Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

ist, weiß man) ist, -- wird Klugheit, Betragen genannt; und
wird eine wahre Verhärtung der Seelenorgane. So haben
sie eine eigne Phraseologie im Reden, wie in den Depeschen; --
in Deutschland ein Diplomaten-Französisch, welches sich fort-
erbt, und ich vor sechszehn, achtzehn Jahren schon hörte; aber
kein Franzose mehr spricht. Das hält so äußerlich, wie die
Equipagen und Manschetten, zusammen; und Ein Willen in
der Welt, oder aufgehäufte Noth, trümmert all den Lug
zusammen; der Gräuel spricht sich aus gräßlichen, wirklichen
Wunden hervor; Krieg überschüttet Europa; aber wer ist ge-
sichert? -- Diese Kerle mit Manschetten! Und dies wissen sie,
sonst nichts. Glaube es; es ist nicht zu grell, was ich sage;
der lebendige Satan sollt' es ihnen zeigen. Denn sie verletzen
alles; die Gesellschaft im Großen; und jedes Herz im Ein-
zelnen. Dies wird einmal von der Welt gewußt werden;
wie jetzt: daß Prozesse viel kosten, Advokaten davon reich
werden: im Krieg geplündert wird u. s. w. Glaub' es: es
kommt zur Sprache. Ein genialer Regent kann es machen:
plötzlich. --

Lieber August, wo bist du! Ach soll ich mich beklagen,
da es so in der Welt hergeht? Lebe wohl! Gott, nur Gott
kann uns schützen. Hoffst du? denkst du, daß wir uns im
Frieden sehen? Nur keinen schrecklichen Tod, und alles wie
Gott will. Ich bin manchmal ruhig. --


Morgens im Bette! Lieber theurer August, gestern brachte
mir Dore im Triumph deinen Brief vom 13. August aus Boi-
tzenburg nach der Färberinsel, wo ich um nichts von Wunden

iſt, weiß man) iſt, — wird Klugheit, Betragen genannt; und
wird eine wahre Verhärtung der Seelenorgane. So haben
ſie eine eigne Phraſeologie im Reden, wie in den Depeſchen; —
in Deutſchland ein Diplomaten-Franzöſiſch, welches ſich fort-
erbt, und ich vor ſechszehn, achtzehn Jahren ſchon hörte; aber
kein Franzoſe mehr ſpricht. Das hält ſo äußerlich, wie die
Equipagen und Manſchetten, zuſammen; und Ein Willen in
der Welt, oder aufgehäufte Noth, trümmert all den Lug
zuſammen; der Gräuel ſpricht ſich aus gräßlichen, wirklichen
Wunden hervor; Krieg überſchüttet Europa; aber wer iſt ge-
ſichert? — Dieſe Kerle mit Manſchetten! Und dies wiſſen ſie,
ſonſt nichts. Glaube es; es iſt nicht zu grell, was ich ſage;
der lebendige Satan ſollt’ es ihnen zeigen. Denn ſie verletzen
alles; die Geſellſchaft im Großen; und jedes Herz im Ein-
zelnen. Dies wird einmal von der Welt gewußt werden;
wie jetzt: daß Prozeſſe viel koſten, Advokaten davon reich
werden: im Krieg geplündert wird u. ſ. w. Glaub’ es: es
kommt zur Sprache. Ein genialer Regent kann es machen:
plötzlich. —

Lieber Auguſt, wo biſt du! Ach ſoll ich mich beklagen,
da es ſo in der Welt hergeht? Lebe wohl! Gott, nur Gott
kann uns ſchützen. Hoffſt du? denkſt du, daß wir uns im
Frieden ſehen? Nur keinen ſchrecklichen Tod, und alles wie
Gott will. Ich bin manchmal ruhig. —


