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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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inwendig, bequem, behaglich, zweckmäßig. Die "Dachstube"
(wie die armen litterarischen Französinnen unter Louis XIV.
und XV, die doch die Gesellschaft sahen) im Größern fortge-
sponnen. Das Andre gelänge doch nicht: und gelänge es,
hätte ich eine Klasse Gesellschaft: und schrecklicher giebt's
nichts. Ich habe es aus den Zeitungen schon gewußt, daß
Karl Verdruß haben muß; schon wie du hier warst, und mir
sagtest, wie er über Volksunterricht denkt -- du mit -- wußt'
ich das Resultat: und bliebe es noch Jahrzehnte aus. Grüße
Karl herzlich! ne fera-t-il point de voyage; ne voudra-t-il
me donner un rendez-vous? que j'aimerais le voir! Adieu,
mon amie. Portez-vous bien, c'est l'essentiel!
Deine alte
treue

R.

Mille belles choses a Louis. Varnh. vous embrasse dans
la joie de ma guerison.




Zu Börne's Schriften, Theil 2. S. 198. Bei Hamlet hat
sich Börne am meisten geirrt. Den hat er nicht gefaßt. Deß-
halb redete er so viel, und sagte so wenig: fast nichts. Da,
wo er endigt, hätte er anfangen sollen. Von dem Zu-
stand eines deutschen Menschen von Geist hätte er sprechen
sollen; von der modernen Abtheilung der Welt.



Es scheint noch gar nicht bekannt, daß zum Verliebtsein
ein immerwährendes Verlieben erfordert ist; so wie dies nicht
mehr Statt finden kann, geht der Zustand ein. Liebesleute
-- verehlicht oder nicht -- verlangen meist eine unbedingte

inwendig, bequem, behaglich, zweckmäßig. Die „Dachſtube“
(wie die armen litterariſchen Franzöſinnen unter Louis XIV.
und XV, die doch die Geſellſchaft ſahen) im Größern fortge-
ſponnen. Das Andre gelänge doch nicht: und gelänge es,
hätte ich eine Klaſſe Geſellſchaft: und ſchrecklicher giebt’s
nichts. Ich habe es aus den Zeitungen ſchon gewußt, daß
Karl Verdruß haben muß; ſchon wie du hier warſt, und mir
ſagteſt, wie er über Volksunterricht denkt — du mit — wußt’
ich das Reſultat: und bliebe es noch Jahrzehnte aus. Grüße
Karl herzlich! ne fera-t-il point de voyage; ne voudra-t-il
me donner un rendez-vous? que j’aimerais le voir! Adieu,
mon amie. Portez-vous bien, c’est l’essentiel!
Deine alte
treue

R.

Mille belles choses à Louis. Varnh. vous embrasse dans
la joie de ma guérison.




Zu Börne’s Schriften, Theil 2. S. 198. Bei Hamlet hat
ſich Börne am meiſten geirrt. Den hat er nicht gefaßt. Deß-
halb redete er ſo viel, und ſagte ſo wenig: faſt nichts. Da,
wo er endigt, hätte er anfangen ſollen. Von dem Zu-
ſtand eines deutſchen Menſchen von Geiſt hätte er ſprechen
ſollen; von der modernen Abtheilung der Welt.



Es ſcheint noch gar nicht bekannt, daß zum Verliebtſein
ein immerwährendes Verlieben erfordert iſt; ſo wie dies nicht
mehr Statt finden kann, geht der Zuſtand ein. Liebesleute
— verehlicht oder nicht — verlangen meiſt eine unbedingte

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[390/0398] inwendig, bequem, behaglich, zweckmäßig. Die „Dachſtube“ (wie die armen litterariſchen Franzöſinnen unter Louis XIV. und XV, die doch die Geſellſchaft ſahen) im Größern fortge- ſponnen. Das Andre gelänge doch nicht: und gelänge es, hätte ich eine Klaſſe Geſellſchaft: und ſchrecklicher giebt’s nichts. Ich habe es aus den Zeitungen ſchon gewußt, daß Karl Verdruß haben muß; ſchon wie du hier warſt, und mir ſagteſt, wie er über Volksunterricht denkt — du mit — wußt’ ich das Reſultat: und bliebe es noch Jahrzehnte aus. Grüße Karl herzlich! ne fera-t-il point de voyage; ne voudra-t-il me donner un rendez-vous? que j’aimerais le voir! Adieu, mon amie. Portez-vous bien, c’est l’essentiel! Deine alte treue R. Mille belles choses à Louis. Varnh. vous embrasse dans la joie de ma guérison. 1829. Zu Börne’s Schriften, Theil 2. S. 198. Bei Hamlet hat ſich Börne am meiſten geirrt. Den hat er nicht gefaßt. Deß- halb redete er ſo viel, und ſagte ſo wenig: faſt nichts. Da, wo er endigt, hätte er anfangen ſollen. Von dem Zu- ſtand eines deutſchen Menſchen von Geiſt hätte er ſprechen ſollen; von der modernen Abtheilung der Welt. Es ſcheint noch gar nicht bekannt, daß zum Verliebtſein ein immerwährendes Verlieben erfordert iſt; ſo wie dies nicht mehr Statt finden kann, geht der Zuſtand ein. Liebesleute — verehlicht oder nicht — verlangen meiſt eine unbedingte

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/398>, abgerufen am 20.04.2024.