Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

bemeistert; und weil er, so wie es nur reimte, ungewöhnlicher,
phantastischer, in weitern Kreisen, und allgemeiner wurde,
gleich gut wurde, und einem Schönes in den Sinn brachte.
So viel! weil er von Weimar kommt. Wo der künstlerischte
Deutsche lebt; von dem ich hoffte, daß er ganz Kunstwidriges,
in seiner Nähe nicht aufkommen läßt; ja, tödtet, mit Macht
und Wache. Bei seinem Entschlusse. Es muß doch nicht gehen;
und das ist es, was mich so ernst über unsere deutsche Kunst
machte, und diesen langen Brief veranlaßt. Sind Sie darü-
ber mit mir einverstanden? Und vergeben ihn mir? Ich meine,
sehen Sie ein, wie er entstanden ist? Ihnen mußt' ich ihn
doch schicken! Sie werden noch mehr, noch viele Plage mit
mir haben.

Mlle. Beck spielte die Elisabeth göttlich. Sie unterschrieb
stumm, allein, wie Elisabeth selbst! Die Bethmann hatte sehr
schöne Momente. Spielte aber zu Anfang heftiger als sonst.



An Alexander von der Marwitz, in Friedersderf.


Ich bin sehr zerstört, weil mich gestern etwas atrore be-
leidigte und kränkte; -- -- höchst umbringend, assommirend
für mich, weil ich deutlich sah, wie ich bei meinen Nächsten
stehe, und was sie von mir denken und sagen. Traurig, weil
ich diesem Sein ausgesetzt bleiben muß, ohne Rettung: und
man gegen mich noch die Moralischen spielen kann, eben weil
ich gestellt bin, daß sich niemand meiner annimmt, als ich

selbst.

bemeiſtert; und weil er, ſo wie es nur reimte, ungewöhnlicher,
phantaſtiſcher, in weitern Kreiſen, und allgemeiner wurde,
gleich gut wurde, und einem Schönes in den Sinn brachte.
So viel! weil er von Weimar kommt. Wo der künſtleriſchte
Deutſche lebt; von dem ich hoffte, daß er ganz Kunſtwidriges,
in ſeiner Nähe nicht aufkommen läßt; ja, tödtet, mit Macht
und Wache. Bei ſeinem Entſchluſſe. Es muß doch nicht gehen;
und das iſt es, was mich ſo ernſt über unſere deutſche Kunſt
machte, und dieſen langen Brief veranlaßt. Sind Sie darü-
ber mit mir einverſtanden? Und vergeben ihn mir? Ich meine,
ſehen Sie ein, wie er entſtanden iſt? Ihnen mußt’ ich ihn
doch ſchicken! Sie werden noch mehr, noch viele Plage mit
mir haben.

Mlle. Beck ſpielte die Eliſabeth göttlich. Sie unterſchrieb
ſtumm, allein, wie Eliſabeth ſelbſt! Die Bethmann hatte ſehr
ſchöne Momente. Spielte aber zu Anfang heftiger als ſonſt.



An Alexander von der Marwitz, in Friedersderf.


Ich bin ſehr zerſtört, weil mich geſtern etwas atrore be-
leidigte und kränkte; — — höchſt umbringend, aſſommirend
für mich, weil ich deutlich ſah, wie ich bei meinen Nächſten
ſtehe, und was ſie von mir denken und ſagen. Traurig, weil
ich dieſem Sein ausgeſetzt bleiben muß, ohne Rettung: und
man gegen mich noch die Moraliſchen ſpielen kann, eben weil
ich geſtellt bin, daß ſich niemand meiner annimmt, als ich

