Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

sein, so denken Sie, es kam ihr nicht unerwartet, sie hatte
namenlose Furcht; ohne Aussicht auf Freuden. Gott schütze
uns! Sehen Sie meine Stimmung in diesem Morgenbillet?
Adieu! R. R. Robert heiße ich jetzt. Noch eins! Die Beth-
mann ist wohl, und wird älter; und hat noch ein großes
Publikum.



An Frau von Fouque, in Nennhausen.


-- Einige Tage vor Ihrer Abreise hatte ich gehört, Sie
würden diesmal längere Zeit in der Stadt bleiben, der Kriegs-
umstände wegen. Da wollt' ich's für mich abwarten; mit ei-
nemmale aber waren Sie weg! Meine Klagen Ihnen nach;
wovon Sie hier nur wenig hören; das werden Sie auch wohl
wissen, und an diesen Worten, die hier stehen, und den be-
sten, die Ihnen selbst oft im Herzen bleiben müssen, abmes-
sen. Besonderes steht mir in diesem Augenblick nicht vor der
Seele, was ich Ihnen zu sagen hätte; aber unendlich viel
könnten wir mit einander sprechen, gingen wir nur miteinan-
der spaziren, träfen wir uns abends vor dem Sopha, und
lebten wir die verschwendeten Wochen neben einander! Viel-
leicht wird Friede aus der Erschöpfung des Krieges; und
ein Sommer für Menschen daraus, nicht einer für Krie-
ger und Bekriegte; und vielleicht fällt alsdann ein Tröpfchen
klaren Segens auch auf mich, und ich kann Sie besuchen!
Sie sehen, liebe fromme Karoline, ich bin hier nicht so fromm

ſein, ſo denken Sie, es kam ihr nicht unerwartet, ſie hatte
namenloſe Furcht; ohne Ausſicht auf Freuden. Gott ſchütze
uns! Sehen Sie meine Stimmung in dieſem Morgenbillet?
Adieu! R. R. Robert heiße ich jetzt. Noch eins! Die Beth-
mann iſt wohl, und wird älter; und hat noch ein großes
Publikum.



An Frau von Fouqué, in Nennhauſen.


