Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Kurz, das höchst-Menschliche und das Höchste für den Men-
schen. Pauvre humanite! sagt Mad. Stael. Laß diese Män-
nerworte, wie sie mir gerathen sind, dir als Zärtlichkeiten die-
nen! Es geht! da du weißt, daß ich auch zärtlich bin.
Gewiß, liebe Sara, wäre ich gekommen; so wie du's ernstlich
wünschest, und es dir wahrhaft Trost ist. Nur damals, als
du schreiben wolltest, war ich selbst sehr übel. Doch ist es
auch mir genug, daß du mich wolltest. -- Wir haben einen
sehr originellen, verstandvollen Fremden hier; Fürst Kosloffsky,
Russe, gewesener Gesandter in Turin, Stuttgart, Karlsruhe;
in Frankreich, England, Italien zu Hause; voller Leben und
Geist. Er ist weit über die sogenannte große Welt hinaus;
bedarf ihrer aber, so wie großer Konversationen, und eines
großen Interesse's. Seine Geburt öffnet ihm alle Salons, da
hat er die große Welt, die große Konversation macht er dort
selbst, und für sich allein; und bei seinem ungeheuern gesell-
schaftlichen Ehrgeiz schafft er sich, ebenso für sich allein, auch
ein großes Interesse, mit kleinen Mitteln. --



An Alfred Graffunder.

Morgen Abend kann ich Ihnen sehr etwas Hübsches zei-
gen, wenn Sie zu mir kommen können. Ich rathe es Ihnen.
(Auch meinetwegen; denn es that mir vorgestern sehr leid,
Sie verwaist bei mir gewußt zu haben; ich bin die Mutter
in meinem Hause: wenn ich nicht da bin, sind die Kinder in

12 *

Kurz, das höchſt-Menſchliche und das Höchſte für den Men-
ſchen. Pauvre humanité! ſagt Mad. Staël. Laß dieſe Män-
nerworte, wie ſie mir gerathen ſind, dir als Zärtlichkeiten die-
nen! Es geht! da du weißt, daß ich auch zärtlich bin.
Gewiß, liebe Sara, wäre ich gekommen; ſo wie du’s ernſtlich
wünſcheſt, und es dir wahrhaft Troſt iſt. Nur damals, als
du ſchreiben wollteſt, war ich ſelbſt ſehr übel. Doch iſt es
auch mir genug, daß du mich wollteſt. — Wir haben einen
ſehr originellen, verſtandvollen Fremden hier; Fürſt Kosloffsky,
Ruſſe, geweſener Geſandter in Turin, Stuttgart, Karlsruhe;
in Frankreich, England, Italien zu Hauſe; voller Leben und
Geiſt. Er iſt weit über die ſogenannte große Welt hinaus;
bedarf ihrer aber, ſo wie großer Konverſationen, und eines
großen Intereſſe’s. Seine Geburt öffnet ihm alle Salons, da
hat er die große Welt, die große Konverſation macht er dort
ſelbſt, und für ſich allein; und bei ſeinem ungeheuern geſell-
ſchaftlichen Ehrgeiz ſchafft er ſich, ebenſo für ſich allein, auch
ein großes Intereſſe, mit kleinen Mitteln. —



An Alfred Graffunder.

Morgen Abend kann ich Ihnen ſehr etwas Hübſches zei-
gen, wenn Sie zu mir kommen können. Ich rathe es Ihnen.
(Auch meinetwegen; denn es that mir vorgeſtern ſehr leid,
Sie verwaiſt bei mir gewußt zu haben; ich bin die Mutter
in meinem Hauſe: wenn ich nicht da bin, ſind die Kinder in

