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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Haut-Territorien.
lich von den Gefässen unterscheiden (Fig. 83.). Besonders
günstig ist der Fall, wenn durch irgend eine Erkrankung z. B.
den Pockenprozess eine leichte Schwellung der ganzen Haut
stattgefunden hat und die Elemente ein wenig grösser sind,
als normal. In gewöhnlichen Papillen ist es etwas schwieriger,
die Elemente wahrzunehmen, doch sieht man sie bei genauerer
Betrachtung überall, auch neben den Tastkörperchen.

Demnach findet sich auch in den feinsten Ausläufern des
Gewebes gegen die Oberfläche hin nicht eine amorphe Masse,
welche in einem constanten Verhältnisse zu den Gefässen und
Nerven steht, vielmehr erscheint als einheitliche Einrichtung,
als eigentlich constituirende Grundmasse der verschiedenen (Ge-
fäss- und Nerven-) Papillen immer nur die Bindegewebssub-
stanz, und die einzelnen Papillen gewinnen erst eine verschie-
dene Bedeutung dadurch, dass zu dieser Grundmasse in dem
einen Falle Gefässe, in dem anderen Nerven hinzukommen.

Wir wissen allerdings wenig über die besonderen Bezie-
hungen, welche die gefässhaltigen Papillen zu den Functionen
der Haut haben, indessen lässt sich kaum bezweifeln, dass
hier eine wichtige Beziehung existiren muss, und dass, wenn
man mehr im Stande sein wird, die verschiedenen Hautthätig-
keiten zu sondern, auch den Gefässpapillen eine grössere
Wichtigkeit zugesprochen werden wird. So viel können wir
aber jetzt schon sagen, dass es falsch ist, sich zu denken, dass
in einem jeden anatomischen Theile der Haut eine besondere
Nervenverbreitung existire; gleichwie physiologische Versuche
zeigen, dass grössere Empfindungskreise in der Haut existiren,
lehrt auch die feinere histologische Untersuchung, dass an der
Oberfläche eine relativ spärliche Endigung der Nerven besteht.
Will man also die Haut in bestimmte Territorien eintheilen,
so versteht es sich von selbst, dass die Nerven-Territorien
grösser sind, als die Gefäss-Territorien. Aber auch jedes
durch eine einzige Capillarschlinge bezeichnete Gefäss-Terri-
torium (Papille) zerfällt wieder in eine Reihe von kleineren
(Zellen-) Territorien, welche freilich alle an dem Ufer dessel-
ben Gefässes liegen, aber für sich bestehen, indem jedes mit
einem besonderen zelligen Elemente versehen ist.

Auf diese Weise kann man es sich sehr wohl erklären,

Haut-Territorien.
lich von den Gefässen unterscheiden (Fig. 83.). Besonders
günstig ist der Fall, wenn durch irgend eine Erkrankung z. B.
den Pockenprozess eine leichte Schwellung der ganzen Haut
stattgefunden hat und die Elemente ein wenig grösser sind,
als normal. In gewöhnlichen Papillen ist es etwas schwieriger,
die Elemente wahrzunehmen, doch sieht man sie bei genauerer
Betrachtung überall, auch neben den Tastkörperchen.

Demnach findet sich auch in den feinsten Ausläufern des
Gewebes gegen die Oberfläche hin nicht eine amorphe Masse,
welche in einem constanten Verhältnisse zu den Gefässen und
Nerven steht, vielmehr erscheint als einheitliche Einrichtung,
als eigentlich constituirende Grundmasse der verschiedenen (Ge-
fäss- und Nerven-) Papillen immer nur die Bindegewebssub-
stanz, und die einzelnen Papillen gewinnen erst eine verschie-
dene Bedeutung dadurch, dass zu dieser Grundmasse in dem
einen Falle Gefässe, in dem anderen Nerven hinzukommen.

