Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Dreizehnte Vorlesung.
die Sinneskapseln eintrat. Noch in der Cochlea, der Retina
kommen Bildungen vor, welche sich den Corpora amylacea an-
schliessen, obwohl bis jetzt die chemische Reaction nur in dem
Ohre gelungen ist.

Isolirt man solche Körper, so zeigen sie in jeder Beziehung
eine so vollständige Analogie mit Stärke, dass schon lange,
bevor es mir gelang, die Analogie der chemischen Reaction zu
finden, Purkinje wegen der morphologischen Aehnlichkeit die
Bezeichnung der Corpora amylacea eingeführt hatte. Sie wer-
den wissen, dass man von manchen Seiten die chemische
Uebereinstimmung bezweifelt hat, namentlich hatte der verstor-
bene Heinrich Meckel grosse Bedenken daran, indem er
vielmehr eine Beziehung zu Cholesterin annahm. In der
neueren Zeit ist selbst von Botanikern vom Fach die Sache
untersucht worden, z. B. von Nägeli, und jeder, der sich da-
mit genauer beschäftigte, hat bis jetzt dieselbe Ueberzeugung
gewonnen. Nägeli erklärte sogar diese Körper für ganz ve-
ritable Stärke. Morphologisch erscheinen sie entweder als
ganz runde, regelmässig geschichtete Körper, oder das Centrum
sitzt etwas seitlich, oder wir haben Zwillingskörper, oder aber
die Körper sind mehr homogen, blass, mattglänzend wie
fettartige Theile. Behandelt man sie mit Jod, so färben sie
sich blassbläulich, graublau, wobei freilich die richtige Concen-
tration des Reagens sehr viel ausmacht. Setzt man hinterher
Schwefelsäure zu, so bekommt man bei regelrechter Einwir-
kung ein schönes Blau, wie es am schönsten bei sehr lang-
samer Einwirkung des Reagens eintritt. Wirkt Schwefelsäure
stark ein, so erhält man eine violette und schnell eine braun-
rothe oder schwärzliche Färbung, welche von der Beschaffen-
heit der Nachbartheile sich auf das Entschiedenste unterschei-
det, denn diese werden gelb oder höchstens gelbbraun.



Dreizehnte Vorlesung.
die Sinneskapseln eintrat. Noch in der Cochlea, der Retina
kommen Bildungen vor, welche sich den Corpora amylacea an-
schliessen, obwohl bis jetzt die chemische Reaction nur in dem
Ohre gelungen ist.

