Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

hen, ohne immer wieder umzufallen. Eitelkeit, Prahlerei, mehr
Ausgeben als man hat, Lügen: was soll sich daraus ergeben,
als der alte vergoldete Quark. "Entweder auf einem Bal-
dachin getragen, oder ein Sklav! alles andre, ein bischen
rauf, ein bischen runter, ein bischen gedrängt, das ist nichts."
Entweder das: oder die höchste Poesie, d. h. Philosophie: oder
wenn man will die freundliche Religion in wahrer Ausübung.
Die Welt heilt sich, so nach und nach! Aber zu heilen
ist sie nicht! --




"Avoir de l'esprit! l'esprit, c'est peu de chose!" disait
hier M. Cousin. C'est vrai, c'est peu de chose: mais ce qui
constitue l'esprit n'est pas peu de chose: l'harmonie des dons
de l'ame, l'accord et la proportion de ces dons, qui permet
d'agir a l'esprit que vous avez; voila ce qui donne de l'esprit
ou qui en prive.




Schnee und Kälte.

Steffens Anthropologie. Zweiter Band, S. 310.
Von Sprache: "Hier ist es, wo wir dem Räthsel der enthüll-
ten Freiheit näher treten." -- "Allerdings war die Sprache
schon da, eh sie laut ward." Alle Dinge reden, thun sich
dar. Menschen aber sprechen andere Dinge aus, als hier zu
finden sind; daher allein sprechen sie. Sie beziehen das hier
Vorgefundene auf etwas Unsichtbares, nicht zu Fassendes, auf
eine dunkle, aber zwingende Erinnerung; und da diese abso-

hen, ohne immer wieder umzufallen. Eitelkeit, Prahlerei, mehr
Ausgeben als man hat, Lügen: was ſoll ſich daraus ergeben,
als der alte vergoldete Quark. „Entweder auf einem Bal-
dachin getragen, oder ein Sklav! alles andre, ein bischen
rauf, ein bischen runter, ein bischen gedrängt, das iſt nichts.“
Entweder das: oder die höchſte Poeſie, d. h. Philoſophie: oder
wenn man will die freundliche Religion in wahrer Ausübung.
Die Welt heilt ſich, ſo nach und nach! Aber zu heilen
iſt ſie nicht! —




„Avoir de l’esprit! l’esprit, c’est peu de chose!” disait
hier M. Cousin. C’est vrai, c’est peu de chose: mais ce qui
constitue l’esprit n’est pas peu de chose: l’harmonie des dons
de l’âme, l’accord et la proportion de ces dons, qui permet
d’agir à l’esprit que vous avez; voilà ce qui donne de l’esprit
ou qui en prive.




Schnee und Kälte.

