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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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sehen; das Haus ist so voll, daß ich sie nur werde kommen
lassen, wenn Arnsteins wieder auf dem Garten wohnen. --


Eine Sündfluth von Regen; auch heute bade ich nicht.
Gestern Abend von 8 bis bald 9 ging ich, als nur eine Art
Pause im Wetter war, mit Frau von Ephraim, und Johann,
spaziren, wo wir die Berge und weiten Aussichten in den
großartigsten Himmel gehüllt sahen: Wolken waren es gar
nicht mehr; es war wärmlich, und sah aus, wie ein ferner
künftiger Winter, den einem der Sommer zeigt; dunkler, als
es die Jahres- und Tageszeit mit sich bringt, vor lauter Was-
serfülle; denn, diese war's, die gestern noch in den tausendfach-
grauen Wolken die heutigen Güsse enthielt. Wir gingen auf
den Bergpfaden, die wir mit Bartholdy besuchten: du weißt,
wie weit und schön man da sieht. Wie wünscht', und ver-
mißt' ich dich. Ich denke immer, ich gebe dir ab, was ich
kann; wenn ich recht an dich denke. Du gönnst es mir. So
bald es der Krieg erlaubt, komme ich nach Frankfurt: spiolire
-- Spioliren kommt von Spekuliren und Spioniren -- nur
auf ein Quartiet. Miethe es aber nur nicht! verschwenderi-
scher Liebhaber! Wenn wir doch erst eine fernere Nachricht,
einen preußischen Bericht hätten, über unsern Verlust! -- Ich
spreche viel mit der S. nicht zu ihrem Schaden. Sie hat es
gern; und liebt Wahrheit: ist aber auf einem Fuß mit ihr,
wie ich mit schönen großen Thieren. Ich tadle sie nicht.
Sie hat Gutes und Schönes. Adieu. --



ſehen; das Haus iſt ſo voll, daß ich ſie nur werde kommen
laſſen, wenn Arnſteins wieder auf dem Garten wohnen. —


Eine Sündfluth von Regen; auch heute bade ich nicht.
Geſtern Abend von 8 bis bald 9 ging ich, als nur eine Art
Pauſe im Wetter war, mit Frau von Ephraim, und Johann,
ſpaziren, wo wir die Berge und weiten Ausſichten in den
großartigſten Himmel gehüllt ſahen: Wolken waren es gar
nicht mehr; es war wärmlich, und ſah aus, wie ein ferner
künftiger Winter, den einem der Sommer zeigt; dunkler, als
es die Jahres- und Tageszeit mit ſich bringt, vor lauter Waſ-
ſerfülle; denn, dieſe war’s, die geſtern noch in den tauſendfach-
grauen Wolken die heutigen Güſſe enthielt. Wir gingen auf
den Bergpfaden, die wir mit Bartholdy beſuchten: du weißt,
wie weit und ſchön man da ſieht. Wie wünſcht’, und ver-
mißt’ ich dich. Ich denke immer, ich gebe dir ab, was ich
kann; wenn ich recht an dich denke. Du gönnſt es mir. So
bald es der Krieg erlaubt, komme ich nach Frankfurt: ſpiolire
— Spioliren kommt von Spekuliren und Spioniren — nur
auf ein Quartiet. Miethe es aber nur nicht! verſchwenderi-
ſcher Liebhaber! Wenn wir doch erſt eine fernere Nachricht,
einen preußiſchen Bericht hätten, über unſern Verluſt! — Ich
ſpreche viel mit der S. nicht zu ihrem Schaden. Sie hat es
gern; und liebt Wahrheit: iſt aber auf einem Fuß mit ihr,
wie ich mit ſchönen großen Thieren. Ich tadle ſie nicht.
Sie hat Gutes und Schönes. Adieu. —



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[301/0309] ſehen; das Haus iſt ſo voll, daß ich ſie nur werde kommen laſſen, wenn Arnſteins wieder auf dem Garten wohnen. — Freitag, 12 Uhr Mittag. Eine Sündfluth von Regen; auch heute bade ich nicht. Geſtern Abend von 8 bis bald 9 ging ich, als nur eine Art Pauſe im Wetter war, mit Frau von Ephraim, und Johann, ſpaziren, wo wir die Berge und weiten Ausſichten in den großartigſten Himmel gehüllt ſahen: Wolken waren es gar nicht mehr; es war wärmlich, und ſah aus, wie ein ferner künftiger Winter, den einem der Sommer zeigt; dunkler, als es die Jahres- und Tageszeit mit ſich bringt, vor lauter Waſ- ſerfülle; denn, dieſe war’s, die geſtern noch in den tauſendfach- grauen Wolken die heutigen Güſſe enthielt. Wir gingen auf den Bergpfaden, die wir mit Bartholdy beſuchten: du weißt, wie weit und ſchön man da ſieht. Wie wünſcht’, und ver- mißt’ ich dich. Ich denke immer, ich gebe dir ab, was ich kann; wenn ich recht an dich denke. Du gönnſt es mir. So bald es der Krieg erlaubt, komme ich nach Frankfurt: ſpiolire — Spioliren kommt von Spekuliren und Spioniren — nur auf ein Quartiet. Miethe es aber nur nicht! verſchwenderi- ſcher Liebhaber! Wenn wir doch erſt eine fernere Nachricht, einen preußiſchen Bericht hätten, über unſern Verluſt! — Ich ſpreche viel mit der S. nicht zu ihrem Schaden. Sie hat es gern; und liebt Wahrheit: iſt aber auf einem Fuß mit ihr, wie ich mit ſchönen großen Thieren. Ich tadle ſie nicht. Sie hat Gutes und Schönes. Adieu. —

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/309>, abgerufen am 29.03.2024.