Morgens im Bette! Lieber theurer Auguſt, geſtern brachte
mir Dore im Triumph deinen Brief vom 13. Auguſt aus Boi-
tzenburg nach der Färberinſel, wo ich um nichts von Wunden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0126" n="118"/>
i&#x017F;t, weiß man) i&#x017F;t, &#x2014; wird Klugheit, Betragen genannt; und<lb/>
wird eine wahre Verhärtung der Seelenorgane. So haben<lb/>
&#x017F;ie eine eigne Phra&#x017F;eologie im Reden, wie in den Depe&#x017F;chen; &#x2014;<lb/>
in Deut&#x017F;chland ein Diplomaten-Franzö&#x017F;i&#x017F;ch, welches &#x017F;ich fort-<lb/>
erbt, und ich vor &#x017F;echszehn, achtzehn Jahren &#x017F;chon hörte; aber<lb/>
kein Franzo&#x017F;e mehr &#x017F;pricht. Das hält &#x017F;o äußerlich, wie die<lb/>
Equipagen und Man&#x017F;chetten, zu&#x017F;ammen; und Ein Willen in<lb/>
der Welt, oder <hi rendition="#g">aufgehäufte</hi> Noth, trümmert all den Lug<lb/>
zu&#x017F;ammen; der Gräuel &#x017F;pricht &#x017F;ich aus gräßlichen, wirklichen<lb/><hi rendition="#g">Wunden</hi> hervor; Krieg über&#x017F;chüttet Europa; aber wer i&#x017F;t ge-<lb/>
&#x017F;ichert? &#x2014; Die&#x017F;e Kerle mit Man&#x017F;chetten! Und <hi rendition="#g">dies</hi> wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie,<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t nichts. Glaube es; es i&#x017F;t nicht zu grell, was ich &#x017F;age;<lb/>
der lebendige Satan &#x017F;ollt&#x2019; es ihnen zeigen. Denn &#x017F;ie verletzen<lb/><hi rendition="#g">alles</hi>; die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft im Großen; und jedes Herz im Ein-<lb/>
zelnen. Dies wird einmal von der Welt gewußt werden;<lb/>
wie jetzt: daß Proze&#x017F;&#x017F;e viel ko&#x017F;ten, Advokaten davon reich<lb/>
werden: im Krieg geplündert wird u. &#x017F;. w. Glaub&#x2019; es: es<lb/>
kommt zur Sprache. <hi rendition="#g">Ein</hi> genialer Regent kann es machen:<lb/>
plötzlich. &#x2014;</p><lb/>
            <p>Lieber Augu&#x017F;t, wo bi&#x017F;t du! Ach &#x017F;oll ich mich beklagen,<lb/>
da es <hi rendition="#g">&#x017F;o</hi> in der Welt hergeht? Lebe wohl! Gott, nur Gott<lb/>
kann uns &#x017F;chützen. <hi rendition="#g">Hoff&#x017F;t</hi> du? denk&#x017F;t du, daß wir uns im<lb/>
Frieden &#x017F;ehen? Nur keinen &#x017F;chrecklichen Tod, und alles wie<lb/>
Gott will. Ich bin manchmal ruhig. &#x2014;</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 3. September.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Morgens im Bette! Lieber theurer Augu&#x017F;t, ge&#x017F;tern brachte<lb/>
mir Dore im Triumph deinen Brief vom 13. Augu&#x017F;t aus Boi-<lb/>
tzenburg nach der Färberin&#x017F;el, wo ich um nichts von Wunden<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0126] iſt, weiß man) iſt, — wird Klugheit, Betragen genannt; und wird eine wahre Verhärtung der Seelenorgane. So haben ſie eine eigne Phraſeologie im Reden, wie in den Depeſchen; — in Deutſchland ein Diplomaten-Franzöſiſch, welches ſich fort- erbt, und ich vor ſechszehn, achtzehn Jahren ſchon hörte; aber kein Franzoſe mehr ſpricht. Das hält ſo äußerlich, wie die Equipagen und Manſchetten, zuſammen; und Ein Willen in der Welt, oder aufgehäufte Noth, trümmert all den Lug zuſammen; der Gräuel ſpricht ſich aus gräßlichen, wirklichen Wunden hervor; Krieg überſchüttet Europa; aber wer iſt ge- ſichert? — Dieſe Kerle mit Manſchetten! Und dies wiſſen ſie, ſonſt nichts. Glaube es; es iſt nicht zu grell, was ich ſage; der lebendige Satan ſollt’ es ihnen zeigen. Denn ſie verletzen alles; die Geſellſchaft im Großen; und jedes Herz im Ein- zelnen. Dies wird einmal von der Welt gewußt werden; wie jetzt: daß Prozeſſe viel koſten, Advokaten davon reich werden: im Krieg geplündert wird u. ſ. w. Glaub’ es: es kommt zur Sprache. Ein genialer Regent kann es machen: plötzlich. — Lieber Auguſt, wo biſt du! Ach ſoll ich mich beklagen, da es ſo in der Welt hergeht? Lebe wohl! Gott, nur Gott kann uns ſchützen. Hoffſt du? denkſt du, daß wir uns im Frieden ſehen? Nur keinen ſchrecklichen Tod, und alles wie Gott will. Ich bin manchmal ruhig. — Den 3. September. Morgens im Bette! Lieber theurer Auguſt, geſtern brachte mir Dore im Triumph deinen Brief vom 13. Auguſt aus Boi- tzenburg nach der Färberinſel, wo ich um nichts von Wunden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/126
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/126>, abgerufen am 29.03.2024.