Steffens Anthropologie. Zweiter Band, S. 310.
Von Sprache: „Hier iſt es, wo wir dem Räthſel der enthüll-
ten Freiheit näher treten.“ — „Allerdings war die Sprache
ſchon da, eh ſie laut ward.“ Alle Dinge reden, thun ſich
dar. Menſchen aber ſprechen andere Dinge aus, als hier zu
finden ſind; daher allein ſprechen ſie. Sie beziehen das hier
Vorgefundene auf etwas Unſichtbares, nicht zu Faſſendes, auf
eine dunkle, aber zwingende Erinnerung; und da dieſe abſo-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0196" n="188"/>
hen, ohne immer wieder umzufallen. Eitelkeit, Prahlerei, mehr<lb/>
Ausgeben als man hat, Lügen: <hi rendition="#g">was &#x017F;oll</hi> &#x017F;ich daraus ergeben,<lb/>
als der alte vergoldete <hi rendition="#g">Quark</hi>. &#x201E;Entweder auf einem Bal-<lb/>
dachin getragen, <hi rendition="#g">oder</hi> ein Sklav! alles andre, ein bischen<lb/>
rauf, ein bischen runter, ein bischen gedrängt, das i&#x017F;t nichts.&#x201C;<lb/>
Entweder das: oder die höch&#x017F;te Poe&#x017F;ie, d. h. Philo&#x017F;ophie: oder<lb/>
wenn man will die freundliche Religion in <hi rendition="#g">wahrer</hi> Ausübung.<lb/>
Die Welt heilt &#x017F;ich, &#x017F;o <hi rendition="#g">nach</hi> und <hi rendition="#g">nach!</hi> Aber <hi rendition="#g">zu heilen</hi><lb/>
i&#x017F;t &#x017F;ie nicht! &#x2014;</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#aq">Lundi, le 7 mars 1825.</hi> </hi> </dateline><lb/>
            <p> <hi rendition="#aq">&#x201E;Avoir de l&#x2019;esprit! l&#x2019;esprit, c&#x2019;est peu de chose!&#x201D; disait<lb/>
hier M. Cousin. C&#x2019;est vrai, c&#x2019;est peu de chose: mais ce qui<lb/>
constitue l&#x2019;esprit n&#x2019;est pas peu de chose: l&#x2019;harmonie des dons<lb/>
de l&#x2019;âme, l&#x2019;accord et la proportion de ces dons, qui permet<lb/>
d&#x2019;agir à l&#x2019;esprit que vous avez; voilà ce qui donne de l&#x2019;esprit<lb/>
ou qui en prive.</hi> </p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Donnerstag, den 17. März 1825.</hi> </dateline><lb/>
            <p> <hi rendition="#et">Schnee und Kälte.</hi> </p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Steffens Anthropologie</hi>. Zweiter Band, S. 310.<lb/>
Von Sprache: &#x201E;Hier i&#x017F;t es, wo wir dem Räth&#x017F;el der enthüll-<lb/>
ten Freiheit näher treten.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Allerdings war die Sprache<lb/>
&#x017F;chon da, eh &#x017F;ie laut ward.&#x201C; Alle Dinge reden, thun &#x017F;ich<lb/>
dar. Men&#x017F;chen aber &#x017F;prechen andere Dinge aus, als hier zu<lb/>
finden &#x017F;ind; daher allein &#x017F;prechen &#x017F;ie. Sie beziehen das hier<lb/>
Vorgefundene auf etwas Un&#x017F;ichtbares, nicht zu Fa&#x017F;&#x017F;endes, auf<lb/>
eine dunkle, aber zwingende Erinnerung; und da die&#x017F;e ab&#x017F;o-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0196] hen, ohne immer wieder umzufallen. Eitelkeit, Prahlerei, mehr Ausgeben als man hat, Lügen: was ſoll ſich daraus ergeben, als der alte vergoldete Quark. „Entweder auf einem Bal- dachin getragen, oder ein Sklav! alles andre, ein bischen rauf, ein bischen runter, ein bischen gedrängt, das iſt nichts.“ Entweder das: oder die höchſte Poeſie, d. h. Philoſophie: oder wenn man will die freundliche Religion in wahrer Ausübung. Die Welt heilt ſich, ſo nach und nach! Aber zu heilen iſt ſie nicht! — Lundi, le 7 mars 1825. „Avoir de l’esprit! l’esprit, c’est peu de chose!” disait hier M. Cousin. C’est vrai, c’est peu de chose: mais ce qui constitue l’esprit n’est pas peu de chose: l’harmonie des dons de l’âme, l’accord et la proportion de ces dons, qui permet d’agir à l’esprit que vous avez; voilà ce qui donne de l’esprit ou qui en prive. Donnerstag, den 17. März 1825. Schnee und Kälte. Steffens Anthropologie. Zweiter Band, S. 310. Von Sprache: „Hier iſt es, wo wir dem Räthſel der enthüll- ten Freiheit näher treten.“ — „Allerdings war die Sprache ſchon da, eh ſie laut ward.“ Alle Dinge reden, thun ſich dar. Menſchen aber ſprechen andere Dinge aus, als hier zu finden ſind; daher allein ſprechen ſie. Sie beziehen das hier Vorgefundene auf etwas Unſichtbares, nicht zu Faſſendes, auf eine dunkle, aber zwingende Erinnerung; und da dieſe abſo-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/196
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/196>, abgerufen am 20.04.2024.