— Einige Tage vor Ihrer Abreiſe hatte ich gehört, Sie
würden diesmal längere Zeit in der Stadt bleiben, der Kriegs-
umſtände wegen. Da wollt’ ich’s für mich abwarten; mit ei-
nemmale aber waren Sie weg! Meine Klagen Ihnen nach;
wovon Sie hier nur wenig hören; das werden Sie auch wohl
wiſſen, und an dieſen Worten, die hier ſtehen, und den be-
ſten, die Ihnen ſelbſt oft im Herzen bleiben müſſen, abmeſ-
ſen. Beſonderes ſteht mir in dieſem Augenblick nicht vor der
Seele, was ich Ihnen zu ſagen hätte; aber unendlich viel
könnten wir mit einander ſprechen, gingen wir nur miteinan-
der ſpaziren, träfen wir uns abends vor dem Sopha, und
lebten wir die verſchwendeten Wochen neben einander! Viel-
leicht wird Friede aus der Erſchöpfung des Krieges; und
ein Sommer für Menſchen daraus, nicht einer für Krie-
ger und Bekriegte; und vielleicht fällt alsdann ein Tröpfchen
klaren Segens auch auf mich, und ich kann Sie beſuchen!
Sie ſehen, liebe fromme Karoline, ich bin hier nicht ſo fromm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0087" n="79"/>
&#x017F;ein, &#x017F;o denken Sie, es kam ihr nicht unerwartet, &#x017F;ie hatte<lb/>
namenlo&#x017F;e Furcht; ohne Aus&#x017F;icht auf Freuden. Gott &#x017F;chütze<lb/>
uns! Sehen Sie meine Stimmung in die&#x017F;em Morgenbillet?<lb/>
Adieu! R. R. Robert heiße ich jetzt. Noch eins! Die Beth-<lb/>
mann i&#x017F;t wohl, und wird älter; und hat noch ein großes<lb/>
Publikum.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Frau von Fouqu<hi rendition="#aq">é</hi>, in Nennhau&#x017F;en.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Berlin, Februar 1813.</hi> </dateline><lb/>
          <p>&#x2014; Einige Tage vor Ihrer Abrei&#x017F;e hatte ich gehört, Sie<lb/>
würden diesmal längere Zeit in der Stadt bleiben, der Kriegs-<lb/>
um&#x017F;tände wegen. Da wollt&#x2019; ich&#x2019;s für mich abwarten; mit ei-<lb/>
nemmale aber waren Sie weg! Meine Klagen Ihnen nach;<lb/>
wovon Sie hier nur wenig hören; das werden Sie auch wohl<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en, und an die&#x017F;en Worten, die hier &#x017F;tehen, und den be-<lb/>
&#x017F;ten, die Ihnen &#x017F;elb&#x017F;t oft im Herzen bleiben mü&#x017F;&#x017F;en, abme&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Be&#x017F;onderes &#x017F;teht mir in die&#x017F;em Augenblick nicht vor der<lb/>
Seele, was ich Ihnen zu &#x017F;agen hätte; aber unendlich viel<lb/>
könnten wir mit einander &#x017F;prechen, gingen wir nur miteinan-<lb/>
der &#x017F;paziren, träfen wir uns abends vor dem Sopha, und<lb/>
lebten wir die ver&#x017F;chwendeten Wochen neben einander! Viel-<lb/>
leicht wird Friede aus der Er&#x017F;chöpfung des Krieges; und<lb/>
ein Sommer für Men&#x017F;chen daraus, nicht einer für Krie-<lb/>
ger und Bekriegte; und vielleicht fällt alsdann ein Tröpfchen<lb/>
klaren Segens auch auf mich, und ich kann Sie be&#x017F;uchen!<lb/>
Sie &#x017F;ehen, liebe fromme Karoline, ich bin hier nicht &#x017F;o fromm<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0087] ſein, ſo denken Sie, es kam ihr nicht unerwartet, ſie hatte namenloſe Furcht; ohne Ausſicht auf Freuden. Gott ſchütze uns! Sehen Sie meine Stimmung in dieſem Morgenbillet? Adieu! R. R. Robert heiße ich jetzt. Noch eins! Die Beth- mann iſt wohl, und wird älter; und hat noch ein großes Publikum. An Frau von Fouqué, in Nennhauſen. Berlin, Februar 1813. — Einige Tage vor Ihrer Abreiſe hatte ich gehört, Sie würden diesmal längere Zeit in der Stadt bleiben, der Kriegs- umſtände wegen. Da wollt’ ich’s für mich abwarten; mit ei- nemmale aber waren Sie weg! Meine Klagen Ihnen nach; wovon Sie hier nur wenig hören; das werden Sie auch wohl wiſſen, und an dieſen Worten, die hier ſtehen, und den be- ſten, die Ihnen ſelbſt oft im Herzen bleiben müſſen, abmeſ- ſen. Beſonderes ſteht mir in dieſem Augenblick nicht vor der Seele, was ich Ihnen zu ſagen hätte; aber unendlich viel könnten wir mit einander ſprechen, gingen wir nur miteinan- der ſpaziren, träfen wir uns abends vor dem Sopha, und lebten wir die verſchwendeten Wochen neben einander! Viel- leicht wird Friede aus der Erſchöpfung des Krieges; und ein Sommer für Menſchen daraus, nicht einer für Krie- ger und Bekriegte; und vielleicht fällt alsdann ein Tröpfchen klaren Segens auch auf mich, und ich kann Sie beſuchen! Sie ſehen, liebe fromme Karoline, ich bin hier nicht ſo fromm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/87
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/87>, abgerufen am 28.03.2024.