrosa. Endlich hat Dutrochet (s.
Velpeau Embryologie p. 2.) die Anwesenheit der decidua gänz-
lich geläugnet, während Chaussier unter seinem epichorion ca-
duca vera
und reflexa begreift (bei Breschet p 40.). -- Durch
Bojanus (Isis 18. 21. S. 268.) wurde, wie später genauer noch
dargestellt werden soll, die Annahme eines dritten eigenen Blattes,
welches Manche vor ihm schon geahndet hatten, wahrscheinlich ge-
macht und für dasselbe der Namen decidua serotina vorgeschla-
gen. Dieser Name wurde von den meisten späteren auch ange-

III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.
ken nennt Chorion, Amnion und Allantois und deutet vielleicht
nur an einer Stelle auf die decidua hin. Rouhault kannte sie
wahrscheinlich von dem Menschen. Eben so Haller und Stalpart
van der Wiel, welcher Letztere sie für eine Fortsetzung des Cho-
rion ausgiebt. Albinus hat nur undeutliche Begriffe von ihr und
bei Böhmer kommt sie unter dem Namen substantia Fibro-spon-
giosa
vor (Breschet l. c. p. 3—14.). Aus unserer Lecture dage-
gen glauben wir entnehmen zu können, daſs Ruysch und Albinus
die Haut wenigstens theilweise gekannt haben. — W. Hunter hat
unstreitig das groſse Verdienst, ihre Existenz als gesondertes Ge-
bilde nicht nur ausgesprochen, sondern auch zuerst mit Sicherheit
dargethan zu haben, daſs die hinfällige Haut aus zwei in einan-
der gesackten Membranen bestehe, von denen er die äuſsere wahre
hinfällige Haut, Membrana decidua vera, die innere umgeschla-
gene, hinfällige Haut, Membrana decidua reflexa, nannte. (Ana-
tomie des schwangeren Uterus übers. von Froriep. S. 78.). Durch
diese Arbeit auf diese Membran gelenkt, bestätigten fast alle Ana-
tomen die Angaben des englischen Naturforschers. Nur Jörg (l.
c. S. 21.), Samuel (l. c. p. 61.), Maygrier (bei Breschet l. c. p.
63.) u. A., so wie Seiler nach einer früheren Darstellung (Pie-
rers anatomisch-physiologisches Realwörterbuch Bd. II. Leipz.
1818. S. 459.) läugneten die Reflexa. Maygrier (bei Breschet l.
c. p. 63.) hielt die von Hunter beschriebene decidua für die äu-
ſserste Lamelle des Chorion, eine Ansicht, welche vor W. Hun-
ters Darstellung in der Hallerschen Schule besonders verbreitet
war und die in neuester Zeit bei Granville (Froriep jun. in Cas-
per’s Wochenschrift 1834. S. 373.) wiederkehrt. Osiander da-
gegen unterschied zwischen der Membrana decidua vera oder
seiner Membrana mucosa und Membrana decidua reflexa
oder seiner Membrana crassa noch ein drittes Blatt als so-
genannte Membrana cribrosa. Endlich hat Dutrochet (s.
Velpeau Embryologie p. 2.) die Anwesenheit der decidua gänz-
lich geläugnet, während Chaussier unter seinem epichorion ca-
duca vera
und reflexa begreift (bei Breschet p 40.). — Durch
Bojanus (Isis 18. 21. S. 268.) wurde, wie später genauer noch
dargestellt werden soll, die Annahme eines dritten eigenen Blattes,
welches Manche vor ihm schon geahndet hatten, wahrscheinlich ge-
macht und für dasselbe der Namen decidua serotina vorgeschla-
gen. Dieser Name wurde von den meisten späteren auch ange-

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[52/0080] III. Das Ei während der Fruchtentwickelung. ken nennt Chorion, Amnion und Allantois und deutet vielleicht nur an einer Stelle auf die decidua hin. Rouhault kannte sie wahrscheinlich von dem Menschen. Eben so Haller und Stalpart van der Wiel, welcher Letztere sie für eine Fortsetzung des Cho- rion ausgiebt. Albinus hat nur undeutliche Begriffe von ihr und bei Böhmer kommt sie unter dem Namen substantia Fibro-spon- giosa vor (Breschet l. c. p. 3—14.). Aus unserer Lecture dage- gen glauben wir entnehmen zu können, daſs Ruysch und Albinus die Haut wenigstens theilweise gekannt haben. — W. Hunter hat unstreitig das groſse Verdienst, ihre Existenz als gesondertes Ge- bilde nicht nur ausgesprochen, sondern auch zuerst mit Sicherheit dargethan zu haben, daſs die hinfällige Haut aus zwei in einan- der gesackten Membranen bestehe, von denen er die äuſsere wahre hinfällige Haut, Membrana decidua vera, die innere umgeschla- gene, hinfällige Haut, Membrana decidua reflexa, nannte. (Ana- tomie des schwangeren Uterus übers. von Froriep. S. 78.). Durch diese Arbeit auf diese Membran gelenkt, bestätigten fast alle Ana- tomen die Angaben des englischen Naturforschers. Nur Jörg (l. c. S. 21.), Samuel (l. c. p. 61.), Maygrier (bei Breschet l. c. p. 63.) u. A., so wie Seiler nach einer früheren Darstellung (Pie- rers anatomisch-physiologisches Realwörterbuch Bd. II. Leipz. 1818. S. 459.) läugneten die Reflexa. Maygrier (bei Breschet l. c. p. 63.) hielt die von Hunter beschriebene decidua für die äu- ſserste Lamelle des Chorion, eine Ansicht, welche vor W. Hun- ters Darstellung in der Hallerschen Schule besonders verbreitet war und die in neuester Zeit bei Granville (Froriep jun. in Cas- per’s Wochenschrift 1834. S. 373.) wiederkehrt. Osiander da- gegen unterschied zwischen der Membrana decidua vera oder seiner Membrana mucosa und Membrana decidua reflexa oder seiner Membrana crassa noch ein drittes Blatt als so- genannte Membrana cribrosa. Endlich hat Dutrochet (s. Velpeau Embryologie p. 2.) die Anwesenheit der decidua gänz- lich geläugnet, während Chaussier unter seinem epichorion ca- duca vera und reflexa begreift (bei Breschet p 40.). — Durch Bojanus (Isis 18. 21. S. 268.) wurde, wie später genauer noch dargestellt werden soll, die Annahme eines dritten eigenen Blattes, welches Manche vor ihm schon geahndet hatten, wahrscheinlich ge- macht und für dasselbe der Namen decidua serotina vorgeschla- gen. Dieser Name wurde von den meisten späteren auch ange-

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/80>, abgerufen am 29.03.2024.