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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Siebzehnte Vorlesung.
der ganze Vorgang beschränkt sich darauf, dass im eigent-
lichen Gewebe die besonderen Veränderungen vor sich gehen,
die durch den entzündlichen Reiz inducirt worden sind.

Auf diese Weise kann man allerdings zwei Formen von
Entzündungen von einander trennen: die rein parenchy-
matöse Entzündung
, wo der Prozess im Innern des Ge-
webes verläuft, ohne dass eine austretende Blutflüssigkeit
wahrzunehmen ist; und die secretorische (exsudative)
Entzündung
, welche mehr den oberflächlichen Organen an-
gehört, wo vom Blute aus ein vermehrtes Austreten von Flüs-
sigkeit erfolgt, welche die eigenthümlichen parenchymatösen
Stoffe mit an die Oberfläche der Organe führt. Diese beiden
Formen sind hauptsächlich durch die Organe unterschieden, an
welchen sie vorkommen. Es gibt gewisse Organe, welche
unter allen Verhältnissen nur parenchymatös erkranken, andere,
welche fast jedesmal eine oberflächliche exsudative Entzündung
erkennen lassen.

Die Scheidung, welche man gewöhnlich nach dem Vor-
gange von Hunter gemacht hat, in adhäsive und eitrige For-
men liegt ungleich weiter entfernt; zunächst handelt es sich
immer darum, in wie weit die Gewebe selbst sich verändern
und ihr Product einen degenerativen Character annimmt, oder
in wie weit durch das Durchströmen der Producte der Theil
wieder von dem befreit wird, was er in sich erzeugt hat und
in wie weit dadurch die Degeneration des Theiles inhibirt
wird. Jede parenchymatöse Entzündung hat von vornherein
eine Neigung, den histologischen und functionellen Habitus
eines Organes zu verändern. Jede Entzündung mit freiem Ex-
sudate hat im Allgemeinen für den Theil eine gewisse Be-
freiung: sie entführt ihm einen grossen Theil der Schädlich-
keiten und der Theil erscheint daher verhältnissmässig viel
weniger leidend, als derjenige, welcher der Sitz einer paren-
chymatösen Erkrankung ist.



Siebzehnte Vorlesung.
der ganze Vorgang beschränkt sich darauf, dass im eigent-
lichen Gewebe die besonderen Veränderungen vor sich gehen,
die durch den entzündlichen Reiz inducirt worden sind.

Auf diese Weise kann man allerdings zwei Formen von
Entzündungen von einander trennen: die rein parenchy-
matöse Entzündung
, wo der Prozess im Innern des Ge-
webes verläuft, ohne dass eine austretende Blutflüssigkeit
wahrzunehmen ist; und die secretorische (exsudative)
Entzündung
, welche mehr den oberflächlichen Organen an-
gehört, wo vom Blute aus ein vermehrtes Austreten von Flüs-
sigkeit erfolgt, welche die eigenthümlichen parenchymatösen
Stoffe mit an die Oberfläche der Organe führt. Diese beiden
Formen sind hauptsächlich durch die Organe unterschieden, an
welchen sie vorkommen. Es gibt gewisse Organe, welche
unter allen Verhältnissen nur parenchymatös erkranken, andere,
welche fast jedesmal eine oberflächliche exsudative Entzündung
erkennen lassen.

Die Scheidung, welche man gewöhnlich nach dem Vor-
gange von Hunter gemacht hat, in adhäsive und eitrige For-
men liegt ungleich weiter entfernt; zunächst handelt es sich
immer darum, in wie weit die Gewebe selbst sich verändern
und ihr Product einen degenerativen Character annimmt, oder
in wie weit durch das Durchströmen der Producte der Theil
wieder von dem befreit wird, was er in sich erzeugt hat und
in wie weit dadurch die Degeneration des Theiles inhibirt
wird. Jede parenchymatöse Entzündung hat von vornherein
eine Neigung, den histologischen und functionellen Habitus
eines Organes zu verändern. Jede Entzündung mit freiem Ex-
sudate hat im Allgemeinen für den Theil eine gewisse Be-
freiung: sie entführt ihm einen grossen Theil der Schädlich-
keiten und der Theil erscheint daher verhältnissmässig viel
weniger leidend, als derjenige, welcher der Sitz einer paren-
chymatösen Erkrankung ist.



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[352/0374] Siebzehnte Vorlesung. der ganze Vorgang beschränkt sich darauf, dass im eigent- lichen Gewebe die besonderen Veränderungen vor sich gehen, die durch den entzündlichen Reiz inducirt worden sind. Auf diese Weise kann man allerdings zwei Formen von Entzündungen von einander trennen: die rein parenchy- matöse Entzündung, wo der Prozess im Innern des Ge- webes verläuft, ohne dass eine austretende Blutflüssigkeit wahrzunehmen ist; und die secretorische (exsudative) Entzündung, welche mehr den oberflächlichen Organen an- gehört, wo vom Blute aus ein vermehrtes Austreten von Flüs- sigkeit erfolgt, welche die eigenthümlichen parenchymatösen Stoffe mit an die Oberfläche der Organe führt. Diese beiden Formen sind hauptsächlich durch die Organe unterschieden, an welchen sie vorkommen. Es gibt gewisse Organe, welche unter allen Verhältnissen nur parenchymatös erkranken, andere, welche fast jedesmal eine oberflächliche exsudative Entzündung erkennen lassen. Die Scheidung, welche man gewöhnlich nach dem Vor- gange von Hunter gemacht hat, in adhäsive und eitrige For- men liegt ungleich weiter entfernt; zunächst handelt es sich immer darum, in wie weit die Gewebe selbst sich verändern und ihr Product einen degenerativen Character annimmt, oder in wie weit durch das Durchströmen der Producte der Theil wieder von dem befreit wird, was er in sich erzeugt hat und in wie weit dadurch die Degeneration des Theiles inhibirt wird. Jede parenchymatöse Entzündung hat von vornherein eine Neigung, den histologischen und functionellen Habitus eines Organes zu verändern. Jede Entzündung mit freiem Ex- sudate hat im Allgemeinen für den Theil eine gewisse Be- freiung: sie entführt ihm einen grossen Theil der Schädlich- keiten und der Theil erscheint daher verhältnissmässig viel weniger leidend, als derjenige, welcher der Sitz einer paren- chymatösen Erkrankung ist.

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/374>, abgerufen am 25.04.2024.