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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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feindliche Weihnachten naht. -- Wäre es nicht so dunstig
und ma sante si chancelante, so besuchte ich Sie diesen Mor-
gen. Ich habe Fanny noch nicht gesehen. --



An die Fürstin von Pückler-Muskau.


Als ich gestern vor dem Hause Ihrer Durchlaucht war,
um meinen stäten ergebenen Willen zu zeigen, mußte ich einen
schönen Schreck einnehmen! -- Ich bin sehr über Fürst Caro-
laths ernsteres Unwohlsein betreten! und bitte, mich wissen
zu lassen, wie es ihm heute geht. -- Ich -- habe, ohne einen
Fehler begangen zu haben, eine Höllennacht durchlebt. -- Als
ich gestern Mittag zu Hause kam, fand ich die gütigen Zei-
len von Ihnen, liebe Fürstin; warum geht's uns denn so!
Varnh. liegt auch krank zu Bette. Aber wir sind verdammt
-- wir besonders, die wir nicht darin geboren waren -- in
einer Nebelwolke zu leben: und dazu sind wirklich unsre Or-
gane nicht eingerichtet. Ich will doch ausfahren: meine Ne[-]
ven bedürfen es: ich könnte überhaupt komplette Fabeln vo[n]
meinen Zuständen erzählen. Fahren Sie auch aus, liebe Für-
stin! und so bald es geht, zu mir. Abends sind doch jedes-
mal bei mir einige anzuhörende Menschen zu finden. Vor-
gestern sogar Mad. Milder sehr schön! Fein organisirte
Menschen müssen Zerstreuung haben; andre Occupation als
sich selbst, für ihre Nerven. -- Ich bin nicht mehr allein. --
Gott schütze Sie! --



feindliche Weihnachten naht. — Wäre es nicht ſo dunſtig
und ma santé si chancelante, ſo beſuchte ich Sie dieſen Mor-
gen. Ich habe Fanny noch nicht geſehen. —



An die Fürſtin von Pückler-Muskau.


Als ich geſtern vor dem Hauſe Ihrer Durchlaucht war,
um meinen ſtäten ergebenen Willen zu zeigen, mußte ich einen
ſchönen Schreck einnehmen! — Ich bin ſehr über Fürſt Caro-
laths ernſteres Unwohlſein betreten! und bitte, mich wiſſen
zu laſſen, wie es ihm heute geht. — Ich — habe, ohne einen
Fehler begangen zu haben, eine Höllennacht durchlebt. — Als
ich geſtern Mittag zu Hauſe kam, fand ich die gütigen Zei-
len von Ihnen, liebe Fürſtin; warum geht’s uns denn ſo!
Varnh. liegt auch krank zu Bette. Aber wir ſind verdammt
— wir beſonders, die wir nicht darin geboren waren — in
einer Nebelwolke zu leben: und dazu ſind wirklich unſre Or-
gane nicht eingerichtet. Ich will doch ausfahren: meine Ne[-]
ven bedürfen es: ich könnte überhaupt komplette Fabeln vo[n]
meinen Zuſtänden erzählen. Fahren Sie auch aus, liebe Für-
ſtin! und ſo bald es geht, zu mir. Abends ſind doch jedes-
mal bei mir einige anzuhörende Menſchen zu finden. Vor-
geſtern ſogar Mad. Milder ſehr ſchön! Fein organiſirte
Menſchen müſſen Zerſtreuung haben; andre Occupation als
ſich ſelbſt, für ihre Nerven. — Ich bin nicht mehr allein. —
Gott ſchütze Sie! —



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[588/0596] feindliche Weihnachten naht. — Wäre es nicht ſo dunſtig und ma santé si chancelante, ſo beſuchte ich Sie dieſen Mor- gen. Ich habe Fanny noch nicht geſehen. — An die Fürſtin von Pückler-Muskau. Sonnabend, den 8. December 1832. Als ich geſtern vor dem Hauſe Ihrer Durchlaucht war, um meinen ſtäten ergebenen Willen zu zeigen, mußte ich einen ſchönen Schreck einnehmen! — Ich bin ſehr über Fürſt Caro- laths ernſteres Unwohlſein betreten! und bitte, mich wiſſen zu laſſen, wie es ihm heute geht. — Ich — habe, ohne einen Fehler begangen zu haben, eine Höllennacht durchlebt. — Als ich geſtern Mittag zu Hauſe kam, fand ich die gütigen Zei- len von Ihnen, liebe Fürſtin; warum geht’s uns denn ſo! Varnh. liegt auch krank zu Bette. Aber wir ſind verdammt — wir beſonders, die wir nicht darin geboren waren — in einer Nebelwolke zu leben: und dazu ſind wirklich unſre Or- gane nicht eingerichtet. Ich will doch ausfahren: meine Ne- ven bedürfen es: ich könnte überhaupt komplette Fabeln von meinen Zuſtänden erzählen. Fahren Sie auch aus, liebe Für- ſtin! und ſo bald es geht, zu mir. Abends ſind doch jedes- mal bei mir einige anzuhörende Menſchen zu finden. Vor- geſtern ſogar Mad. Milder ſehr ſchön! Fein organiſirte Menſchen müſſen Zerſtreuung haben; andre Occupation als ſich ſelbſt, für ihre Nerven. — Ich bin nicht mehr allein. — Gott ſchütze Sie! —

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/596>, abgerufen am 23.04.2024.