ſelbſt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0510" n="496"/>
bemei&#x017F;tert; und weil er, &#x017F;o wie es nur reimte, ungewöhnlicher,<lb/>
phanta&#x017F;ti&#x017F;cher, in weitern Krei&#x017F;en, und allgemeiner wurde,<lb/>
gleich gut wurde, und einem Schönes in den Sinn brachte.<lb/>
So viel! weil er von Weimar kommt. Wo der kün&#x017F;tleri&#x017F;chte<lb/>
Deut&#x017F;che lebt; von dem ich hoffte, daß er ganz Kun&#x017F;twidriges,<lb/>
in &#x017F;einer Nähe nicht aufkommen läßt; ja, tödtet, mit Macht<lb/>
und Wache. Bei &#x017F;einem Ent&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e. Es muß doch nicht gehen;<lb/>
und <hi rendition="#g">das</hi> i&#x017F;t es, was mich &#x017F;o ern&#x017F;t über un&#x017F;ere deut&#x017F;che Kun&#x017F;t<lb/>
machte, und die&#x017F;en langen Brief veranlaßt. Sind Sie darü-<lb/>
ber mit mir einver&#x017F;tanden? Und vergeben ihn mir? Ich meine,<lb/>
&#x017F;ehen Sie ein, wie er ent&#x017F;tanden i&#x017F;t? <hi rendition="#g">Ihnen</hi> mußt&#x2019; ich ihn<lb/>
doch &#x017F;chicken! Sie werden noch mehr, noch viele Plage mit<lb/>
mir haben.</p><lb/>
          <p>Mlle. Beck &#x017F;pielte die Eli&#x017F;abeth göttlich. Sie unter&#x017F;chrieb<lb/>
&#x017F;tumm, allein, wie Eli&#x017F;abeth &#x017F;elb&#x017F;t! Die Bethmann hatte &#x017F;ehr<lb/>
&#x017F;chöne Momente. Spielte aber zu Anfang heftiger als &#x017F;on&#x017F;t.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Alexander von der Marwitz, in Friedersderf.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Dienstag Vormittag um 11 Uhr, bei trübem kühlen Wet-<lb/>
ter, den 7. Mai 1811. Schreiben Sie mir auch<lb/>
immer die Stunde und das Wetter.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Ich bin &#x017F;ehr zer&#x017F;tört, weil mich ge&#x017F;tern etwas atrore be-<lb/>
leidigte und kränkte; &#x2014; &#x2014; höch&#x017F;t umbringend, a&#x017F;&#x017F;ommirend<lb/>
für mich, weil ich deutlich &#x017F;ah, wie ich bei meinen Näch&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;tehe, und was &#x017F;ie von mir denken und &#x017F;agen. Traurig, weil<lb/>
ich die&#x017F;em Sein ausge&#x017F;etzt bleiben muß, ohne Rettung: und<lb/>
man gegen mich noch die Morali&#x017F;chen &#x017F;pielen kann, eben weil<lb/>
ich ge&#x017F;tellt bin, daß &#x017F;ich niemand meiner annimmt, als ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;elb&#x017F;t.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[496/0510] bemeiſtert; und weil er, ſo wie es nur reimte, ungewöhnlicher, phantaſtiſcher, in weitern Kreiſen, und allgemeiner wurde, gleich gut wurde, und einem Schönes in den Sinn brachte. So viel! weil er von Weimar kommt. Wo der künſtleriſchte Deutſche lebt; von dem ich hoffte, daß er ganz Kunſtwidriges, in ſeiner Nähe nicht aufkommen läßt; ja, tödtet, mit Macht und Wache. Bei ſeinem Entſchluſſe. Es muß doch nicht gehen; und das iſt es, was mich ſo ernſt über unſere deutſche Kunſt machte, und dieſen langen Brief veranlaßt. Sind Sie darü- ber mit mir einverſtanden? Und vergeben ihn mir? Ich meine, ſehen Sie ein, wie er entſtanden iſt? Ihnen mußt’ ich ihn doch ſchicken! Sie werden noch mehr, noch viele Plage mit mir haben. Mlle. Beck ſpielte die Eliſabeth göttlich. Sie unterſchrieb ſtumm, allein, wie Eliſabeth ſelbſt! Die Bethmann hatte ſehr ſchöne Momente. Spielte aber zu Anfang heftiger als ſonſt. An Alexander von der Marwitz, in Friedersderf. Dienstag Vormittag um 11 Uhr, bei trübem kühlen Wet- ter, den 7. Mai 1811. Schreiben Sie mir auch immer die Stunde und das Wetter. Ich bin ſehr zerſtört, weil mich geſtern etwas atrore be- leidigte und kränkte; — — höchſt umbringend, aſſommirend für mich, weil ich deutlich ſah, wie ich bei meinen Nächſten ſtehe, und was ſie von mir denken und ſagen. Traurig, weil ich dieſem Sein ausgeſetzt bleiben muß, ohne Rettung: und man gegen mich noch die Moraliſchen ſpielen kann, eben weil ich geſtellt bin, daß ſich niemand meiner annimmt, als ich ſelbſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/510
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/510>, abgerufen am 29.03.2024.