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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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ihr Volk umbilden. Aber aus eben diesen Ursachen murrt
immer das Rohe im Volke gegen ihre Moses, Sokrates,
Goethe'n! -- Wie freut es mich, daß du auch schweigen
willst, nicht mehr reden kannst! Wahrstes Zeichen der Reife.
Was man alsdann Einmal sagt, wirkt und nährt; auch wie
reife, süßsaftige Früchte, die zwischen Blüthe und Reife auch
schweigen; in Säure und Härte. -- Goethe hat den Leopolds-
orden bekommen. Wie freut das meine Seele! Daß Weis-
heit, innere große Gaben gekrönt werden, Meistergelingen der
Natur; daß man Wirken in unserm Vaterlande erkennt, und
nicht auf eine That wartet. Er dankt ihn wohl der Kaiserin;
seiner Helden-Este Enkel! Heil ihnen noch jetzt! den geist-
reichen, edlen Fürsten! Sie und Goethe machen es wahr,
was er im Tasso sagt, von der Schwelle, die ein Edler be-
tritt! So schließt sich Gutes an Gutes, und so mag es zur
höchsten Glorie in Ewigkeit gedeihen! und ein jeder Lebendige,
wie jetzt Goethe, schon bei seinem Leben den Lohn genießen!
In solchen Dingen möge sich Österreich und Preußen be-
neiden! dann strahlen sie beide hell neben einander. Dann!
sind sie von Natur Eins. -- -- -- Wie sollten wir auch
nicht ehrlich mit einander sein! Wir können ja! Es ist eine
Kunst. Nach unserer Definition. Gott! wie lügen die An-
dern! -- so sehr, daß sie ein Klump Lügen sind, den man
mit dem Fuß auseinander stoßen kann. (Jetzt sehe ich's wie-
der recht.) Aus ekelhaftem Stolz, aus stupider Dummheit:
weil sie Besseres wären, wenn sie ihrem wahren Begehren
lebten, dies und ihr eigentliches Vermögen gebrauchten und
zeigten. Strafwürdige, gar nicht zu beachtende Kanaillen, die

ihr Volk umbilden. Aber aus eben dieſen Urſachen murrt
immer das Rohe im Volke gegen ihre Moſes, Sokrates,
Goethe’n! — Wie freut es mich, daß du auch ſchweigen
willſt, nicht mehr reden kannſt! Wahrſtes Zeichen der Reife.
Was man alsdann Einmal ſagt, wirkt und nährt; auch wie
reife, ſüßſaftige Früchte, die zwiſchen Blüthe und Reife auch
ſchweigen; in Säure und Härte. — Goethe hat den Leopolds-
orden bekommen. Wie freut das meine Seele! Daß Weis-
heit, innere große Gaben gekrönt werden, Meiſtergelingen der
Natur; daß man Wirken in unſerm Vaterlande erkennt, und
nicht auf eine That wartet. Er dankt ihn wohl der Kaiſerin;
ſeiner Helden-Eſte Enkel! Heil ihnen noch jetzt! den geiſt-
reichen, edlen Fürſten! Sie und Goethe machen es wahr,
was er im Taſſo ſagt, von der Schwelle, die ein Edler be-
tritt! So ſchließt ſich Gutes an Gutes, und ſo mag es zur
höchſten Glorie in Ewigkeit gedeihen! und ein jeder Lebendige,
wie jetzt Goethe, ſchon bei ſeinem Leben den Lohn genießen!
In ſolchen Dingen möge ſich Öſterreich und Preußen be-
neiden! dann ſtrahlen ſie beide hell neben einander. Dann!
ſind ſie von Natur Eins. — — — Wie ſollten wir auch
nicht ehrlich mit einander ſein! Wir können ja! Es iſt eine
Kunſt. Nach unſerer Definition. Gott! wie lügen die An-
dern! — ſo ſehr, daß ſie ein Klump Lügen ſind, den man
mit dem Fuß auseinander ſtoßen kann. (Jetzt ſehe ich’s wie-
der recht.) Aus ekelhaftem Stolz, aus ſtupider Dummheit:
weil ſie Beſſeres wären, wenn ſie ihrem wahren Begehren
lebten, dies und ihr eigentliches Vermögen gebrauchten und
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[313/0321] ihr Volk umbilden. Aber aus eben dieſen Urſachen murrt immer das Rohe im Volke gegen ihre Moſes, Sokrates, Goethe’n! — Wie freut es mich, daß du auch ſchweigen willſt, nicht mehr reden kannſt! Wahrſtes Zeichen der Reife. Was man alsdann Einmal ſagt, wirkt und nährt; auch wie reife, ſüßſaftige Früchte, die zwiſchen Blüthe und Reife auch ſchweigen; in Säure und Härte. — Goethe hat den Leopolds- orden bekommen. Wie freut das meine Seele! Daß Weis- heit, innere große Gaben gekrönt werden, Meiſtergelingen der Natur; daß man Wirken in unſerm Vaterlande erkennt, und nicht auf eine That wartet. Er dankt ihn wohl der Kaiſerin; ſeiner Helden-Eſte Enkel! Heil ihnen noch jetzt! den geiſt- reichen, edlen Fürſten! Sie und Goethe machen es wahr, was er im Taſſo ſagt, von der Schwelle, die ein Edler be- tritt! So ſchließt ſich Gutes an Gutes, und ſo mag es zur höchſten Glorie in Ewigkeit gedeihen! und ein jeder Lebendige, wie jetzt Goethe, ſchon bei ſeinem Leben den Lohn genießen! In ſolchen Dingen möge ſich Öſterreich und Preußen be- neiden! dann ſtrahlen ſie beide hell neben einander. Dann! ſind ſie von Natur Eins. — — — Wie ſollten wir auch nicht ehrlich mit einander ſein! Wir können ja! Es iſt eine Kunſt. Nach unſerer Definition. Gott! wie lügen die An- dern! — ſo ſehr, daß ſie ein Klump Lügen ſind, den man mit dem Fuß auseinander ſtoßen kann. (Jetzt ſehe ich’s wie- der recht.) Aus ekelhaftem Stolz, aus ſtupider Dummheit: weil ſie Beſſeres wären, wenn ſie ihrem wahren Begehren lebten, dies und ihr eigentliches Vermögen gebrauchten und zeigten. Strafwürdige, gar nicht zu beachtende Kanaillen, die

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/321>, abgerufen am 29.03.2024.