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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Erste Vorlesung.
[Abbildung] Fig. 3.
gen besitze, als die äusseren Theile der Zelle, und dass er trotz
der grössten Variabilität der äusseren Gestalt der Zelle seine
Gestalt im Allgemeinen behaupte. Der Kern ist demnach der-
jenige Theil der Zelle, der mit grosser Constanz in allen For-
men unverändert wiederkehrt. Freilich gibt es einzelne Fälle,
welche durch die ganze Reihe der vergleichend-anatomischen
und pathologischen Thatsachen zerstreut liegen, in denen auch
der Kern zackig oder eckig erscheint, aber dies sind ganz sel-
tene Ausnahmen, gebunden an besondere Veränderungen, wel-
che das Element eingegangen ist. Im Allgemeinen kann
man sagen, dass so lange als es noch zu keinem Abschluss
des Zellenlebens gekommen ist, so lange als die Zellen sich
als lebenskräftige Elemente verhalten, die Kerne eine nahezu
constante Form besitzen.

Der Kern seinerseits enthält bei entwickelten Elementen
wiederum mit grosser Beständigkeit ein Gebilde in sich, das
sogenannte Kernkörperchen (Nucleolus). In Beziehung auf
die Frage von der vitalen Form kann man von dem Nucleo-
lus nicht sagen, dass er als ein nothwendiges Desiderat er-
scheine; in einer erheblichen Zahl von jungen Elementen ist
es noch nicht gelungen, ihn zu sehen. Dagegen treffen wir
ihn bei ganz entwickelten älteren Formen regelmässig, und
er scheint daher eine höhere Ausbildung des Elementes anzu-
zeigen. Nach der Aufstellung, welche ursprünglich von Schlei-
den
gemacht, von Schwann acceptirt wurde, dachte man
sich lange Zeit das Verhältniss der drei coexistenten Zellentheile
so, dass der Nucleolus bei der Entwickelung der Gewebe als

Fig. 3. a. Leberzelle. b. Spindelzelle des Bindegewebes. c. Capillar-
gefäss. d. Grössere Sternzelle aus einer Lymphdrüse. e. Ganglienzelle
aus dem Kleinhirn. Die Kerne überall gleichartig.

Erste Vorlesung.
[Abbildung] Fig. 3.
gen besitze, als die äusseren Theile der Zelle, und dass er trotz
der grössten Variabilität der äusseren Gestalt der Zelle seine
Gestalt im Allgemeinen behaupte. Der Kern ist demnach der-
jenige Theil der Zelle, der mit grosser Constanz in allen For-
men unverändert wiederkehrt. Freilich gibt es einzelne Fälle,
welche durch die ganze Reihe der vergleichend-anatomischen
und pathologischen Thatsachen zerstreut liegen, in denen auch
der Kern zackig oder eckig erscheint, aber dies sind ganz sel-
tene Ausnahmen, gebunden an besondere Veränderungen, wel-
che das Element eingegangen ist. Im Allgemeinen kann
man sagen, dass so lange als es noch zu keinem Abschluss
des Zellenlebens gekommen ist, so lange als die Zellen sich
als lebenskräftige Elemente verhalten, die Kerne eine nahezu
constante Form besitzen.

Der Kern seinerseits enthält bei entwickelten Elementen
wiederum mit grosser Beständigkeit ein Gebilde in sich, das
sogenannte Kernkörperchen (Nucleolus). In Beziehung auf
die Frage von der vitalen Form kann man von dem Nucleo-
lus nicht sagen, dass er als ein nothwendiges Desiderat er-
scheine; in einer erheblichen Zahl von jungen Elementen ist
es noch nicht gelungen, ihn zu sehen. Dagegen treffen wir
ihn bei ganz entwickelten älteren Formen regelmässig, und
er scheint daher eine höhere Ausbildung des Elementes anzu-
zeigen. Nach der Aufstellung, welche ursprünglich von Schlei-
den
gemacht, von Schwann acceptirt wurde, dachte man
sich lange Zeit das Verhältniss der drei coëxistenten Zellentheile
so, dass der Nucleolus bei der Entwickelung der Gewebe als

Fig. 3. a. Leberzelle. b. Spindelzelle des Bindegewebes. c. Capillar-
gefäss. d. Grössere Sternzelle aus einer Lymphdrüse. e. Ganglienzelle
aus dem Kleinhirn. Die Kerne überall gleichartig.
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[8/0030] Erste Vorlesung. [Abbildung Fig. 3. ] gen besitze, als die äusseren Theile der Zelle, und dass er trotz der grössten Variabilität der äusseren Gestalt der Zelle seine Gestalt im Allgemeinen behaupte. Der Kern ist demnach der- jenige Theil der Zelle, der mit grosser Constanz in allen For- men unverändert wiederkehrt. Freilich gibt es einzelne Fälle, welche durch die ganze Reihe der vergleichend-anatomischen und pathologischen Thatsachen zerstreut liegen, in denen auch der Kern zackig oder eckig erscheint, aber dies sind ganz sel- tene Ausnahmen, gebunden an besondere Veränderungen, wel- che das Element eingegangen ist. Im Allgemeinen kann man sagen, dass so lange als es noch zu keinem Abschluss des Zellenlebens gekommen ist, so lange als die Zellen sich als lebenskräftige Elemente verhalten, die Kerne eine nahezu constante Form besitzen. Der Kern seinerseits enthält bei entwickelten Elementen wiederum mit grosser Beständigkeit ein Gebilde in sich, das sogenannte Kernkörperchen (Nucleolus). In Beziehung auf die Frage von der vitalen Form kann man von dem Nucleo- lus nicht sagen, dass er als ein nothwendiges Desiderat er- scheine; in einer erheblichen Zahl von jungen Elementen ist es noch nicht gelungen, ihn zu sehen. Dagegen treffen wir ihn bei ganz entwickelten älteren Formen regelmässig, und er scheint daher eine höhere Ausbildung des Elementes anzu- zeigen. Nach der Aufstellung, welche ursprünglich von Schlei- den gemacht, von Schwann acceptirt wurde, dachte man sich lange Zeit das Verhältniss der drei coëxistenten Zellentheile so, dass der Nucleolus bei der Entwickelung der Gewebe als Fig. 3. a. Leberzelle. b. Spindelzelle des Bindegewebes. c. Capillar- gefäss. d. Grössere Sternzelle aus einer Lymphdrüse. e. Ganglienzelle aus dem Kleinhirn. Die Kerne überall gleichartig.

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/30>, abgerufen am 28.03.2024.