12 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0187" n="179"/>
Kurz, das höch&#x017F;t-Men&#x017F;chliche und das Höch&#x017F;te für den Men-<lb/>
&#x017F;chen. <hi rendition="#aq">Pauvre humanité!</hi> &#x017F;agt Mad. Sta<hi rendition="#aq">ë</hi>l. Laß die&#x017F;e Män-<lb/>
nerworte, wie &#x017F;ie mir gerathen &#x017F;ind, dir als Zärtlichkeiten die-<lb/>
nen! Es <hi rendition="#g">geht</hi>! da du weißt, daß ich auch <hi rendition="#g">zärtlich</hi> bin.<lb/>
Gewiß, liebe Sara, wäre ich gekommen; &#x017F;o wie du&#x2019;s ern&#x017F;tlich<lb/>
wün&#x017F;che&#x017F;t, und es dir wahrhaft Tro&#x017F;t i&#x017F;t. Nur damals, als<lb/>
du &#x017F;chreiben wollte&#x017F;t, war ich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ehr übel. Doch i&#x017F;t es<lb/>
auch mir genug, daß du mich <hi rendition="#g">wollte&#x017F;t</hi>. &#x2014; Wir haben einen<lb/>
&#x017F;ehr originellen, ver&#x017F;tandvollen Fremden hier; Für&#x017F;t Kosloffsky,<lb/>
Ru&#x017F;&#x017F;e, gewe&#x017F;ener Ge&#x017F;andter in Turin, Stuttgart, Karlsruhe;<lb/>
in Frankreich, England, Italien zu Hau&#x017F;e; voller Leben und<lb/>
Gei&#x017F;t. Er i&#x017F;t weit über die &#x017F;ogenannte große Welt hinaus;<lb/>
bedarf ihrer aber, &#x017F;o wie großer Konver&#x017F;ationen, und eines<lb/>
großen Intere&#x017F;&#x017F;e&#x2019;s. Seine Geburt öffnet ihm alle Salons, da<lb/>
hat er die große Welt, die große Konver&#x017F;ation macht er dort<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, und für &#x017F;ich allein; und bei &#x017F;einem ungeheuern ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaftlichen Ehrgeiz &#x017F;chafft er &#x017F;ich, eben&#x017F;o für &#x017F;ich allein, auch<lb/>
ein großes Intere&#x017F;&#x017F;e, mit kleinen Mitteln. &#x2014;</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Alfred Graffunder.</head><lb/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Donnerstag, den 20. Januar 1825.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Morgen Abend kann ich Ihnen &#x017F;ehr etwas Hüb&#x017F;ches zei-<lb/>
gen, wenn Sie zu mir kommen können. Ich rathe es Ihnen.<lb/>
(Auch meinetwegen; denn es that mir vorge&#x017F;tern &#x017F;ehr leid,<lb/>
Sie verwai&#x017F;t bei mir gewußt zu haben; ich bin die Mutter<lb/>
in meinem Hau&#x017F;e: wenn ich nicht da bin, &#x017F;ind die Kinder in<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">12 *</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0187] Kurz, das höchſt-Menſchliche und das Höchſte für den Men- ſchen. Pauvre humanité! ſagt Mad. Staël. Laß dieſe Män- nerworte, wie ſie mir gerathen ſind, dir als Zärtlichkeiten die- nen! Es geht! da du weißt, daß ich auch zärtlich bin. Gewiß, liebe Sara, wäre ich gekommen; ſo wie du’s ernſtlich wünſcheſt, und es dir wahrhaft Troſt iſt. Nur damals, als du ſchreiben wollteſt, war ich ſelbſt ſehr übel. Doch iſt es auch mir genug, daß du mich wollteſt. — Wir haben einen ſehr originellen, verſtandvollen Fremden hier; Fürſt Kosloffsky, Ruſſe, geweſener Geſandter in Turin, Stuttgart, Karlsruhe; in Frankreich, England, Italien zu Hauſe; voller Leben und Geiſt. Er iſt weit über die ſogenannte große Welt hinaus; bedarf ihrer aber, ſo wie großer Konverſationen, und eines großen Intereſſe’s. Seine Geburt öffnet ihm alle Salons, da hat er die große Welt, die große Konverſation macht er dort ſelbſt, und für ſich allein; und bei ſeinem ungeheuern geſell- ſchaftlichen Ehrgeiz ſchafft er ſich, ebenſo für ſich allein, auch ein großes Intereſſe, mit kleinen Mitteln. — An Alfred Graffunder. Donnerstag, den 20. Januar 1825. Morgen Abend kann ich Ihnen ſehr etwas Hübſches zei- gen, wenn Sie zu mir kommen können. Ich rathe es Ihnen. (Auch meinetwegen; denn es that mir vorgeſtern ſehr leid, Sie verwaiſt bei mir gewußt zu haben; ich bin die Mutter in meinem Hauſe: wenn ich nicht da bin, ſind die Kinder in 12 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/187
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/187>, abgerufen am 25.04.2024.