Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
3.
Nun ich einmal von dem Nichts, dem Alexis, gesagt, daß er
schön sei
Anzuschauen, und gleich wendet sich alles ihm zu;
Herz, was zeigest dem Hunde den Knochen du? bald ja der
Kummer

Nachkommt; klagest du nicht also den Phädros Verlust?
4.
Ich bin ein Apfel, und Liebe mich wirft, du aber, Xantippe,
Nicke mir hold; ich, du, beide verwelken wir so!
5.
Ich mit dem Apfel dich werfe; du nimm, wenn frei du mich
liebest,

Gern ihn, schenke dafür blühender Liebe Genuß;
Bist du jedoch mir gesinnt, wie du nie sein mögest, so nimm ihn
Dennoch, und schaue wie kurz währet die Jugendgestalt!
6.
Archeanassa besitz' ich, die Buhlin aus Kolophon, welcher
Auch in der faltigen Stirn zürnende Liebe noch wohnt;
Dieser zuerst abstreifend die Erstlingsblüthe der Jugend,
Durch welch flammende Gluth kamet ihr Liebende da!
7.
Ich hochmüthig vorher durch Hellas strahlende Lais,
Hegend im Vorhof sonst liebender Jünglinge Schwarm:
Weihe den Spiegel anitzt der Paphia, weil ich mich so nun
Sehen nicht will, wie vorher aber ich war, nun nicht kann.
3.
Nun ich einmal von dem Nichts, dem Alexis, geſagt, daß er
ſchoͤn ſei
Anzuſchauen, und gleich wendet ſich alles ihm zu;
Herz, was zeigeſt dem Hunde den Knochen du? bald ja der
Kummer

Nachkommt; klageſt du nicht alſo den Phaͤdros Verluſt?
4.
Ich bin ein Apfel, und Liebe mich wirft, du aber, Xantippe,
Nicke mir hold; ich, du, beide verwelken wir ſo!
5.
Ich mit dem Apfel dich werfe; du nimm, wenn frei du mich
liebeſt,

Gern ihn, ſchenke dafuͤr bluͤhender Liebe Genuß;
Biſt du jedoch mir geſinnt, wie du nie ſein moͤgeſt, ſo nimm ihn
Dennoch, und ſchaue wie kurz waͤhret die Jugendgeſtalt!
6.
Archeanaſſa beſitz’ ich, die Buhlin aus Kolophon, welcher
Auch in der faltigen Stirn zuͤrnende Liebe noch wohnt;
Dieſer zuerſt abſtreifend die Erſtlingsbluͤthe der Jugend,
Durch welch flammende Gluth kamet ihr Liebende da!
7.
Ich hochmuͤthig vorher durch Hellas ſtrahlende Laïs,
Hegend im Vorhof ſonſt liebender Juͤnglinge Schwarm:
Weihe den Spiegel anitzt der Paphia, weil ich mich ſo nun
Sehen nicht will, wie vorher aber ich war, nun nicht kann.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0494" n="480"/>
          </div>
          <div n="3">
            <head>3.<lb/></head>
            <lg type="poem">
              <l>Nun ich einmal von dem Nichts, dem Alexis, ge&#x017F;agt, daß er</l><lb/>
              <l>&#x017F;cho&#x0364;n &#x017F;ei</l><lb/>
              <l>Anzu&#x017F;chauen, und gleich wendet &#x017F;ich alles ihm zu;</l><lb/>
              <l>Herz, was zeige&#x017F;t dem Hunde den Knochen du? bald ja der<lb/><hi rendition="#et">Kummer</hi></l><lb/>
              <l>Nachkommt; klage&#x017F;t du nicht al&#x017F;o den Pha&#x0364;dros Verlu&#x017F;t?</l><lb/>
            </lg>
          </div>
          <div n="3">
            <head>4.<lb/></head>
            <lg type="poem">
              <l>Ich bin ein Apfel, und Liebe mich wirft, du aber, Xantippe,</l><lb/>
              <l>Nicke mir hold; ich, du, beide verwelken wir &#x017F;o!</l><lb/>
            </lg>
          </div>
          <div n="3">
            <head>5.<lb/></head>
            <lg type="poem">
              <l>Ich mit dem Apfel dich werfe; du nimm, wenn frei du mich<lb/><hi rendition="#et">liebe&#x017F;t,</hi></l><lb/>
              <l>Gern ihn, &#x017F;chenke dafu&#x0364;r blu&#x0364;hender Liebe Genuß;</l><lb/>
              <l>Bi&#x017F;t du jedoch mir ge&#x017F;innt, wie du nie &#x017F;ein mo&#x0364;ge&#x017F;t, &#x017F;o nimm ihn</l><lb/>
              <l>Dennoch, und &#x017F;chaue wie kurz wa&#x0364;hret die Jugendge&#x017F;talt!</l><lb/>
            </lg>
          </div>
          <div n="3">
            <head>6.<lb/></head>
            <lg type="poem">
              <l>Archeana&#x017F;&#x017F;a be&#x017F;itz&#x2019; ich, die Buhlin aus Kolophon, welcher</l><lb/>
              <l>Auch in der faltigen Stirn zu&#x0364;rnende Liebe noch wohnt;</l><lb/>
              <l>Die&#x017F;er zuer&#x017F;t ab&#x017F;treifend die Er&#x017F;tlingsblu&#x0364;the der Jugend,</l><lb/>
              <l>Durch welch flammende Gluth kamet ihr Liebende da!</l><lb/>
            </lg>
          </div>
          <div n="3">
            <head>7.<lb/></head>
            <lg type="poem">
              <l>Ich hochmu&#x0364;thig vorher durch Hellas &#x017F;trahlende La<hi rendition="#aq">ï</hi>s,</l><lb/>
              <l>Hegend im Vorhof &#x017F;on&#x017F;t liebender Ju&#x0364;nglinge Schwarm:</l><lb/>
              <l>Weihe den Spiegel anitzt der Paphia, weil ich mich &#x017F;o nun</l><lb/>
              <l>Sehen nicht will, wie vorher aber ich war, nun nicht kann.</l><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[480/0494] 3. Nun ich einmal von dem Nichts, dem Alexis, geſagt, daß er ſchoͤn ſei Anzuſchauen, und gleich wendet ſich alles ihm zu; Herz, was zeigeſt dem Hunde den Knochen du? bald ja der Kummer Nachkommt; klageſt du nicht alſo den Phaͤdros Verluſt? 4. Ich bin ein Apfel, und Liebe mich wirft, du aber, Xantippe, Nicke mir hold; ich, du, beide verwelken wir ſo! 5. Ich mit dem Apfel dich werfe; du nimm, wenn frei du mich liebeſt, Gern ihn, ſchenke dafuͤr bluͤhender Liebe Genuß; Biſt du jedoch mir geſinnt, wie du nie ſein moͤgeſt, ſo nimm ihn Dennoch, und ſchaue wie kurz waͤhret die Jugendgeſtalt! 6. Archeanaſſa beſitz’ ich, die Buhlin aus Kolophon, welcher Auch in der faltigen Stirn zuͤrnende Liebe noch wohnt; Dieſer zuerſt abſtreifend die Erſtlingsbluͤthe der Jugend, Durch welch flammende Gluth kamet ihr Liebende da! 7. Ich hochmuͤthig vorher durch Hellas ſtrahlende Laïs, Hegend im Vorhof ſonſt liebender Juͤnglinge Schwarm: Weihe den Spiegel anitzt der Paphia, weil ich mich ſo nun Sehen nicht will, wie vorher aber ich war, nun nicht kann.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/494
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/494>, abgerufen am 19.04.2024.