Wir wissen allerdings wenig über die besonderen Bezie-
hungen, welche die gefässhaltigen Papillen zu den Functionen
der Haut haben, indessen lässt sich kaum bezweifeln, dass
hier eine wichtige Beziehung existiren muss, und dass, wenn
man mehr im Stande sein wird, die verschiedenen Hautthätig-
keiten zu sondern, auch den Gefässpapillen eine grössere
Wichtigkeit zugesprochen werden wird. So viel können wir
aber jetzt schon sagen, dass es falsch ist, sich zu denken, dass
in einem jeden anatomischen Theile der Haut eine besondere
Nervenverbreitung existire; gleichwie physiologische Versuche
zeigen, dass grössere Empfindungskreise in der Haut existiren,
lehrt auch die feinere histologische Untersuchung, dass an der
Oberfläche eine relativ spärliche Endigung der Nerven besteht.
Will man also die Haut in bestimmte Territorien eintheilen,
so versteht es sich von selbst, dass die Nerven-Territorien
grösser sind, als die Gefäss-Territorien. Aber auch jedes
durch eine einzige Capillarschlinge bezeichnete Gefäss-Terri-
torium (Papille) zerfällt wieder in eine Reihe von kleineren
(Zellen-) Territorien, welche freilich alle an dem Ufer dessel-
ben Gefässes liegen, aber für sich bestehen, indem jedes mit
einem besonderen zelligen Elemente versehen ist.

Auf diese Weise kann man es sich sehr wohl erklären,

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[219/0241] Haut-Territorien. lich von den Gefässen unterscheiden (Fig. 83.). Besonders günstig ist der Fall, wenn durch irgend eine Erkrankung z. B. den Pockenprozess eine leichte Schwellung der ganzen Haut stattgefunden hat und die Elemente ein wenig grösser sind, als normal. In gewöhnlichen Papillen ist es etwas schwieriger, die Elemente wahrzunehmen, doch sieht man sie bei genauerer Betrachtung überall, auch neben den Tastkörperchen. Demnach findet sich auch in den feinsten Ausläufern des Gewebes gegen die Oberfläche hin nicht eine amorphe Masse, welche in einem constanten Verhältnisse zu den Gefässen und Nerven steht, vielmehr erscheint als einheitliche Einrichtung, als eigentlich constituirende Grundmasse der verschiedenen (Ge- fäss- und Nerven-) Papillen immer nur die Bindegewebssub- stanz, und die einzelnen Papillen gewinnen erst eine verschie- dene Bedeutung dadurch, dass zu dieser Grundmasse in dem einen Falle Gefässe, in dem anderen Nerven hinzukommen. Wir wissen allerdings wenig über die besonderen Bezie- hungen, welche die gefässhaltigen Papillen zu den Functionen der Haut haben, indessen lässt sich kaum bezweifeln, dass hier eine wichtige Beziehung existiren muss, und dass, wenn man mehr im Stande sein wird, die verschiedenen Hautthätig- keiten zu sondern, auch den Gefässpapillen eine grössere Wichtigkeit zugesprochen werden wird. So viel können wir aber jetzt schon sagen, dass es falsch ist, sich zu denken, dass in einem jeden anatomischen Theile der Haut eine besondere Nervenverbreitung existire; gleichwie physiologische Versuche zeigen, dass grössere Empfindungskreise in der Haut existiren, lehrt auch die feinere histologische Untersuchung, dass an der Oberfläche eine relativ spärliche Endigung der Nerven besteht. Will man also die Haut in bestimmte Territorien eintheilen, so versteht es sich von selbst, dass die Nerven-Territorien grösser sind, als die Gefäss-Territorien. Aber auch jedes durch eine einzige Capillarschlinge bezeichnete Gefäss-Terri- torium (Papille) zerfällt wieder in eine Reihe von kleineren (Zellen-) Territorien, welche freilich alle an dem Ufer dessel- ben Gefässes liegen, aber für sich bestehen, indem jedes mit einem besonderen zelligen Elemente versehen ist. Auf diese Weise kann man es sich sehr wohl erklären,

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/241>, abgerufen am 29.03.2024.