Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
An Ludwig Robert, in Baden.


Helles, heißes Nordostwetter. Schönster Mondschein
Abends: dann gutes Wetter. Um 6 größter, mir
schädlicher Nebel. Alles grün. Mandelbäume blü-
hen bei Bartholdy's. Blau von Veilchen.

Den 4. März bekam ich deinen Brief, worin du mir das
Quartier bei dir zuerst anbotest. Ich war sehr krank damals,
und anwortete den 6. März, daß ich es in jedem Fall, wenn
auch nicht für mich, doch für dich nehme. Darauf erhielt ich
keine Antwort: und schrieb also, den letzten Donnerstag vor
acht Tagen, dringend um eine. Darauf erhielt ich auch sehr
richtig, gestern die eurige. Es freut mich, daß du dich nicht
ängstigst. Und wo man ist, ist gut bleiben, wenn solches
Thier von Krankheit wüthet. Jedoch gedenk' ich noch zu kom-
men, zu reisen. Es sieht so aus: auch äußere ich oft, als ob's
so wäre: ich bin aber nicht mein eigener Herr: darf das nicht
sagen; und muß in krümmendster Vernunft noch das Ansehn
haben, und mir sagen lassen, daß ich verrückt in Plänen,
Wünschen, und Leben bin. Amen! Gott schickt es mir: ich
will es hinnehmen, in's Herz schlucken. Also es bleibt dabei;
wie ich neulich schrieb. Komme ich; ist es gut. Komme ich
nicht: muß es auch gut sein. Jetzt bin ich sehr affizirt: ich
habe mich müssen schelten lassen; a soixante ans, et malade.
Ich gehe in mein Bad, und hätte euch nichts sollen merken
lassen!! Aber ich kann es auch nicht immer verbergen. Je-
doch ist es anders, wenn ihr diesen Brief leset: und schon

An Ludwig Robert, in Baden.


Helles, heißes Nordoſtwetter. Schönſter Mondſchein
Abends: dann gutes Wetter. Um 6 größter, mir
ſchädlicher Nebel. Alles grün. Mandelbäume blü-
hen bei Bartholdy’s. Blau von Veilchen.

Den 4. März bekam ich deinen Brief, worin du mir das
Quartier bei dir zuerſt anboteſt. Ich war ſehr krank damals,
und anwortete den 6. März, daß ich es in jedem Fall, wenn
auch nicht für mich, doch für dich nehme. Darauf erhielt ich
keine Antwort: und ſchrieb alſo, den letzten Donnerstag vor
acht Tagen, dringend um eine. Darauf erhielt ich auch ſehr
richtig, geſtern die eurige. Es freut mich, daß du dich nicht
ängſtigſt. Und wo man iſt, iſt gut bleiben, wenn ſolches
Thier von Krankheit wüthet. Jedoch gedenk’ ich noch zu kom-
men, zu reiſen. Es ſieht ſo aus: auch äußere ich oft, als ob’s
ſo wäre: ich bin aber nicht mein eigener Herr: darf das nicht
ſagen; und muß in krümmendſter Vernunft noch das Anſehn
haben, und mir ſagen laſſen, daß ich verrückt in Plänen,
Wünſchen, und Leben bin. Amen! Gott ſchickt es mir: ich
will es hinnehmen, in’s Herz ſchlucken. Alſo es bleibt dabei;
wie ich neulich ſchrieb. Komme ich; iſt es gut. Komme ich
nicht: muß es auch gut ſein. Jetzt bin ich ſehr affizirt: ich
habe mich müſſen ſchelten laſſen; à soixante ans, et malade.
Ich gehe in mein Bad, und hätte euch nichts ſollen merken
laſſen!! Aber ich kann es auch nicht immer verbergen. Je-
doch iſt es anders, wenn ihr dieſen Brief leſet: und ſchon

