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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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An Ludwig Robert, in Baden.


Windiges warmes Sonnenwetter nach einem Gewitter,
von welchem ich gestern die Zeit unmittelbar nachher
benutzte, und um halb 7 nach Schöneberg fuhr.

Sehr schöne Fahrt; die Kinder waren nicht mit; sie fuh-
ren mit den Eltern -- so hieß es -- oder auch nicht; denn,
andre Leute fahren nicht im Regen ab, wie ich: obgleich ich
den unendlichsten Spazirgängern und Fahrern begegnete: und
eine Unzahl wunderschöner Mädchen rückwärts. Mit uns war
Hr. Poley. Wir tranken den schönsten mitgenommenen Kaffee
mit Pretzel im letzten Wirthshaus in Schöneberg; und fuhren,
nach einer Fußpromenade gegen Steglitz, -- göttlich! --
zu Henriette Solmar. -- Auf dem Steglitzer Weg fuhr auch
Mad. Spontini mit dem großen Meister ohne Bedienten klug
spaziren: sie ließen halten; ich trat an den Wagen: sie be-
dauerten unendlich, daß sie mir zu des Königs Geburtstag
keinen Platz mehr in ihrer Loge zu geben hatten; sie hatte
mir geschrieben, daß sie dem Grafen schriebe: aber es war
vergeblich: nie -- so hörte ich schon, soll es so voll gewesen
sein. Ich aber hatte das Glück, Spontini's Festmarsch und
Chöre im Blumengarten den Tag nachher vollkommenst zu
hören, so -- daß applaudirt und bravo von achthundert
Menschen geschrieen wurde, Viertelstunden applaudirt: bravo
Spontini. Das erzähle ich ihm: zum Lohn, daß er mir von
Roberts Rede erzählte, -- was ich schon wußte, -- daß sie
mittendrin -- nie geschehn -- applaudirt ward, und einen

An Ludwig Robert, in Baden.


Windiges warmes Sonnenwetter nach einem Gewitter,
von welchem ich geſtern die Zeit unmittelbar nachher
benutzte, und um halb 7 nach Schöneberg fuhr.

Sehr ſchöne Fahrt; die Kinder waren nicht mit; ſie fuh-
ren mit den Eltern — ſo hieß es — oder auch nicht; denn,
andre Leute fahren nicht im Regen ab, wie ich: obgleich ich
den unendlichſten Spazirgängern und Fahrern begegnete: und
eine Unzahl wunderſchöner Mädchen rückwärts. Mit uns war
Hr. Poley. Wir tranken den ſchönſten mitgenommenen Kaffee
mit Pretzel im letzten Wirthshaus in Schöneberg; und fuhren,
nach einer Fußpromenade gegen Steglitz, — göttlich! —
zu Henriette Solmar. — Auf dem Steglitzer Weg fuhr auch
Mad. Spontini mit dem großen Meiſter ohne Bedienten klug
ſpaziren: ſie ließen halten; ich trat an den Wagen: ſie be-
dauerten unendlich, daß ſie mir zu des Königs Geburtstag
keinen Platz mehr in ihrer Loge zu geben hatten; ſie hatte
mir geſchrieben, daß ſie dem Grafen ſchriebe: aber es war
vergeblich: nie — ſo hörte ich ſchon, ſoll es ſo voll geweſen
ſein. Ich aber hatte das Glück, Spontini’s Feſtmarſch und
Chöre im Blumengarten den Tag nachher vollkommenſt zu
hören, ſo — daß applaudirt und bravo von achthundert
Menſchen geſchrieen wurde, Viertelſtunden applaudirt: bravo
Spontini. Das erzähle ich ihm: zum Lohn, daß er mir von
Roberts Rede erzählte, — was ich ſchon wußte, — daß ſie
mittendrin — nie geſchehn — applaudirt ward, und einen

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[510/0518] An Ludwig Robert, in Baden. Montag, den 8. Auguſt 1831. 12 Uhr Mittags. Windiges warmes Sonnenwetter nach einem Gewitter, von welchem ich geſtern die Zeit unmittelbar nachher benutzte, und um halb 7 nach Schöneberg fuhr. Sehr ſchöne Fahrt; die Kinder waren nicht mit; ſie fuh- ren mit den Eltern — ſo hieß es — oder auch nicht; denn, andre Leute fahren nicht im Regen ab, wie ich: obgleich ich den unendlichſten Spazirgängern und Fahrern begegnete: und eine Unzahl wunderſchöner Mädchen rückwärts. Mit uns war Hr. Poley. Wir tranken den ſchönſten mitgenommenen Kaffee mit Pretzel im letzten Wirthshaus in Schöneberg; und fuhren, nach einer Fußpromenade gegen Steglitz, — göttlich! — zu Henriette Solmar. — Auf dem Steglitzer Weg fuhr auch Mad. Spontini mit dem großen Meiſter ohne Bedienten klug ſpaziren: ſie ließen halten; ich trat an den Wagen: ſie be- dauerten unendlich, daß ſie mir zu des Königs Geburtstag keinen Platz mehr in ihrer Loge zu geben hatten; ſie hatte mir geſchrieben, daß ſie dem Grafen ſchriebe: aber es war vergeblich: nie — ſo hörte ich ſchon, ſoll es ſo voll geweſen ſein. Ich aber hatte das Glück, Spontini’s Feſtmarſch und Chöre im Blumengarten den Tag nachher vollkommenſt zu hören, ſo — daß applaudirt und bravo von achthundert Menſchen geſchrieen wurde, Viertelſtunden applaudirt: bravo Spontini. Das erzähle ich ihm: zum Lohn, daß er mir von Roberts Rede erzählte, — was ich ſchon wußte, — daß ſie mittendrin — nie geſchehn — applaudirt ward, und einen

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/518>, abgerufen am 23.04.2024.