Isolirt man solche Körper, so zeigen sie in jeder Beziehung
eine so vollständige Analogie mit Stärke, dass schon lange,
bevor es mir gelang, die Analogie der chemischen Reaction zu
finden, Purkinje wegen der morphologischen Aehnlichkeit die
Bezeichnung der Corpora amylacea eingeführt hatte. Sie wer-
den wissen, dass man von manchen Seiten die chemische
Uebereinstimmung bezweifelt hat, namentlich hatte der verstor-
bene Heinrich Meckel grosse Bedenken daran, indem er
vielmehr eine Beziehung zu Cholesterin annahm. In der
neueren Zeit ist selbst von Botanikern vom Fach die Sache
untersucht worden, z. B. von Nägeli, und jeder, der sich da-
mit genauer beschäftigte, hat bis jetzt dieselbe Ueberzeugung
gewonnen. Nägeli erklärte sogar diese Körper für ganz ve-
ritable Stärke. Morphologisch erscheinen sie entweder als
ganz runde, regelmässig geschichtete Körper, oder das Centrum
sitzt etwas seitlich, oder wir haben Zwillingskörper, oder aber
die Körper sind mehr homogen, blass, mattglänzend wie
fettartige Theile. Behandelt man sie mit Jod, so färben sie
sich blassbläulich, graublau, wobei freilich die richtige Concen-
tration des Reagens sehr viel ausmacht. Setzt man hinterher
Schwefelsäure zu, so bekommt man bei regelrechter Einwir-
kung ein schönes Blau, wie es am schönsten bei sehr lang-
samer Einwirkung des Reagens eintritt. Wirkt Schwefelsäure
stark ein, so erhält man eine violette und schnell eine braun-
rothe oder schwärzliche Färbung, welche von der Beschaffen-
heit der Nachbartheile sich auf das Entschiedenste unterschei-
det, denn diese werden gelb oder höchstens gelbbraun.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0276" n="254"/><fw place="top" type="header">Dreizehnte Vorlesung.</fw><lb/>
die Sinneskapseln eintrat. Noch in der Cochlea, der Retina<lb/>
kommen Bildungen vor, welche sich den Corpora amylacea an-<lb/>
schliessen, obwohl bis jetzt die chemische Reaction nur in dem<lb/>
Ohre gelungen ist.</p><lb/>
        <p>Isolirt man solche Körper, so zeigen sie in jeder Beziehung<lb/>
eine so vollständige Analogie mit Stärke, dass schon lange,<lb/>
bevor es mir gelang, die Analogie der chemischen Reaction zu<lb/>
finden, <hi rendition="#g">Purkinje</hi> wegen der morphologischen Aehnlichkeit die<lb/>
Bezeichnung der Corpora amylacea eingeführt hatte. Sie wer-<lb/>
den wissen, dass man von manchen Seiten die chemische<lb/>
Uebereinstimmung bezweifelt hat, namentlich hatte der verstor-<lb/>
bene <hi rendition="#g">Heinrich Meckel</hi> grosse Bedenken daran, indem er<lb/>
vielmehr eine Beziehung zu Cholesterin annahm. In der<lb/>
neueren Zeit ist selbst von Botanikern vom Fach die Sache<lb/>
untersucht worden, z. B. von <hi rendition="#g">Nägeli</hi>, und jeder, der sich da-<lb/>
mit genauer beschäftigte, hat bis jetzt dieselbe Ueberzeugung<lb/>
gewonnen. <hi rendition="#g">Nägeli</hi> erklärte sogar diese Körper für ganz ve-<lb/>
ritable Stärke. Morphologisch erscheinen sie entweder als<lb/>
ganz runde, regelmässig geschichtete Körper, oder das Centrum<lb/>
sitzt etwas seitlich, oder wir haben Zwillingskörper, oder aber<lb/>
die Körper sind mehr homogen, blass, mattglänzend wie<lb/>
fettartige Theile. Behandelt man sie mit Jod, so färben sie<lb/>
sich blassbläulich, graublau, wobei freilich die richtige Concen-<lb/>
tration des Reagens sehr viel ausmacht. Setzt man hinterher<lb/>
Schwefelsäure zu, so bekommt man bei regelrechter Einwir-<lb/>
kung ein schönes Blau, wie es am schönsten bei sehr lang-<lb/>
samer Einwirkung des Reagens eintritt. Wirkt Schwefelsäure<lb/>
stark ein, so erhält man eine violette und schnell eine braun-<lb/>
rothe oder schwärzliche Färbung, welche von der Beschaffen-<lb/>
heit der Nachbartheile sich auf das Entschiedenste unterschei-<lb/>
det, denn diese werden gelb oder höchstens gelbbraun.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[254/0276] Dreizehnte Vorlesung. die Sinneskapseln eintrat. Noch in der Cochlea, der Retina kommen Bildungen vor, welche sich den Corpora amylacea an- schliessen, obwohl bis jetzt die chemische Reaction nur in dem Ohre gelungen ist. Isolirt man solche Körper, so zeigen sie in jeder Beziehung eine so vollständige Analogie mit Stärke, dass schon lange, bevor es mir gelang, die Analogie der chemischen Reaction zu finden, Purkinje wegen der morphologischen Aehnlichkeit die Bezeichnung der Corpora amylacea eingeführt hatte. Sie wer- den wissen, dass man von manchen Seiten die chemische Uebereinstimmung bezweifelt hat, namentlich hatte der verstor- bene Heinrich Meckel grosse Bedenken daran, indem er vielmehr eine Beziehung zu Cholesterin annahm. In der neueren Zeit ist selbst von Botanikern vom Fach die Sache untersucht worden, z. B. von Nägeli, und jeder, der sich da- mit genauer beschäftigte, hat bis jetzt dieselbe Ueberzeugung gewonnen. Nägeli erklärte sogar diese Körper für ganz ve- ritable Stärke. Morphologisch erscheinen sie entweder als ganz runde, regelmässig geschichtete Körper, oder das Centrum sitzt etwas seitlich, oder wir haben Zwillingskörper, oder aber die Körper sind mehr homogen, blass, mattglänzend wie fettartige Theile. Behandelt man sie mit Jod, so färben sie sich blassbläulich, graublau, wobei freilich die richtige Concen- tration des Reagens sehr viel ausmacht. Setzt man hinterher Schwefelsäure zu, so bekommt man bei regelrechter Einwir- kung ein schönes Blau, wie es am schönsten bei sehr lang- samer Einwirkung des Reagens eintritt. Wirkt Schwefelsäure stark ein, so erhält man eine violette und schnell eine braun- rothe oder schwärzliche Färbung, welche von der Beschaffen- heit der Nachbartheile sich auf das Entschiedenste unterschei- det, denn diese werden gelb oder höchstens gelbbraun.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/276
Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/276>, abgerufen am 25.04.2024.