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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,5. Stuttgart, 1857.

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handelt sich hier vom Lyrischen und es wird sich zeigen, daß in diesem Ge-
biet an die Stelle dessen, was wir Auffassungs-Unterschied der Phantasie
(bildend, empfindend, dichtend) nennen, ein anderer Unterschied treten muß,
der mit ihm verwandt, aber nicht identisch ist: es wird sich hier von ver-
schiedenen Graden handeln, in welchen der Stoff in das Gefühl eingeht,
sich in inneres Gemüthsleben verwandelt oder von demselben sich wieder
ablöst. Dieß wird sich seines Orts näher erklären und ebendamit der ab-
weichende Sinn, worin hier die Kategorie des Objectiven und Subjectiven
auftritt. Auch die entscheidende Bedeutung, welche nun das dritte unter
den angeführten Momenten, der Gegensatz des Ernsten und Komischen,
gewinnt, verfolgen wir jetzt noch nicht weiter, sondern bemerken, was die
im §. zunächst genannten Eintheilungsmomente betrifft, nur noch im All-
gemeinen, daß, wo eines derselben an die Spitze tritt, die andern dadurch
nicht ihre Geltung verlieren, sondern für weitere Unter-Eintheilungen auf
verschiedene Weise bestimmend werden, so namentlich auch jener Auffassungs-
Unterschied, der nur im lyrischen Gebiete sich in einen andern verwandelt.
-- Dazu kommen nun die Eintheilungsgründe, die außerdem in §. 540
allgemein aufgestellt worden sind: es ist die Stoffbeziehung der Phantasie
(nach §. 403), welche untergeordnete Geltung gewinnt: man denke nur an
die heroisch-mythische Welt des Epos, die reale des Romans und wieder
an den historischen, den socialen Roman u. s. w., an das politische und
an das bürgerliche Drama, wobei denn auch der Unterschied des Styls im
höchsten Grade wichtig wird; ferner tritt der Unterschied im Grade des
Umfangs noch einmal auf (Roman und Novelle, Drama und Farce) und
es wird sich zeigen, ob in der engeren Eintheilung auch der des erfaßten
Moments entscheidend eingreift; endlich macht sich der Unterschied der Technik,
worunter wir jetzt neben der Sprachform auch die Compositionsweise ver-
stehen, innerhalb der einzelnen Zweige geltend. Auch hierüber enthalten
wir uns noch aller Erläuterung, um nicht zu sehr vorzugreifen.


handelt ſich hier vom Lyriſchen und es wird ſich zeigen, daß in dieſem Ge-
biet an die Stelle deſſen, was wir Auffaſſungs-Unterſchied der Phantaſie
(bildend, empfindend, dichtend) nennen, ein anderer Unterſchied treten muß,
der mit ihm verwandt, aber nicht identiſch iſt: es wird ſich hier von ver-
ſchiedenen Graden handeln, in welchen der Stoff in das Gefühl eingeht,
ſich in inneres Gemüthsleben verwandelt oder von demſelben ſich wieder
ablöst. Dieß wird ſich ſeines Orts näher erklären und ebendamit der ab-
weichende Sinn, worin hier die Kategorie des Objectiven und Subjectiven
auftritt. Auch die entſcheidende Bedeutung, welche nun das dritte unter
den angeführten Momenten, der Gegenſatz des Ernſten und Komiſchen,
gewinnt, verfolgen wir jetzt noch nicht weiter, ſondern bemerken, was die
im §. zunächſt genannten Eintheilungsmomente betrifft, nur noch im All-
gemeinen, daß, wo eines derſelben an die Spitze tritt, die andern dadurch
nicht ihre Geltung verlieren, ſondern für weitere Unter-Eintheilungen auf
verſchiedene Weiſe beſtimmend werden, ſo namentlich auch jener Auffaſſungs-
Unterſchied, der nur im lyriſchen Gebiete ſich in einen andern verwandelt.
— Dazu kommen nun die Eintheilungsgründe, die außerdem in §. 540
allgemein aufgeſtellt worden ſind: es iſt die Stoffbeziehung der Phantaſie
(nach §. 403), welche untergeordnete Geltung gewinnt: man denke nur an
die heroiſch-mythiſche Welt des Epos, die reale des Romans und wieder
an den hiſtoriſchen, den ſocialen Roman u. ſ. w., an das politiſche und
an das bürgerliche Drama, wobei denn auch der Unterſchied des Styls im
höchſten Grade wichtig wird; ferner tritt der Unterſchied im Grade des
Umfangs noch einmal auf (Roman und Novelle, Drama und Farce) und
es wird ſich zeigen, ob in der engeren Eintheilung auch der des erfaßten
Moments entſcheidend eingreift; endlich macht ſich der Unterſchied der Technik,
worunter wir jetzt neben der Sprachform auch die Compoſitionsweiſe ver-
ſtehen, innerhalb der einzelnen Zweige geltend. Auch hierüber enthalten
wir uns noch aller Erläuterung, um nicht zu ſehr vorzugreifen.


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[1264/0128] handelt ſich hier vom Lyriſchen und es wird ſich zeigen, daß in dieſem Ge- biet an die Stelle deſſen, was wir Auffaſſungs-Unterſchied der Phantaſie (bildend, empfindend, dichtend) nennen, ein anderer Unterſchied treten muß, der mit ihm verwandt, aber nicht identiſch iſt: es wird ſich hier von ver- ſchiedenen Graden handeln, in welchen der Stoff in das Gefühl eingeht, ſich in inneres Gemüthsleben verwandelt oder von demſelben ſich wieder ablöst. Dieß wird ſich ſeines Orts näher erklären und ebendamit der ab- weichende Sinn, worin hier die Kategorie des Objectiven und Subjectiven auftritt. Auch die entſcheidende Bedeutung, welche nun das dritte unter den angeführten Momenten, der Gegenſatz des Ernſten und Komiſchen, gewinnt, verfolgen wir jetzt noch nicht weiter, ſondern bemerken, was die im §. zunächſt genannten Eintheilungsmomente betrifft, nur noch im All- gemeinen, daß, wo eines derſelben an die Spitze tritt, die andern dadurch nicht ihre Geltung verlieren, ſondern für weitere Unter-Eintheilungen auf verſchiedene Weiſe beſtimmend werden, ſo namentlich auch jener Auffaſſungs- Unterſchied, der nur im lyriſchen Gebiete ſich in einen andern verwandelt. — Dazu kommen nun die Eintheilungsgründe, die außerdem in §. 540 allgemein aufgeſtellt worden ſind: es iſt die Stoffbeziehung der Phantaſie (nach §. 403), welche untergeordnete Geltung gewinnt: man denke nur an die heroiſch-mythiſche Welt des Epos, die reale des Romans und wieder an den hiſtoriſchen, den ſocialen Roman u. ſ. w., an das politiſche und an das bürgerliche Drama, wobei denn auch der Unterſchied des Styls im höchſten Grade wichtig wird; ferner tritt der Unterſchied im Grade des Umfangs noch einmal auf (Roman und Novelle, Drama und Farce) und es wird ſich zeigen, ob in der engeren Eintheilung auch der des erfaßten Moments entſcheidend eingreift; endlich macht ſich der Unterſchied der Technik, worunter wir jetzt neben der Sprachform auch die Compoſitionsweiſe ver- ſtehen, innerhalb der einzelnen Zweige geltend. Auch hierüber enthalten wir uns noch aller Erläuterung, um nicht zu ſehr vorzugreifen.

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,5. Stuttgart, 1857, S. 1264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030205_1857/128>, abgerufen am 20.04.2024.