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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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einem Freund verstünde; und als ich fertig war, sagtest du:
dies haben die Alten Freundschaft genannt; es sei die antike
Freundschaft, -- und die hohlen Lustbilder belebte ich alle selbst.
Ein Roland, ein Don Quixote ist nicht wahrhafter als ich. --
Du wirst schon alles aus meinem Briefe nach dieser Erinnrung,
und der Kenntniß, die du von mir hast, ergänzen. Ich ver-
mag nichts zu sagen. Das Wesentlichste, bis jetzt unsägliches,
bleibt zurück; das was ich aussprechen soll, das was nur ich
auszusprechen vermag, kann, wenn es auch Schmerzen nur
erzeugt haben, nur im Glück ausgesprochen werden; (wenn
es auch oft scheinen mag, mein Schmerz sei beredt.) Im
Glück, oder im Tod. Bis dahin bindet Scham mich noch.
Wahres Unglück schämt sich; habe ich immer gesagt: oder
vielmehr nie; Einmal mir es selbst aufgeschrieben. --


-- Ich wußte gestern auf einen Moment alle Gründe,
warum es mir so gehen muß: und es beruhigte mich ganz
einen Augenblick -- immer vermag das der Geist über's Herz.
Und doch werd' ich den herbsten Wünschen wieder überliefert,
den größten Wogen des Gemüths! Ich wußt's auch gestern
schon; und der Wunsch, es möchte doch nicht so sein, und
mir die Helle des Augenblicks bleiben, wie gutes heilsames
Wetter, war mein erster Wunsch, aus der dunklen Zukunft
im Herzen; da liegt sie zu ewiger Entfaltung drin! Verzeih
mir! auch dir zeige ich mich so ungraziöse! O! ich verstehe
es ja sehr gut, was schön ist, oder nicht: und sehe auch das,
wenn es auch mich betrifft. Aber sei nur ruhig und mach

einem Freund verſtünde; und als ich fertig war, ſagteſt du:
dies haben die Alten Freundſchaft genannt; es ſei die antike
Freundſchaft, — und die hohlen Luſtbilder belebte ich alle ſelbſt.
Ein Roland, ein Don Quixote iſt nicht wahrhafter als ich. —
Du wirſt ſchon alles aus meinem Briefe nach dieſer Erinnrung,
und der Kenntniß, die du von mir haſt, ergänzen. Ich ver-
mag nichts zu ſagen. Das Weſentlichſte, bis jetzt unſägliches,
bleibt zurück; das was ich ausſprechen ſoll, das was nur ich
auszuſprechen vermag, kann, wenn es auch Schmerzen nur
erzeugt haben, nur im Glück ausgeſprochen werden; (wenn
es auch oft ſcheinen mag, mein Schmerz ſei beredt.) Im
Glück, oder im Tod. Bis dahin bindet Scham mich noch.
Wahres Unglück ſchämt ſich; habe ich immer geſagt: oder
vielmehr nie; Einmal mir es ſelbſt aufgeſchrieben. —


— Ich wußte geſtern auf einen Moment alle Gründe,
warum es mir ſo gehen muß: und es beruhigte mich ganz
einen Augenblick — immer vermag das der Geiſt über’s Herz.
Und doch werd’ ich den herbſten Wünſchen wieder überliefert,
den größten Wogen des Gemüths! Ich wußt’s auch geſtern
ſchon; und der Wunſch, es möchte doch nicht ſo ſein, und
mir die Helle des Augenblicks bleiben, wie gutes heilſames
Wetter, war mein erſter Wunſch, aus der dunklen Zukunft
im Herzen; da liegt ſie zu ewiger Entfaltung drin! Verzeih
mir! auch dir zeige ich mich ſo ungraziöſe! O! ich verſtehe
es ja ſehr gut, was ſchön iſt, oder nicht: und ſehe auch das,
wenn es auch mich betrifft. Aber ſei nur ruhig und mach

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[364/0378] einem Freund verſtünde; und als ich fertig war, ſagteſt du: dies haben die Alten Freundſchaft genannt; es ſei die antike Freundſchaft, — und die hohlen Luſtbilder belebte ich alle ſelbſt. Ein Roland, ein Don Quixote iſt nicht wahrhafter als ich. — Du wirſt ſchon alles aus meinem Briefe nach dieſer Erinnrung, und der Kenntniß, die du von mir haſt, ergänzen. Ich ver- mag nichts zu ſagen. Das Weſentlichſte, bis jetzt unſägliches, bleibt zurück; das was ich ausſprechen ſoll, das was nur ich auszuſprechen vermag, kann, wenn es auch Schmerzen nur erzeugt haben, nur im Glück ausgeſprochen werden; (wenn es auch oft ſcheinen mag, mein Schmerz ſei beredt.) Im Glück, oder im Tod. Bis dahin bindet Scham mich noch. Wahres Unglück ſchämt ſich; habe ich immer geſagt: oder vielmehr nie; Einmal mir es ſelbſt aufgeſchrieben. — Dienstag, den 8. um 9 Uhr. — Ich wußte geſtern auf einen Moment alle Gründe, warum es mir ſo gehen muß: und es beruhigte mich ganz einen Augenblick — immer vermag das der Geiſt über’s Herz. Und doch werd’ ich den herbſten Wünſchen wieder überliefert, den größten Wogen des Gemüths! Ich wußt’s auch geſtern ſchon; und der Wunſch, es möchte doch nicht ſo ſein, und mir die Helle des Augenblicks bleiben, wie gutes heilſames Wetter, war mein erſter Wunſch, aus der dunklen Zukunft im Herzen; da liegt ſie zu ewiger Entfaltung drin! Verzeih mir! auch dir zeige ich mich ſo ungraziöſe! O! ich verſtehe es ja ſehr gut, was ſchön iſt, oder nicht: und ſehe auch das, wenn es auch mich betrifft. Aber ſei nur ruhig und mach

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/378>, abgerufen am 19.04.2024.