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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.
zu bestimmen, wenn er die Meinung ausspricht, dass die decidua
die höher ausgebildete Schleimhaut des Uterus sey, da er gleich-
sam zur Bestättigung am Schlusse des Hundes und der Katze er-
wähnt, in welchen die Gefässe sehr lange Zeit persistirten. Seiler
endlich (die Gebärmutter und das Ei des Menschen S. 28.) scheint
nur durch Beobachtung am Menschen zu seinem hierher gehören-
den Ausspruche gekommen zu seyn. Nach ihm lockert sich die
Schleimhaut in Folge der Befruchtung auf, ihre Blutgefässe wer-
den ausgedehnt und ihr Zusammenhang mit der Faser- und Ge-
fässsubstanz geringer. 2. Die decidua ist eine eigenthümliche
Bildung und zwar die einzige eigenthümliche Formation des Frucht-
hälters selbst in seinem Innern. Zu dieser die Paradoxie auf das
Weiteste treibenden Ansicht kam Chaussier (bei Breschet S. 38
-- 40.). Er nimmt keine Schleimhaut auf der inneren Fläche der
Gebärmutter an. Bisweilen aber finde man auf ihr eine durch-
sichtige und weiche Lage, welche durch Maceration oder Tren-
nung entfernt werden könne und immer eine einfache aus dem
Faserstoffe des Blutes bestehende (couenneuse) Concretion sey.
Sie bilde sich, wie jede andere Pseudomembran in Folge einer
höheren Reizung, aus der inneren Fläche des Uterus und fasse,
als sein sogenanntes Epichorion, die Caduca vera und reflexa
in sich. 3. Die decidua vera besteht als ein eigenthümliches
Gebilde innerhalb des Fruchthälters und zunächst innerhalb der
Schleimhaut desselben und zwar a. diese Schleimhaut scheidet
sie nach der Analogie anderer entzündeter Häute, wie z. B.
der trachea, in Form plastischer Exfudationen aus. W. Hunter
(anat. Beschreib. des schwang. Uterus S. 80.) vergleicht schon die
decidua mit der Schicht coagulabler Lymphe, welche sich auf
entzündeten Oberflächen bildet. Denn beide seyen zart, markig
und von gelblich weisser Farbe und hätten sehr viele Blutgefässe.
Auch dadurch, dass die Gefässe des Uterus sich nach der Befruch-
tung sehr füllten, sey eine gewisse Aehnlichkeit mit einem ent-
zündlichen Zustande vorhanden. Doch finde der Unterschied Statt,
dass die durch Entzündung entstandene Membran sich nach und
nach in eine feste, aus Zellstoff bestehende Haut verwandele, die
decidua aber immer ein eigenthümliches Gebilde bleibe. Seine
Nachfolger übersahen diesen Unterschied und so nannten Danz
(l. c. I. S. 18.), Blumenbach (institutiones physiol. ed. II. p.
437.), E. Siebold (bei Breschet S. 30.) u. A., sie geradezu eine

durch

III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.
zu bestimmen, wenn er die Meinung ausspricht, daſs die decidua
die höher ausgebildete Schleimhaut des Uterus sey, da er gleich-
sam zur Bestättigung am Schlusse des Hundes und der Katze er-
wähnt, in welchen die Gefäſse sehr lange Zeit persistirten. Seiler
endlich (die Gebärmutter und das Ei des Menschen S. 28.) scheint
nur durch Beobachtung am Menschen zu seinem hierher gehören-
den Ausspruche gekommen zu seyn. Nach ihm lockert sich die
Schleimhaut in Folge der Befruchtung auf, ihre Blutgefäſse wer-
den ausgedehnt und ihr Zusammenhang mit der Faser- und Ge-
fäſssubstanz geringer. 2. Die decidua ist eine eigenthümliche
Bildung und zwar die einzige eigenthümliche Formation des Frucht-
hälters selbst in seinem Innern. Zu dieser die Paradoxie auf das
Weiteste treibenden Ansicht kam Chaussier (bei Breschet S. 38
— 40.). Er nimmt keine Schleimhaut auf der inneren Fläche der
Gebärmutter an. Bisweilen aber finde man auf ihr eine durch-
sichtige und weiche Lage, welche durch Maceration oder Tren-
nung entfernt werden könne und immer eine einfache aus dem
Faserstoffe des Blutes bestehende (couenneuse) Concretion sey.
Sie bilde sich, wie jede andere Pseudomembran in Folge einer
höheren Reizung, aus der inneren Fläche des Uterus und faſse,
als sein sogenanntes Epichorion, die Caduca vera und reflexa
in sich. 3. Die decidua vera besteht als ein eigenthümliches
Gebilde innerhalb des Fruchthälters und zunächst innerhalb der
Schleimhaut desselben und zwar α. diese Schleimhaut scheidet
sie nach der Analogie anderer entzündeter Häute, wie z. B.
der trachea, in Form plastischer Exfudationen aus. W. Hunter
(anat. Beschreib. des schwang. Uterus S. 80.) vergleicht schon die
decidua mit der Schicht coagulabler Lymphe, welche sich auf
entzündeten Oberflächen bildet. Denn beide seyen zart, markig
und von gelblich weiſser Farbe und hätten sehr viele Blutgefäſse.
Auch dadurch, daſs die Gefäſse des Uterus sich nach der Befruch-
tung sehr füllten, sey eine gewisse Aehnlichkeit mit einem ent-
zündlichen Zustande vorhanden. Doch finde der Unterschied Statt,
daſs die durch Entzündung entstandene Membran sich nach und
nach in eine feste, aus Zellstoff bestehende Haut verwandele, die
decidua aber immer ein eigenthümliches Gebilde bleibe. Seine
Nachfolger übersahen diesen Unterschied und so nannten Danz
(l. c. I. S. 18.), Blumenbach (institutiones physiol. ed. II. p.
437.), E. Siebold (bei Breschet S. 30.) u. A., sie geradezu eine