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0572" n="564"/>
        <div n="2">
          <head>An Ludwig Robert, in Baden.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Dienstag, den 17. April 1832. Morgens 10 Uhr.</hi> </dateline><lb/>
          <p> <hi rendition="#et">Helles, heißes Nordo&#x017F;twetter. Schön&#x017F;ter Mond&#x017F;chein<lb/>
Abends: dann gutes Wetter. Um 6 größter, mir<lb/>
&#x017F;chädlicher Nebel. Alles grün. Mandelbäume blü-<lb/>
hen bei Bartholdy&#x2019;s. Blau von Veilchen.</hi> </p><lb/>
          <p>Den 4. März bekam ich deinen Brief, worin du mir das<lb/>
Quartier bei dir zuer&#x017F;t anbote&#x017F;t. Ich war &#x017F;ehr krank damals,<lb/>
und anwortete den 6. März, daß ich es in jedem Fall, wenn<lb/>
auch nicht für mich, doch für dich nehme. Darauf erhielt ich<lb/>
keine Antwort: und &#x017F;chrieb al&#x017F;o, den letzten Donnerstag vor<lb/>
acht Tagen, dringend um eine. Darauf erhielt ich auch &#x017F;ehr<lb/>
richtig, <hi rendition="#g">ge&#x017F;tern</hi> die eurige. Es freut mich, daß du dich nicht<lb/>
äng&#x017F;tig&#x017F;t. Und <hi rendition="#g">wo</hi> man i&#x017F;t, i&#x017F;t gut bleiben, wenn &#x017F;olches<lb/>
Thier von Krankheit wüthet. Jedoch gedenk&#x2019; ich noch zu kom-<lb/>
men, zu rei&#x017F;en. Es &#x017F;ieht &#x017F;o aus: auch äußere ich oft, als ob&#x2019;s<lb/>
&#x017F;o wäre: ich bin aber <hi rendition="#g">nicht</hi> mein eigener Herr: darf das nicht<lb/>
&#x017F;agen; und muß in krümmend&#x017F;ter Vernunft noch das An&#x017F;ehn<lb/>
haben, und mir &#x017F;agen la&#x017F;&#x017F;en, daß ich verrückt in Plänen,<lb/>
Wün&#x017F;chen, und Leben bin. Amen! <hi rendition="#g">Gott</hi> &#x017F;chickt es mir: ich<lb/>
will es hinnehmen, in&#x2019;s Herz &#x017F;chlucken. Al&#x017F;o es bleibt dabei;<lb/>
wie ich neulich &#x017F;chrieb. Komme ich; i&#x017F;t es gut. Komme ich<lb/>
nicht: muß es auch gut &#x017F;ein. Jetzt bin ich &#x017F;ehr affizirt: ich<lb/>
habe mich mü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chelten la&#x017F;&#x017F;en; <hi rendition="#aq">à soixante ans, et malade.</hi><lb/>
Ich gehe in mein Bad, und hätte euch nichts &#x017F;ollen merken<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en!! Aber ich kann es auch nicht <hi rendition="#g">immer</hi> verbergen. Je-<lb/>
doch i&#x017F;t es anders, wenn ihr die&#x017F;en Brief le&#x017F;et: und <hi rendition="#g">&#x017F;chon<lb/></hi></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[564/0572] An Ludwig Robert, in Baden. Dienstag, den 17. April 1832. Morgens 10 Uhr. Helles, heißes Nordoſtwetter. Schönſter Mondſchein Abends: dann gutes Wetter. Um 6 größter, mir ſchädlicher Nebel. Alles grün. Mandelbäume blü- hen bei Bartholdy’s. Blau von Veilchen. Den 4. März bekam ich deinen Brief, worin du mir das Quartier bei dir zuerſt anboteſt. Ich war ſehr krank damals, und anwortete den 6. März, daß ich es in jedem Fall, wenn auch nicht für mich, doch für dich nehme. Darauf erhielt ich keine Antwort: und ſchrieb alſo, den letzten Donnerstag vor acht Tagen, dringend um eine. Darauf erhielt ich auch ſehr richtig, geſtern die eurige. Es freut mich, daß du dich nicht ängſtigſt. Und wo man iſt, iſt gut bleiben, wenn ſolches Thier von Krankheit wüthet. Jedoch gedenk’ ich noch zu kom- men, zu reiſen. Es ſieht ſo aus: auch äußere ich oft, als ob’s ſo wäre: ich bin aber nicht mein eigener Herr: darf das nicht ſagen; und muß in krümmendſter Vernunft noch das Anſehn haben, und mir ſagen laſſen, daß ich verrückt in Plänen, Wünſchen, und Leben bin. Amen! Gott ſchickt es mir: ich will es hinnehmen, in’s Herz ſchlucken. Alſo es bleibt dabei; wie ich neulich ſchrieb. Komme ich; iſt es gut. Komme ich nicht: muß es auch gut ſein. Jetzt bin ich ſehr affizirt: ich habe mich müſſen ſchelten laſſen; à soixante ans, et malade. Ich gehe in mein Bad, und hätte euch nichts ſollen merken laſſen!! Aber ich kann es auch nicht immer verbergen. Je- doch iſt es anders, wenn ihr dieſen Brief leſet: und ſchon

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/572
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/572>, abgerufen am 24.04.2024.