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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

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hören zu müssen. Dieser ist nun endlich gefunden!
Allerdings eines ältern und gewiß edlen Dichters, aber
keines tragischen, sondern eines heiter-anmuthigen, bei
dem man sie wohl am wenigsten gesucht hätte! Die
beiden Zeilen sind von Jean de La Fontaine, dem lie¬
benswürdigen Fabeldichter; aber freilich aus einem Ge¬
dichte, das weniger gelesen wird als seine Fabeln,
obwohl es ihn als Menschen höchlich ehrt und seines
Dichterruhms keineswegs unwürdig ist. Er war ein
treuer Anhänger des von Ludwig's des Vierzehnten
Ungnade hart getroffenen und grausam verfolgten Finanz¬
ministers Fouquet, zu dessen Gunsten er ein schönes
elegisches Gedicht herauszugeben wagte, und auf das
harte Geschick des Gefallenen jene beiden Verse an¬
wandte, die allerdings die reinste menschliche Gesinnung
athmen und die schönste sittliche Milde gleichsam in
einer Naturbetrachtung schöpfen.


hoͤren zu muͤſſen. Dieſer iſt nun endlich gefunden!
Allerdings eines aͤltern und gewiß edlen Dichters, aber
keines tragiſchen, ſondern eines heiter-anmuthigen, bei
dem man ſie wohl am wenigſten geſucht haͤtte! Die
beiden Zeilen ſind von Jean de La Fontaine, dem lie¬
benswuͤrdigen Fabeldichter; aber freilich aus einem Ge¬
dichte, das weniger geleſen wird als ſeine Fabeln,
obwohl es ihn als Menſchen hoͤchlich ehrt und ſeines
Dichterruhms keineswegs unwuͤrdig iſt. Er war ein
treuer Anhaͤnger des von Ludwig's des Vierzehnten
Ungnade hart getroffenen und grauſam verfolgten Finanz¬
miniſters Fouquet, zu deſſen Gunſten er ein ſchoͤnes
elegiſches Gedicht herauszugeben wagte, und auf das
harte Geſchick des Gefallenen jene beiden Verſe an¬
wandte, die allerdings die reinſte menſchliche Geſinnung
athmen und die ſchoͤnſte ſittliche Milde gleichſam in
einer Naturbetrachtung ſchoͤpfen.


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[502/0516] hoͤren zu muͤſſen. Dieſer iſt nun endlich gefunden! Allerdings eines aͤltern und gewiß edlen Dichters, aber keines tragiſchen, ſondern eines heiter-anmuthigen, bei dem man ſie wohl am wenigſten geſucht haͤtte! Die beiden Zeilen ſind von Jean de La Fontaine, dem lie¬ benswuͤrdigen Fabeldichter; aber freilich aus einem Ge¬ dichte, das weniger geleſen wird als ſeine Fabeln, obwohl es ihn als Menſchen hoͤchlich ehrt und ſeines Dichterruhms keineswegs unwuͤrdig iſt. Er war ein treuer Anhaͤnger des von Ludwig's des Vierzehnten Ungnade hart getroffenen und grauſam verfolgten Finanz¬ miniſters Fouquet, zu deſſen Gunſten er ein ſchoͤnes elegiſches Gedicht herauszugeben wagte, und auf das harte Geſchick des Gefallenen jene beiden Verſe an¬ wandte, die allerdings die reinſte menſchliche Geſinnung athmen und die ſchoͤnſte ſittliche Milde gleichſam in einer Naturbetrachtung ſchoͤpfen.

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/516>, abgerufen am 28.03.2024.