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[64/0092] III. Das Ei während der Fruchtentwickelung. zu bestimmen, wenn er die Meinung ausspricht, daſs die decidua die höher ausgebildete Schleimhaut des Uterus sey, da er gleich- sam zur Bestättigung am Schlusse des Hundes und der Katze er- wähnt, in welchen die Gefäſse sehr lange Zeit persistirten. Seiler endlich (die Gebärmutter und das Ei des Menschen S. 28.) scheint nur durch Beobachtung am Menschen zu seinem hierher gehören- den Ausspruche gekommen zu seyn. Nach ihm lockert sich die Schleimhaut in Folge der Befruchtung auf, ihre Blutgefäſse wer- den ausgedehnt und ihr Zusammenhang mit der Faser- und Ge- fäſssubstanz geringer. 2. Die decidua ist eine eigenthümliche Bildung und zwar die einzige eigenthümliche Formation des Frucht- hälters selbst in seinem Innern. Zu dieser die Paradoxie auf das Weiteste treibenden Ansicht kam Chaussier (bei Breschet S. 38 — 40.). Er nimmt keine Schleimhaut auf der inneren Fläche der Gebärmutter an. Bisweilen aber finde man auf ihr eine durch- sichtige und weiche Lage, welche durch Maceration oder Tren- nung entfernt werden könne und immer eine einfache aus dem Faserstoffe des Blutes bestehende (couenneuse) Concretion sey. Sie bilde sich, wie jede andere Pseudomembran in Folge einer höheren Reizung, aus der inneren Fläche des Uterus und faſse, als sein sogenanntes Epichorion, die Caduca vera und reflexa in sich. 3. Die decidua vera besteht als ein eigenthümliches Gebilde innerhalb des Fruchthälters und zunächst innerhalb der Schleimhaut desselben und zwar α. diese Schleimhaut scheidet sie nach der Analogie anderer entzündeter Häute, wie z. B. der trachea, in Form plastischer Exfudationen aus. W. Hunter (anat. Beschreib. des schwang. Uterus S. 80.) vergleicht schon die decidua mit der Schicht coagulabler Lymphe, welche sich auf entzündeten Oberflächen bildet. Denn beide seyen zart, markig und von gelblich weiſser Farbe und hätten sehr viele Blutgefäſse. Auch dadurch, daſs die Gefäſse des Uterus sich nach der Befruch- tung sehr füllten, sey eine gewisse Aehnlichkeit mit einem ent- zündlichen Zustande vorhanden. Doch finde der Unterschied Statt, daſs die durch Entzündung entstandene Membran sich nach und nach in eine feste, aus Zellstoff bestehende Haut verwandele, die decidua aber immer ein eigenthümliches Gebilde bleibe. Seine Nachfolger übersahen diesen Unterschied und so nannten Danz (l. c. I. S. 18.), Blumenbach (institutiones physiol. ed. II. p. 437.), E. Siebold (bei Breschet S. 30.) u. A., sie geradezu eine durch

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/92>, abgerufen am 24.04.2024.