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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

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unter der Staubhülle an himmlische Reinheit, gern und
heitrer alsbald, sich Herzensdemuth.

* Des Menschen Seele
Gleicht dem Wasser:
Vom Himmel kommt es,
Zum Himmel steigt es,
Und wieder nieder
Zur Erde muß es,
Ewig wechselnd.

Goethe.
8. Fernspur und Fußraum.

Auf unbegränztem Zeitenmeere gehorcht des Mensch¬
thums Entdeckungsfahrt unserm engen Regelsinne zwar
nicht: doch bedarf im sterblichen Leben der Gattungs¬
keime vielartiges Saatfeld mancher eindämmenden Schutz¬
wehr; uns Erdbewohnern heißend, gesetzliche Freiheit
des Bürgers: drum erweitert mehr sich diese und mehr
durch wachsende Kunst unsers Fernblicks; prüft Recht
und Pflicht aller sinnlichen Waltung, bis ausgemessen,
abgewogen dastehn, für lebende Bürgerwelt, des jüngst¬
gebildeten Tages rechtliche Hemmkraft; härter nie zügelnd,
als heut noch billig, denn sinnlichen Zögling geistiger
Ewigkeit. *

* Bedürfniß, Noth und Gefahr, trieben zwischen des
Mittelalters Ritter- und Pfaffenthum einen dritten Stand her¬
vor, der gleichsam das arme Blut unsers großen, wirksamen
Staatenkörpers sein muß, oder es fällt der Körper in Verwesung.

unter der Staubhuͤlle an himmliſche Reinheit, gern und
heitrer alsbald, ſich Herzensdemuth.

* Des Menſchen Seele
Gleicht dem Waſſer:
Vom Himmel kommt es,
Zum Himmel ſteigt es,
Und wieder nieder
Zur Erde muß es,
Ewig wechſelnd.

Goethe.
8. Fernſpur und Fußraum.

Auf unbegraͤnztem Zeitenmeere gehorcht des Menſch¬
thums Entdeckungsfahrt unſerm engen Regelſinne zwar
nicht: doch bedarf im ſterblichen Leben der Gattungs¬
keime vielartiges Saatfeld mancher eindaͤmmenden Schutz¬
wehr; uns Erdbewohnern heißend, geſetzliche Freiheit
des Buͤrgers: drum erweitert mehr ſich dieſe und mehr
durch wachſende Kunſt unſers Fernblicks; pruͤft Recht
und Pflicht aller ſinnlichen Waltung, bis ausgemeſſen,
abgewogen daſtehn, fuͤr lebende Buͤrgerwelt, des juͤngſt¬
gebildeten Tages rechtliche Hemmkraft; haͤrter nie zuͤgelnd,
als heut noch billig, denn ſinnlichen Zoͤgling geiſtiger
Ewigkeit. *

* Bedürfniß, Noth und Gefahr, trieben zwiſchen des
Mittelalters Ritter- und Pfaffenthum einen dritten Stand her¬
vor, der gleichſam das arme Blut unſers großen, wirkſamen
Staatenkörpers ſein muß, oder es fällt der Körper in Verweſung.
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[185/0199] unter der Staubhuͤlle an himmliſche Reinheit, gern und heitrer alsbald, ſich Herzensdemuth. * Des Menſchen Seele Gleicht dem Waſſer: Vom Himmel kommt es, Zum Himmel ſteigt es, Und wieder nieder Zur Erde muß es, Ewig wechſelnd. Goethe. 8. Fernſpur und Fußraum. Auf unbegraͤnztem Zeitenmeere gehorcht des Menſch¬ thums Entdeckungsfahrt unſerm engen Regelſinne zwar nicht: doch bedarf im ſterblichen Leben der Gattungs¬ keime vielartiges Saatfeld mancher eindaͤmmenden Schutz¬ wehr; uns Erdbewohnern heißend, geſetzliche Freiheit des Buͤrgers: drum erweitert mehr ſich dieſe und mehr durch wachſende Kunſt unſers Fernblicks; pruͤft Recht und Pflicht aller ſinnlichen Waltung, bis ausgemeſſen, abgewogen daſtehn, fuͤr lebende Buͤrgerwelt, des juͤngſt¬ gebildeten Tages rechtliche Hemmkraft; haͤrter nie zuͤgelnd, als heut noch billig, denn ſinnlichen Zoͤgling geiſtiger Ewigkeit. * * Bedürfniß, Noth und Gefahr, trieben zwiſchen des Mittelalters Ritter- und Pfaffenthum einen dritten Stand her¬ vor, der gleichſam das arme Blut unſers großen, wirkſamen Staatenkörpers ſein muß, oder es fällt der Körper in Verweſung.

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/199>, abgerufen am 29.03.2024.